Die formvollendete B(r)uchlandung der Pappritz. – Ein Paradebeispiel

Derzeit beschäftigen mich gute Formen. Nein, keine Fragen des Designs, sondern solche des Anstands und der guten Sitten. Anfangs dachte ich mir noch, was für ein dröges Thema. Wen interessiert das? Anstand ist so was von gestern. Die Dame ist aus dem hiesigen Wortschatz nahezu verschwunden und Frauen, die sich noch von einem Kavalier in den Mantel helfen lassen, plagt die Frage, ob die galante Geste sich mit dem Grad ihrer Emanzipation verträgt. Selbst das „Sie“ befindet sich im Gefolge der Studentenbewegung seit Jahrzehnten auf dem Rückmarsch. Anstand ist out! Da brauchen wir aktuell doch nur nach Bayern zu schauen…

Die Erstausgabe 1956 © gefunden bei booklooker

Die Erstausgabe 1956 © gefunden bei booklooker

Nach anfänglichem Zaudern roch ich allerdings bald Lunte. Denn die Frage danach, über welche Sitten in den Zeitläuften Konsens bestand, verweist direkt auf den jeweils herrschenden Zustand der Republik. Bisweilen legen die Antworten einen Finger auf Wunden, ein anderes Mal decken sie Untiefen auf, die die Etikette kaschieren sollte. Häufig muss man herzhaft lachen, ganz einfach weil der Lack ab ist. Bisweilen ist man auch darüber erstaunt, warum das, was gestern noch ein Skandal war, heute Gepflogenheit ist. So ist es mir jedenfalls ergangen als ich im Zuge meiner Recherchen auf das „Buch der Etikette“ nebst einem Fräulein Pappritz stieß, welches die Nachkriegspresse zur „Anstandsdame der Nation“ und „Hofmarschallin der guten Sitten“ ernannt hatte.

Hoppla, dachte ich mir, diese Besteller-Geschichte aus dem Biedermeier der Adenauer-Ära kommt für SteglitzMind wie gerufen. Ich nahm die Fährte auf. Am Ende meiner Beschäftigung mit dem Fräulein stand die Einsicht, dass die Verlage vor 57 Jahren auch nicht viel anders tickten als heute. Wohl hielten Öffentlichkeit, Politik und der Literaturbetrieb in den 50er Jahren das noch für skandalös, worüber sich längst keiner mehr aufregt, weil es in den Verlagen heute Standard ist. – Doch der Reihe nach …

Wer, bitte schön, ist Fräulein Pappritz?

Erica Pappritz wurde als einziges Kind eines Dragoner-Rittmeisters am 25. Juni 1893 geboren. Von einer Zäsur zwischen 1945 und 1949 abgesehen, tat sie ab April 1919 ununterbrochen Dienst im Auswärtigen Amt; ab 1929/30 als Leiterin des Referats für Zeremoniell und Rangfragen in der Protokollabteilung. Nach 1949 baute sie mit Hans Herwarth von Bittenfeld, dem damaligen Leiter des Arbeitsstabes für das Protokoll und späteren Chef des Protokolls im Auswärtigen Amt, das offizielle Protokoll der Bundesregierung auf. Nach der Wahl des ersten Präsidenten der Bundesrepublik soll sie das Ehepaar Heuss für das gesellschaftliche Parkett fit gemacht haben. 1952 wurde sie zur Vortragenden Legationsrätin ernannt und damit zugleich die ranghöchste Beamtin im Auswärtigen Amt. Die Pappritz, der man in Anlehnung an einen Adligen, der sich um gute Formen verdient gemacht hatte, zu Lebzeiten mit leichter Hand ein „von“ andichtete, ist 1972 in Bonn verstorben.

Ausführlich über ihr Leben und Wirken informierte am 20. März 1957 der SPIEGEL-Titel „Der Fluch der Etikette“ mit einem Bild der Protokollchefin in vollem zeremoniellen Ornat. Einen Eindruck davon, wie diplomatisch die stellvertretende Protokollchefin mit den guten Formen hantierte, vermittelt ein Bericht über den Staatsbesuch des äthiopischen Kaisers Haile Selassie I., der in Bonn im November 1954 stattgefunden hatte:

Die größten weiblichen Triumphe feierte unbestritten die Herzogin von Harrar, 23, Mutter eines siebenjährigen Kindes und Schwiegertochter des Kaisers. Carlo Schmid: ‚Die Prinzessin hat ein Häutle von Samt.‘ Ihre Garderobe war Gegenstand uneingeschränkter Bewunderung. In der Redoute trug sie ein weißes Fehencape. Und zum Frühstück im Palais Schaumburg, am zweiten Tag des Staatsempfangs, hatte sie eine Garderobe gewählt, die geeignet gewesen wäre, die Sinne der männlichen Frühstücksgäste zu verwirren. – Die Dame des Protokolls, von der die Prinzessin auf dem Petersberg abgeholt werden sollte, stürzte angesichts dieser Garderobe erschreckt ans Telephon. Erica von Pappritz wußte, wie stets, Rat. Man möge der Prinzessin ans Herz legen, es ziehe im Mercedes 300 und es sei kalt, es sei kühl im Palais Schaumburg. Am besten sei es, sie würde etwas Warmes unterziehen. Und so geschah es, ohne daß die Reize der Prinzessin allzu bedrohlich geschmälert worden wären.“ – So stellte der SPIEGEL am 11. November 1954 die Episode im Bericht „Hoheit lassen bitten“ dar.

