Steglitz fragt bei Jan-Uwe Fitz aka @Vergraemer nach (Teil 2)

“Und weil sich mir der Sinn von Twitter so gar nicht erschloss, dachte ich mir: Das machste!“

In Teil 1 des Gespräches berichtete Jan-Uwe Fitz, wie er zu seiner ersten Veröffentlichung bei einem Publikumsverlag gekommen ist, welche Erfahrungen er in der Zusammenarbeit machte und warum er auch in Eigenregie publiziert. – Dieser Beitrag dreht sich um den Taubenvergrämer und um Twitter (wer hätte das gedacht?) und was Jan für seine Veröffentlichungen sonst noch macht …

Mit dem Taubenvergraemer ist dir ein schöner Wurf gelungen. Wie kam es dazu?

Hätte ich mir für dieses Interview einen ersten Satz wünschen dürfen, wäre es „Mit dem Taubenvergraemer ist dir ein schöner Wurf gelungen“ gewesen. Danke.

Gerne. Zur Sache, bitte …

Mitte der 2000er Jahre waren Berufsblogs en vogue. Zum Beispiel das Bestatterblog. Der Taubenvergrämer sollte eine Satire darauf sein: Ein Taubenvergrämer berichtet aus seinem Job. Nur eben kein echter, sondern ein eingebildeter Charakter. Ich habe mir damals vorgestellt, wie mein Leben als Taubenvergrämer verliefe? Und das aufgeschrieben.

Dass es ein Taubenvergrämer wurde und zum Beispiel kein Fliesenleger oder ein Chemiker, hängt mit der Schönheit des Wortes zusammen. Ich liebe das ä und das au. Beides zusammen in einem Beruf fand ich unwiderstehlich.

Der Erfolg kam schnell …

Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dass der Taubenvergrämer tatsächlich gelesen wird. Ich wollte lediglich mit dem Medium Blog experimentieren und war wahnsinnig aufgeregt, als anfangs immerhin vier fremde Menschen regelmäßig reinlasen.

Bloggen war für mich ähnlich wie eine Modelleisenbahn zu besitzen: einfach machen, verwerfen, und dann losfahren lassen. Doch dann wurde das dia-blog.de auf den Taubenvergraemer aufmerksam und erwähnte ihn in einem Radiointerview. Nun ging es immerhin schleppend voran. So schleppend, dass acht Jahre später, nämlich im Mai 2013, das Buch „Aus dem Leben eines Taubenvergrämers“ bei Ullstein erscheint.

Seit wann genau bist du im Social Web aktiv?

Das Blog habe ich 2005 ins Leben gerufen. Auf Twitter meldete ich mich 2008 an. Gründe gab es keine. Nur Neugier. Es war die geschätzte @lorettalametta, die mir damals befahl zu twittern. Und weil sich mir der Sinn von Twitter so gar nicht erschloss, dachte ich mir: Das machste.

Kannst du dir deine Popularität im Netz erklären?

Nein. Sie ist auch ziemlich relativ.

Bei dir war ja das Marketing vor dem Buch da. Oder, wie siehst du das?

Vielleicht. Nur dass ich nicht gewusst habe, dass es Marketing war. Ich habe halt ins Internet geschrieben. Dass das mal viele Leute lesen und daraus ein Buch werden würde, war nicht geplant. Wahrscheinlich kann man in Zeiten des Internets gar nicht mehr nicht Marketing machen …

Hat das Dumont-Marketing beim Erscheinen von „Entschuldigen Sie meine Störung“ auf deine Bekanntheit im Netz gesetzt?

Nicht, dass ich wüsste. Es war einmal angedacht, auf Facebook dafür etwas Remmidemmi zu veranstalten. Aber aus Angst vor dem virtuellen Lärm habe ich das lieber abgeblasen. Im Internet hat man keinerlei Kontrolle darüber, wer dabei ist. Das ist bei einer Live-Lesung anders.

Wie fühlt sich das für dich an, ein Netzpromi zu sein?

Ich habe generell eine Heidenangst vor den Usern. Deshalb twittere ich deutlich langweiliger und verquaster als früher, als ich noch anonym war. Nach jedem Tweet rechne ich mit virtueller Kloppe.