1956 erschien das „Buch der Etikette“ im Perlen-Verlag. Das Cover zierten zwei Namen: Der ehrenwerte Name der Pappritz und als weiterer Name der von Karlheinz Graudenz, den der Verlag als „Weltenbummler“ ausgeben hatte. Eine Liaison mit Folgen. Denn ab sofort sollte der Fluch der Etikette seinen Verlauf nehmen…

Ein Skandal und seine Folgen

Es vergingen einige Monate, dann erregten sich die Medien über eine Täuschung, die dem Perlen-Verlag angelastet wurde. So die ZEIT, die am 7. März 1957 süffisant titelte „Tut eine Dame so etwas?“, um im Literaturteil weitere kritische Fragen aufzuwerfen:

Eine Perle unter seinen Publikationen zu haben, ist verständliches Bestreben jedes Verlags, und er erreicht es damit, daß er sich, wenn nicht einen guten, so doch einen prominenten Autor beschafft, dessen Name wenigstens „zieht“. Diese kleine Täuschung mag noch hingehen, aber darf man Käufer locken mit dem Namen eines prominenten „Autoren“, der das betreffende Buch gar nicht geschrieben hat?

Tatsächlich stammte von Karlheinz Graudenz nicht nur die Idee, dass sich der Name der stellvertretenden Bonner Protokollchefin auf einem Benimm-Buch gut machen würde. Vielmehr hat der vermeintliche Weltenbummler auch das Manuskript zu weiten Teilen alleine geschrieben. Nicht verbürgt ist, ob die viel beschäftigte Protokolldame ihr Werk autorisiert, geschweige denn, ob sie es jemals überhaupt gelesen hat. Verbürgt hingegen ist, dass der Spiegel im Jahr darauf über den Co-Autoren Graudenz in Erfahrung gebracht hatte, dass er unter Pseudonym den Text zum Schlager „Die alte Klofrau“ verfasst hatte.

Zur Ehre gereichte der Anstandsdame, die sich öffentlich zumeist mit Monokel präsentierte, das 509 Seiten starke Benimm-Buch wohl kaum. In der ZEIT mokierte sich Josef Müller-Marein über den „falschen guten Ton“ der Legationsrätin („Symptom Pappritz“) und einen „Wälzer […] zum hochwohllöblichen Gebrauch für Snobs“. Doch nicht nur die Medienvertreter taten konsterniert. Die rheinischen Karnevalisten ergötzen sich an den Benimmregeln und Karikaturisten ließen sich davon  inspirieren. Auch darüber wusste der SPIEGEL am 20. März 1957 zu berichten:

Im Nu hatten sich die rheinischen Karnevalisten der ausgefallensten Anstandsregeln bemächtigt, etwa dieser: ‚Die Unterwäsche (machen wir es kurz) – sei kurz! Lange Unterhosen bleiben unmännlich und häßlich, auch wenn sie kaum jemand sieht.‘ Auf dem Bonner Marktplatz schnitt eine monokelbewehrte Pseudo -Pappritz vor jubelndem Karnevalsvolk die Hosenbeine von langen Herren-Unterhosen ab. Die Karikaturisten ließen sich durch eine andere Passage des Buches zu Witzen inspirieren: ‚Während und nicht erst nach der Benutzung (der Toilette) wolle man sich der berühmten Kette bedienen. Dieses Gesetz gilt um so eiserner, je kleiner und hellhöriger die Wohnung ist. Danken wir der Technik, daß sie uns mit der Wasserleitung ein Mittel zur diskreten Neutralisierung unerwünschter Geräuschkulissen in die Hand gegeben hat!“ Die Kette der Wasserspülung avancierte im Bonner Jargon prompt zur ‚Eti-Kette‘“.

Damit war das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Binnen kürzester Zeit machten sich weite Teile der Republik über die Anstandsregeln aus der Protokollabteilung des Auswärtigen Amts lustig …

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Zur Fortsetzung „Des einen Schadenfreude ist des anderen reinste Freude …geht es hier

Im „Buch der Etikette“ kann man übrigens hier stöbern. Ich empfehle die „Kritischen Fragen“. So zum Beispiel in diesem Kapitel die Darlegungen „Suche einen Lebenspartner“, in denen es u.a. heißt: „Männer träumen von einer Frau, die schön wie ein Glamour-Girl, reich wie eine Konzernerbin, intelligent wie Madame de Staël ist. Und kochen können soll sie nach Möglichkeit wie die eigene Mutter dereinst zu Hause. –  Frauen wünschen sich den strahlenden Helden eines Wildwestfilms, der das Gemüt eines Bernhardiners mit dem Bankkonto des „Mr. 5%“ vereint.“

Steglitz stellt Peter Hetzler mit „Comickunst“ vor

Buchaffine Blogbetreiber, die sich jeweils in Kurz-Interviews präsentieren, sprechen Blogempfehlungen aus, deren Betreiber wiederum eingeladen werden, sich den Fragen zu stellen. Das ist Ziel der losen Interview-Reihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“, deren Intentionen ich anderenorts detaillierter erläutert habe.

Um Autorencomics und Graphic Novels dreht sich Peters Blog Comickunst. Den Vorschlag, dass wir ihn etwas näher kennenlernen sollten, stammt von Ingrid, die DruckSchrift pflegt.

Dein Steckbrief in Stichworten …

Autor & Journalist aus dem Rhein-Main-Neckar-Delta, bei dem schon in frühester Jugend eine schwere Buchstabensucht diagnostiziert wurde, die bis heute nicht geheilt werden konnte und sich im späteren Leben auch noch auf Comics ausgeweitet hat.

Seit wann, warum und wo bloggst du?

Der Gravatar von Comickunst:  Ein Motiv aus „Eric“ von Shaun Tan © Shaun Tan

Der Gravatar von Comickunst: Ein Motiv aus „Eric“ von Shaun Tan
© Shaun Tan

Ich blogge mit WordPress. Dass ich mich damals für WordPress entschieden habe, war Zufall – bin aber sehr zufrieden damit.

Comickunst gibt es seit fünf Jahren. Seit sich die Comics zur Graphic Novel gewandelt haben und auch von Literaturverlagen verlegt werden, ist es etwas unübersichtlich in der bis dato familiären Comicwelt geworden. Sinn des Blogs ist es, Comic-Fans, aber auch Comic-Neulingen, die sich erstmals mit diesem Medium beschäftigen und ganz erstaunt darüber sind, wie vielfältig die Welt der bunten Bilder inzwischen geworden ist, Orientierungshilfe zu geben. Außerdem ist es schön, unabhängig von den inhaltlichen und formalen Zwängen schreiben zu können, denen man als Journalist bei der Arbeit für Printmedien unterworfen ist.

Deine Themenschwerpunkte …

Autorencomics und Graphic Novels, und dabei vor allem literarische Alben. Das ist kein feststehender Begriff, sondern meint, dass mir neben den Zeichnungen auch die erzählerische Ebene wichtig ist. Sie sollte mehr als Klischees zu bieten haben. Wie in der Literatur mag ich vor allem Themen, die sich mit dem realen Leben auseinandersetzen. Mangas, Fantasy-, US-, Superhelden- oder die typisch frankobelgischen Comics werden in Comickunst nicht rezensiert (Ausnahmen bestätigen die Regel).

Was treibt dich in der Literaturszene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Die Diskussion über neue Copyright-Modelle. Ich finde es grundsätzlich richtig, wenn Inhalte im Web frei zugänglich und kostenlos sind. Das setzt aber voraus, dass man eine Möglichkeit findet, Autoren und Künstler trotzdem angemessen zu bezahlen. Initiativen wie flattr oder die Verwertungsgesellschaft Wort werden nicht reichen. Hier müssen sich die Kreativen auch selber engagieren und Entscheidungen nicht der Politik oder den Verlagen überlassen.

Wie machst du dein Blog und deine Beiträge bekannt?

Bekanntheit im Web entsteht durch Interaktion. Ich beteilige mich an Diskussionen in Comic-Foren. Außerdem verlinken manche Verlage zu Rezensionen ihrer Alben in Comickunst. Am besten sind aber Empfehlungen von Lesern.

Was sollte ein Blogger besser sein lassen?

Geschwätzigkeit. Das Web ist ein Medium, in dem es um Geschwindigkeit geht. Niemand hat Zeit und Lust, da seitenlange Prosa zu lesen.

Bauchläden machen auch wenig Sinn. Am effektivsten ist, sich auf ein oder zwei Themen zu konzentrieren und die Zielgruppe im Auge zu behalten. Man kann in Grenzbereichen wildern –  in einem Comic-Blog beispielsweise auch mal einen Cartoon-Band oder einen illustrierten Roman vorstellen. Aber niemand will da eine Kritik über die neue CD von XY lesen – so sehr man vielleicht auch persönlich davon begeistert ist und es einen drängt, diese Begeisterung mit der Welt zu teilen. Wer über Gott und die Welt kommunizieren will, ist bei Twitter besser aufgehoben.

Welche Hürden muss ein Blogger nehmen?

Die heutigen CMS sind alle leicht zu bedienen. Technische Hürden gibt es da nicht mehr. Ein Hauptproblem bei Neulingen ist manchmal fehlende Geduld. Wer nach zwei Monaten bloggen enttäuscht ist, dass er immer noch keine vierstelligen Besucherzahlen hat, hat falsche Erwartungen.

Dein schönstes Erlebnis als Blogger …

Schön ist die Kommunikation, die sich mit Lesern, Autoren und Zeichnern ergibt.

Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten?

Graphic Novels kosten zwischen 13 und 30 Euro. Manche auch mehr. Ich rezensiere fünf bis zehn Alben pro Monat. Das kann man als freier Schreiberling unmöglich selber finanzieren, weshalb ich die Alben als Rezensionsexemplare bestelle. Einfluss auf den Inhalt der Rezension hat das nicht.