Denkst du, dass sich Follower beim Abverkauf eines Buches rechnen?

Keine Ahnung. Aber Twitter als Vertriebskanal ist auf keinen Fall zu unterschätzen. Und ich glaube schon, dass einige meiner Follower das Buch gekauft und weiterempfohlen haben.

Was hältst du von der Entwicklung, dass Autoren immer mehr für ihr Buchmarketing selbst tun müssen?

Das ist ein wahnsinniger Stress. Autoren sind nervlich nicht die Robustesten. Marketing aber erfordert vor allem eiserne Nerven. Für sich selbst zu werben ist die Hölle, vor allem wenn man unter Selbstzweifeln leidet. Was nicht so selten ist. Ich mache zwar immer mal wieder Werbung für mich, aber mit einem sehr, sehr schlechten Gefühl. Weil ich nicht so erzogen worden bin, aller Welt zu sagen: Ich bin so geil! Außerdem fürchte ich mich vor Entfolgungen und Tweets in der Art „Der Vergraemer ist ein Kommerzschwein!“

Da musst du wohl durch …

So kennt man Jan-Uwe Fitz aka Vergraemer bei Twitter & Co – (c) Jan-Uwe Fitz

Tja, was soll ich machen? Für ein Taschenbuch werben die Verlage nicht sonderlich, da bleibt die Aufgabe eben bei mir hängen. Schließlich würde ich gerne so viele Werke verkaufen, dass ich ein zweites Buch veröffentlichen darf. Zum Glück habe ich meinen Twitter- und meinen Facebook-Kanal. Allerdings kann ich jeden Autoren verstehen, der sich lieber zurückzieht, weil ihn die Öffentlichkeit, auch die virtuelle, überfordert. Ich bin extrem dankbar, wenn nette Menschen wie der Autor Matthias Sachau öffentlich ein Wort für mich einlegen. Vielleicht sollten sich Autoren gegenseitig mehr bewerben. Dem steht natürlich auch der Neid entgegen. Ich zum Beispiel gönne niemandem anderen außer mir selbst gute Verkaufszahlen.

Was machst du für dein Buchmarketing außerhalb Social Web?

Lesungen, die ich meist selbst organisiere. Die helfen meinem Buch gewaltig, nicht nur in kommerzieller Hinsicht. Das Buch funktioniert allein nicht automatisch. Es kommt aus dem Kontext Vergraemer. Und dazu gehören eben auch der Twitteraccount, das Blog und der Live-Gig. Wenn ich es auf Lesungen ironisch erkläre, haben die Leser einen besseren Zugang. Wer nur das Buch liest, bleibt schon mal mit einem „Hä?“ zurück.

Welche deiner Aktivitäten außerhalb Social Web kamen besonders gut an, welche floppten?

Ich hatte einige richtig erfolgreiche Lesungen, mit über 100 Zuschauern. Aber auch Flops mit nur vier Zuschauern. Das hängt stark von der Werbung ab. Wenn ich kräftig trommele, wird es normalerweise voll. Da ich aber Phasen habe, in denen ich mich nicht traue zu trommeln, gibt es auch Lesungen, von denen die Timeline nichts mitbekommt und dann logischerweise lieber aufs Stefan Mross-Konzert geht.

Hä? Was ist denn das für ein Highlight?

Mein persönliches Highlight war jedenfalls mein Auftritt bei Astro TV. Ich war der erste Dumont-Autor auf diesem Kanal. Darauf bilde ich mir wahnsinnig viel ein …

Welche Plattformen bevorzugst du im Social Web für dein Buchmarketing?

Buchmarketing ist übertrieben, ein viel zu großes Wort. Ich weise auf Twitter, Facebook und meinem Blog darauf hin, dass man mich auch klassisch lesen kann. Und mich auf diese Weise sogar finanziell unterstützt.

Setzt du für dein Buchmarketing auf eine Social-Media-Strategie?