Schwieriger scheint mir, bei Kontakten mit Verlagsvertretern Abstand zu halten. Wenn man Menschen persönlich kennen (und vielleicht mögen) lernt, fällt es schwerer, ihre Produkte wenn nötig auch hart zu kritisieren. Ich bemühe mich trotzdem, meine Ungerechtigkeiten gleichmäßig zu verteilen.  😉

Komplettverrisse schreibe ich selten. Ich will meinen Lesern Empfehlungen geben, und ihnen nicht erzählen, wie langweilig ein Album ist. Im Comic geht es immer um zwei Dinge: um die Story, und um die grafische Umsetzung. Meist ist das eine besser als das andere oder umgekehrt – da hat man genug zu meckern. Alben, bei denen mir beides nicht gefällt, rezensiere ich grundsätzlich nicht. Das hat zwar schon dazu geführt, dass Verlage sich geweigert haben, weiterhin Rezensionsexemplare zur Verfügung zu stellen, aber damit muss man als Rezensent leben.

Und wie würdest du damit umgehen, wenn dir Self-Publisher ihre Titel zur Rezension anbieten?

Mich interessiert nicht der Verlag, sondern der Inhalt eines Buches. Self-Publishing bietet die Möglichkeit, unabhängig von konventionellen Verlagskriterien zu publizieren. Es gibt Autoren mehr Autonomie. Und ja: Natürlich kommt da eine Menge Müll auf den Markt. Aber seien wir ehrlich: Auch die Mehrzahl der bei etablierten Verlagen erschienenen Bücher ist nicht der Rede wert.

Wie hältst du es mit dem E-Book?

Finde ich gut – obwohl ich persönlich lieber gedruckte Bücher lese. Ein Buch in der Hand – das ist auch ein haptischer Genuss. Im Comicbereich werden E-Books bisher kaum angeboten.

Welche anderen Blogs empfiehlst du (max. 5). Und welcher bibliophile Blogger sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Da ich Literatur-Blogs nur sporadisch lese, und die, die ich lese, hier schon erwähnt wurden, kann ich leider nicht mit neuen Highlights dienen. Auf der Suche nach einem Vorschlag für die nächste Blog-Präsentation bin ich auf Bücherzeit  von Myriel gestoßen, das von einem Autor angefeindet und mit strafrechtlicher Verfolgung bedroht wurde, weil dem Herrn die Rezension seines Romans nicht gepasst hat. Ich könnte mir vorstellen, dass Myriel interessante Dinge zu erzählen hat. Interessant wäre für deine Leser aber natürlich auch, wenn du diese Fragen mal selber beantworten würdest. 😉

Eine gar feine Idee, Peter… Danke auch , dass du die Staffel an Myriel weitergibst. Die Geschichte, die ihr im November 2011 passiert ist, hat wohl so mancher in schlechter Erinnerung.

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Zuletzt stellte sich  Jannis Plastargias mit schmerzwach vor. Seine Wunsch-Interviewpartnerin war Hilke-Gesa Bussmann. – Eine Übersicht, wer bereits alles Rede und Antwort stand und welche Blogs in den jeweiligen Gesprächen empfohlen wurden, findet sich hier

Steglitz stellt Jannis Plastargias mit „schmerzwach“ vor

Buchaffine Blogbetreiber, die sich jeweils in Kurz-Interviews präsentieren, sprechen Blogempfehlungen aus, deren Betreiber wiederum eingeladen werden, sich den Fragen zu stellen. Das ist Ziel der losen Interview-Reihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“, deren Intentionen ich anderenorts detaillierter erläutert habe.

Dass wir etwas mehr über Jannis Plastargias und dessen Blog schmerzwach erfahren sollten, hatte Guido Rohm vorgeschlagen, der Guido Rohms gestammelte Notizen bloggt.

Dein Steckbrief in Stichworten …

Jannis Plastargias aka „schmerzwach“ – am 6.7.1975 in Kehl am Rhein geboren, in Frankfurt lebend, Autor, Blogger und Lebenskünstler. Versuche überall mitzumischen, Hauptsache spannend, mein Tag könnte 36 Stunden oder auch mehr haben. Hier  kann man mehr zu meiner Person erfahren.

Seit wann, warum und wo bloggst du?

Ich bin seit dem 6.12.2009 bei blogspot.de. Damals hatte ich sehr wenig Ahnung von Blogs. Die Idee stammte tatsächlich von einer guten Freundin, mit der ich lange Emails tauschte. Ich fragte: „Wie geht das?“ Und sie gab mir eine Blog-URL und erklärte mir, dass ich oben in der Liste nur „Blog erstellen“ drücken müsste. Ich probierte das aus – und tatsächlich: Es war so einfach, wie es klang. Nur: ich hatte mir keinen Namen überlegt. Dann hatte ich die Eingebung: „schmerzwach“ – das wäre ein poetischer und schöner Name für einen Blog. Und dann begann das aufregende Bloggen.

Deine Themenschwerpunkte …

Jannis Plastargias © Corinna Kaiser

Jannis Plastargias © Corinna Kaiser

schmerzwach macht regelmäßig einen Wandel durch… Das Wort „schmerzwach“ soll ja diesen Zustand beschreiben, den man nachts im Bett liegend hat, völlig überfordert mit den Anforderungen der modernen Welt, voller Gedanken und Ideen, voller Ängste und Zweifel. So war es mir anfangs vor allem ein Anliegen, Anekdoten aus meinem Leben zu erzählen, mir etwas von der Seele zu schreiben. Ich mischte jedoch von Anfang an Buch- und Filmrezensionen hinein, berichtete von Erlebnissen in verschiedenen Szenen Frankfurts (Kultur und quer). Als ich mich später mehr mit meinem eigenen Schreiben beschäftigte, erste Veröffentlichungen und Lesungen aufweisen konnte, wurde dies immer mehr ein Thema. Jetzt ist der Blog ein wilder Mischmasch.

Was treibt dich in der Literaturszene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Bei dieser Frage wird mir ganz schummerig, so vieles schwirrt in meinem Kopf herum, ungeordnet und ungefiltert. Viele Fragen tun sich mir auf: Wohin geht dieser so genannte „Literaturbetrieb“? Wie muss ich mich als noch „junger Autor“ aufstellen, um nicht unterzugehen? Wie werde ich eine Marke? Manchmal habe ich so ein bisschen das Gefühl, dass gerade viel zu viele Autor/innen gleichzeitig in den „Markt“ drängen. Die Digitalisierung ist eine wunderbare Sache – nur macht sie das ganze Leben und vor allem die Literatur nicht gerade übersichtlicher, eher im Gegenteil.

Wie machst du dein Blog und deine Beiträge bekannt?

Gleichzeitig mit meinem Blog habe ich mir einen Twitter-Account angelegt und dort herum experimentiert, gleichzeitig meine Facebook-Aktivitäten intensiviert. Von Anfang an war ich auch bei Google + mit dabei. Früher habe ich gelegentlich Emails an Freunde geschickt, aber das ließ ich recht bald wieder.

Was sollte ein Blogger besser sein lassen?

Etwas, das für alle Menschen im Netz gilt: Fair bleiben, andere Menschen und Meinungen respektieren, offen für alles sein, nicht hetzen, nicht bewusst verletzen, dafür lieber andere Blogger unterstützen, für andere einstehen.

Welche Hürden muss ein Blogger nehmen?

Da ich gelegentlich sehr privat werde, hatte ich mitunter das Problem, dass fremde Menschen bestimmte Dinge evtl. früher erfahren als meine eigenen Freunde, natürlich ganz unbeabsichtigt – aber manche sind da gerne einmal sauer oder enttäuscht. Man muss außerdem Grenzen von anderen Menschen ganz genau kennen, um ihnen nicht vor den Kopf zu stoßen. Da ist viel Kommunikation und Vertrauen notwendig.

Dein schönstes Erlebnis als Blogger …

Generell finde ich es schön, wenn Menschen, die ich kenne, Gedanken und Formulierungen aus meinem Blog in ihren eigenen Sprachgebrauch und ihre Lebenswelt mit aufnehmen. Das schönste Erlebnis war, als eine von mir sehr geschätzte Dichterin, Lütfiye Güzel, mich und meinen Blog in einem Interview erwähnte, weil die Moderatorin ihr meine Worte in den Mund gelegt hatte.

Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten?

Mittlerweile muss ich leider ablehnen, da ich keine Zeit mehr für fundierte Rezensionen finde. Bisher war es so, dass ich mir genau anschaute, was sie mir da andrehen wollten – und lehnte ab, wenn ich das Gefühl hatte, es könnte mich langweilen.

Und wie würdest du damit umgehen, wenn dir Self-Publisher ihre Titel zur Rezension anbieten?

Das ist oft passiert und ich verfuhr da genauso wie bei guten Verlagen: anschauen, was sie mir anbieten, auf meine Intuition achten und dann annehmen – oder eben nicht.

Wie hältst du es mit dem E-Book?

Ich habe meine beiden letzten Werke bei Tubuk Digital veröffentlicht, also vorerst sind sie nur als E-Book erhältlich – das finden etliche meiner Leser/innen eher schwierig. Ich lese ebenfalls nach wie vor lieber auf Papier, aber gewöhne mich gerade ein bisschen um.

Welche anderen Blogs empfiehlst du (max. 5). Und welcher bibliophile Blogger sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Folgende Blogs mag ich: Hier bloggt Charlotte Reimann, das Blog von Petra van Cronenburg, Guido Rohm mit gestammelte Notizen, der sich hier ja bereits vorgestellt hat, und das Blog LIVE.LOVE.READ von diejai. Für ein Gespräch möchte ich gerne Hilke-Gesa Bussmann vorschlagen.

 Jannis, danke vielmals, dass du hier dabei bist. Und Glück auf mit deiner neuen Aktion Meine Lieblingsbuchhandlung, bei der Zoë Beck so fein vorgelegt hat.