Nein. Wenn ich planvoll vorgehe, vermassele ich es. Es kommt doch anders, als ich denke. Alles bei mir läuft spontan und chaotisch ab. Vielleicht ist das aber auch eine Strategie, wer weiß. Ich kann Dinge, die mir wichtig sind und mir am Herzen liegen, nicht logisch angehen. Dann hätte ich das Gefühl, sie zu entmenschlichen.

Worauf achtest du bei deiner Kommunikation im Social Web besonders?

Mich nicht zu ernst zu nehmen. Es sei denn, man bittet mich darum.

Welche deiner Aktivitäten im Social Web kamen besonders gut an, welche floppten?

Mein Twitter-Account ist recht erfolgreich. Mein Blog nicht.

Hast du Erfahrungen mit Kostenlos-Aktionen gesammelt?

Ich habe kürzlich mein E-Book „Der Unerträgliche“ kostenlos bereitgestellt und gebeten, mir die paar Cent per paypal zu überweisen. Die Downloads waren dreistellig, bezahlt haben 4 oder 5 Leute.

Social Media ist sehr zeitaufwändig. Wie sieht dein Pensum aus?

Ich bin immer online. Das ist Teil meines Charakters. Das Leben ist ja schließlich auch zeitaufwändig.

Kannst du dich ruhigen Gewissens ausloggen oder treibt es dich dann doch wieder zum Rechner bzw. dem Smartphone?

Zugegeben, ich bin onlinesüchtig. Aber es stört mich nicht. Ich habe dem Internet viel zu verdanken. Und da ist es das Mindeste, dass ich es nie allein lasse.

Wie regelst du Fragen der Erfolgskontrolle? Nutzt  du Tools?

Keine. Würde ich Erfolgstools nutzen, würde ich bekloppt. Ich schaue höchstens ab und zu mal auf Favstar nach, wie meine Tweets so ankommen. Zählt das als Erfolgstool? Und ich schaue auf NovelRank, wie mein Buch sich auf Amazon verkauft. Zurzeit bereitet mir das Sorgen, dass es im September noch niemand bestellt hat. Muss mal wieder twittern, dass ich eins geschrieben habe und dass mein neuster Coup „Der Unerträgliche“ neuerdings auch gedruckt vorliegt…

Was sollte man als Autor im Social Web unterlassen? Wo verortest du Risiken?

Keine Ahnung.

Ein trefflicher Schlusssatz, Jan. Ahnungslos entlässt du mich jedenfalls aus diesem Gespräch nicht. Vielen Dank dafür! Und Glück auf am 5. September bei „140 Sekunden“.

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Wer mehr über Jan-Uwe Fitz erfahren möchte, findet den Autoren und seine Bücher hier im Netz:

http://benefitz.de

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Vorschläge, wer in der losen Interview-Reihe “Steglitz fragt … bei Autoren nach” auch zu Wort kommen könnte, nehme ich gerne entgegen. Mich interessiert: Wie gehen Autoren mit den Entwicklungen infolge der Digitalisierung um? Welche neuen Wege nutzen sie, wo sehen sie Chancen und Risiken?

Demnächst steht hier die Sachbuch-Autorin Sonya Winterberg Rede und Antwort.

5 Kommentare zu “Steglitz fragt bei Jan-Uwe Fitz aka @Vergraemer nach (Teil 2)

  1. Pingback: Steglitz fragt bei Jan-Uwe Fitz aka @Vergraemer nach | SteglitzMind

  2. Pingback: Das Letz niest zum achten Mal (Teil 1) « Dia-Blog

  3. Natürlich gehört Bloggen zum Image eines Autors heute dazu, bei Twitter und facebook bin ich mir nicht so sicher. Ich muss ja auch noch zum Schreiben kommen, da Ghostwriter zu teuer sind. Ein Blog gibt zudem die Möglichkeit, all das, was die Lektorinnen – oft aus gutem Grund häufig – heraussstreichen, weiterzuspinnen und zu veröffentlichen. Neben Lesungen ist es auch eine gute Möglichkeit, mit seinen Lesern den Kontakt zu pflegen.

    Herzliche Grüße von der sonnigen Küste Norfolks
    Klausbernd und seine beiden emsigen Buchfeen Siri & Selma

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