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Zuletzt stellte sich DocTotte mit Tottes kleines Literaturlexikon vor. Seine Wunsch-Interviewpartnerin war juneautumn mit 1001 Bücher. – Eine Übersicht, wer bereits alles Rede und Antwort stand und welche Blogs in den jeweiligen Gesprächen empfohlen wurden, findet sich hier

Steglitz stellt DocTotte mit „Tottes kleines Literaturlexikon“ vor

Buchaffine Blogbetreiber, die sich jeweils in Kurz-Interviews präsentieren, sprechen Blogempfehlungen aus, deren Betreiber wiederum eingeladen werden, sich den Fragen zu stellen. Das ist Ziel der losen Interview-Reihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“, deren Intentionen ich anderenorts detaillierter erläutert habe.

Der Vorschlag, dass wir DocTotte, in dessen Händen u.a. Tottes kleines Literaturlexikon liegt, näher kennenlernen sollten, stammt von Friederike Kenneweg, die frintze pflegt.

Dein Steckbrief in Stichworten …

berühmt und berüchtigt - so kennen wir den Betreiber im Netz © DocTotte

berühmt und berüchtigt – so kennen wir den Betreiber im Netz © DocTotte

Seit 1972 Kind des Ruhrgebiets, wenn auch mit einer 10-jährigen Unterbrechung im hohen Norden. Ich habe Archäologie (lief damals noch unter Ur- und Frühgeschichte an den meisten Unis), Skandinavistik und Mittelaltergeschichte studiert und bin schließlich über die römische Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit in Holstein promoviert worden.

Während der Promotion litt ich dermaßen unter der meist miserabel geschriebenen wissenschaftlichen Lektüre, dass ich Belletristik nur so verschlang. Als dann im noch jungen Jahrtausend die Stellen in der Archäologie so weit gestrichen wurden, dass es mir einfach nicht gelang, dauerhaft Fuß zu fassen, erinnerte ich mich an andere Leidenschaften: Wörter und Texte. Ich nahm meine Erfahrung als Vielleser und Ein-bisschen-selbst-Herumschreiber, gewürzt mit ein paar kleinen Veröffentlichungen in der Frankfurter Rundschau sowie im Internet und geriet über ein Hamburger Werbelektorat schließlich als Texter in die Werbebranche. Heute dient mir die Literatur dazu, die Ballaststoffe der Werbewelt geistig zu verarbeiten, ohne irrsinnig zu werden.

Seit wann, warum und wo bloggst du?

Ich hab Mitte 2007 mit Bloggen angefangen. Mein erster Blog startete bei Blog.de, hauptsächlich weil das für meine damalige Vorstellung das ideale Feld war. Trotzdem habe ich mich schon früh auch auf anderen Plattformen umgeschaut. Selbst die Gründung des hiesigen WordPress-Blogs liegt schon lange zurück, er lag aber über Jahre brach. Mit der Zeit haben mich technische Unzulänglichkeiten und auch das Verschwinden einiger guter Autoren mehr und mehr von Blog.de entfremdet. Da ist irgendwann die Idee herangereift, die Blogs verstärkt thematisch zu trennen und bei WordPress die von mir gelesenen Bücher vorzustellen. Inzwischen überlege ich ernsthaft, die Filmreihe aus meinem anderen Blog zu WordPress zu portieren – sozusagen Tottes kleines Filmlexikon.

Deine Themenschwerpunkte …

… sind im WordPress-Blog eindeutig Bücher. Ganz anders als bei meinem ersten Blog, der von Literatur über Philosophie, Politik, Film und Musik bis hin zu lautem Klamauk und handfestem Nonsens alles umspannte, was mir so in den Sinn kam. Bei dem Literaturblog auf WordPress ist die Nähe des Namens zu Kindlers Literaturlexikon ist übrigens durchaus beabsichtigt. Mich amüsierten im Kindler ganz besonders die Kurzkritiken, die oft genug Zitate von Arno Schmidt enthielten und das Werk eines Autors in einem Satz beschrieben. Besonders gut erinnre ich mich in diesem Zusammenhang daran, wie Schmidt in einem Satz William Blakes Arbeiten als „zeitlose Gesänge eines Irren in erdachten Landschaften“ abkanzelt.

Was treibt dich in der Literaturszene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Lange war ich sehr in ältere Literatur vertieft, darunter auch, aber nicht nur Klassiker. Ich wollte einfach die Basis wenigstens ab dem 17. Jahrhundert kennen. Viele moderne Autoren fand ich schrecklich langweilig und wollte nicht lesen, was sie zu sagen haben. Es gab da wenige Ausnahmen wie Kertesz oder Eco. Parallel dazu las ich viel Arno Schmidt und auch manches seiner Empfehlungen, sofern es greifbar war. Heute hopst nur noch ab und an ältere Literatur dazwischen, mehrheitlich schaue ich mich bei aktuellen Schriftstellern um. Es sei mir allerdings die Bemerkung erlaubt, dass ich viele deutsche Autoren, insbesondere die Leipziger Schule eher für unfertige Adepten als für ausgewachsene Schriftsteller halte. Hier sehe ich noch viel Entwicklungsbedarf. Und dass Bücher heutzutage vielfach darüber verkauft werden, ob die Autoren durch Sender wie RTL oder Sat.1 bekannt geworden sind – ich denke, dazu braucht man nicht viel zu sagen.

Wie machst du dein Blog und deine Beiträge bekannt?

In der Hauptsache auf zwei Wegen: Meine weiteren Blogs verlinken mehrheitlich auf diesen Literaturblog und jedes neue Posting dieses Blogs lasse ich automatisch per Twitter verbreiten. Manchmal weise ich auch Freunde und Bekannte, die bei mir nicht regelmäßig lesen, mündlich oder per E-Mail auf bestimmte Postings hin, von denen ich denke, dass sie interessant für sie seien.

Was sollte ein Blogger besser sein lassen?

Das hängt vom Anspruch ab, den man hat. Wer seinen Blog nur für sich führt, kann praktisch machen, was er möchte – mal abgesehen von strafbewehrten Vergehen. Wer aber eine Gruppe von Lesern erreichen möchte, und sei sie noch so klein, für den gibt es eigentlich nur ein Vergehen: die Leser zu langweilen. Ich räume ein, dass es nicht immer zu vermeiden ist. Sicher langweile ich auch mit dem einen oder anderen Eintrag, aber ich hoffe, dass ich zumindest die Mehrheit der Leser unterhalte. Das ist übrigens auch einer der Gründe, warum ich in nahezu allen meinen Blogs eher kurze Einträge verfasse. Es gibt selbstverständlich Themen, die nur in einem längeren Postings angemessen behandelt werden können. Was aber kurz gesagt werden kann, dass sollte auch kurz gesagt werden. Deshalb weigere ich mich zudem, meine Rezensionen mit seitenlangen Inhaltsbeschreibungen aufzublähen. Es gibt wohl kaum ein publiziertes Buch auf der Welt, von dem nicht längst zig Nacherzählungen im Netz kursieren. Nein, ich möchte mit meiner eigenen Meinung als Wegweiser dienen. Ich möchte Lesern Empfehlungen geben oder sie warnen, wenn die Lektüre eines Buchs aus meiner Sicht verschenkte Lebenszeit darstellen sollte.

Welche Hürden muss ein Blogger nehmen?

Da sehe ich mehrere. Zuerst die Themenfindung: Als ich meinen ersten Blog aufgemacht habe, lag er da. Und ich überlegte, was ich damit machen soll. Tagebuch? Publizierung von eigenen Texten? Letztlich bin ich dann bei einem Themen-Misch-Masch gelandet, der meinen ersten Blog lange Jahre auszeichnete und meine facettenreiche Person gut widerspiegelt. Das half dann vor der Aufsplittung der Themen bei der Überwindung der nächsten Hürde: dem Finden von Lesern. Gerade in meinem ersten Blog war das die ersten Monate ein echtes Rätsel für mich. Meinen Durchbruch verdanke ich dann schließlich der Tatsache, dass mich ein Darmstädter Poetry-Slammer namens Nesh Vonk „entdeckte“. Er selbst war mit seinem Blog damals sehr erfolgreich, und dadurch, dass er ab und an auf mein Wirken hinwies, kamen die Leser irgendwann wie von selbst. Manche verschwanden schnell wieder, andere sind mir dagegen seit Jahren treu.

Dein schönstes Erlebnis als Blogger …

Es gibt mehrere Dinge rund um das Bloggen, die ich weniger als Erlebnis bezeichnen würde, die aber nachhaltigen Einfluss auf mein Leben hatten. Dazu gehört, dass ich durch meine Blogs in der ganzen Welt eine Reihe sehr toller Menschen kennenlernen durfte. Zu manchen ist der Kontakt eher locker, gerade wenn sie in Kalifornien oder Kanada leben. Zu anderen habe ich einen so engen Kontakt, dass ich sie ab und zu auch im wirklichen Leben treffe. Darunter sind Menschen, die mir so wichtig geworden sind, dass ich sie in meinem Leben nicht mehr missen möchte. Sehr schön finde ich ferner die Tatsache, dass mir meine Blogs praktisch zu meinem aktuellen Job verholfen haben. Ich verdiene zwar mit ihnen selbst nichts – schon wegen der geringen Leserzahl –, aber sie haben mich dabei unterstützt, dass ich Arbeitgebern meinen Umgang mit Sprache präsentieren und sie von mir überzeugen konnte.

Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten?

Das ist mir in der Form bisher noch nicht widerfahren. Lediglich den Wiener Autor Albert Knorr unterstütze ich in der Funktion als Lektor seit mehreren Jahren bei der Arbeit an seiner Sacer-Sanguis-Reihe. Das führte so weit, dass ich in dieser Reihe selbst als Co-Autor mitwirken durfte. Und auch wenn es noch nicht ganz in trockenen Tüchern ist, darf ich hier ankündigen, dass es ganz danach aussieht, dass das Team aus Albert Knorr, Marlen Raab und mir nächstes Jahr erneut zusammen arbeiten wird.

Ansonsten freue ich mich sehr, wenn mich Autoren oder solche, die es werden wollen, um Rat fragen. Gerade in den letzten Jahren habe ich einige Gespräche über Ideen zu Plots und Geschichten geführt. Hier hilft mir das Hintergrundrauschen der gelesenen Bücher, um einer Idee den notwendigen Drall zu geben oder den Autor darauf hinzuweisen, wenn einer Geschichte elementare Grundlagen fehlen wie beispielsweise die Intention der Protagonisten.

Eine richtiggehende Rezension hinge allerdings stärker davon ab, um was für einen Verlag und Autor es sich handelt. Ich würde meine geringe Freizeit beispielsweise nicht mit der Lektüre von Esoterikbüchern oder allzu fantasievollen Arbeiten über historische Ereignisse verbrauchen. Dazu gibt es noch viel zu viele gute Bücher, die ich unbedingt lesen möchte.

Und wie würdest du damit umgehen, wenn dir Self-Publisher ihre Titel zur Rezension anbieten?

Hier gilt genauso, dass das Thema mich wenigstens im Ansatz interessieren sollte. Grundsätzlich behandle ich Self-Publisher aber nicht anders als Verlage. Ein gutes Buch ist ein gutes Buch, egal wer es verlegt.

Wie hältst du es mit dem E-Book?

Ich bin noch so altmodisch, dass ich lieber ein richtiges Buch in den Händen halte. Dabei habe ich mich immerhin schon mit Taschenbüchern arrangiert. Früher habe ich sogar großen Wert auf gebundene Bücher gelegt. Ich gebe aber zu, dass ich mein Tablet inzwischen nicht nur nutze, um Zeitungen und Nachrichten zu lesen, sondern auch um Textproben von Büchern zu lesen. Ich finde es wirklich toll, wenn Verlage ein paar Dutzend Seiten eines Buchs zur Verfügung stellen, damit man sich mal ein Bild von der Schreibe und vom Text machen kann. Ich weiß zum Beispiel nicht, ob ich jemals das „House of Leaves“ von Mark Z. Danielewski gelesen hätte, wenn Klett-Cotta damals nicht die ersten 96 Seiten als PDF zum Download angeboten hätte.

Welche anderen Blogs empfiehlst du (max. 5)?

Bei Jargs Blog, dessen Betreiber sich hier ja bereits vorgestellt hat, gefällt mir der Mix aus Themen und Medien, die ich sonst wohl nicht serviert bekäme. Nicht immer ist etwas für mich dabei, aber es ist doch ein angenehmer Blick über den Tellerrand. Die nächsten beiden Blogs, in denen ich gern stöbere, ähneln meinem eigenen Blog: Read the World – das Hundert Bücher Projekt und 1001 Bücher – das Experiment. Im Prinzip unterlag mein Durchmarsch durch die Klassiker einem ähnlichen Ansatz, wenn auch weniger streng, weil ich über keine feste Liste verfügte. Zuletzt möchte ich den hier schon mehrfach genannten Blog Literaturen – Ein Streifzug durch die Welt der Literatur und Kultur empfehlen, für mich eine neuere Entdeckung. – Sophie ist mit ihren Literaturen hier ja ebenfalls bereits zu Wort gekommen.

Und welcher bibliophile Blogger sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Meines Erachtens hat es juneautumn von 1001 Bücher verdient, an dieser Stelle endlich zu Wort zu kommen.

Danke sehr, DocTotte. Und was Miriam aka juneautumn anbetrifft, stimme ich dir zu. Ihr Blog gehört nämlich auch zu jenen, die in den vergangenen Monaten zwar mehrfach Lob auf sich vereinen konnten, aber noch keine Gelegenheit erhalten haben, sich vorzustellen. Dass ich sie anlässlich der 50. Folge dieser Gesprächsreihe nicht gebeten habe, hier mitzutun, lag daran, dass mir damals bereits bekannt war, dass du die Staffel an sie weitergibst.

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Zuletzt stellte sich Ingrid mit DruckSchrift vor. Ihr Wunsch-Interviewpartner war Peter Hetzler mit seiner Comickunst. – Eine Übersicht, wer bereits alles Rede und Antwort stand und welche Blogs in den jeweiligen Gesprächen empfohlen wurden, findet sich hier

Steglitz stellt Ingrid mit „DruckSchrift“ vor

Buchaffine Blogbetreiber, die sich jeweils in Kurz-Interviews präsentieren, sprechen Blogempfehlungen aus, deren Betreiber wiederum eingeladen werden, sich den Fragen zu stellen. Das ist Ziel der losen Interview-Reihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“, deren Intentionen ich anderenorts detaillierter erläutert habe.

DruckSchrift ist ein Blog unter jenen Zehn, die im bisherigen Verlauf der Gesprächsreihe zwar mehrfach Lob auf sich vereinen konnten, aber noch keine Gelegenheit erhalten haben, sich vorzustellen. Anlässlich der 50. Folge von „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“ habe ich diese Bloggerinnen und Blogger eingeladen, hier mitzutun. – Ich freue mich sehr, dass Ingrid die Gelegenheit heute wahrnimmt und gratuliere zum einjährigen Jubiläum ihres Blogs, das gestern begangen wurde.

Dein Steckbrief in Stichworten …

Von Kindesbeinen an mit Büchern aufgewachsen. Bücher waren immer mein Hobby Nr. 1, meine ständigen Begleiter. Obwohl ich zeitweise mit dem Gedanken gespielt hatte, Buchhändlerin zu werden, verlief mein beruflicher Weg ganz anders. Ich war fast immer indirekt (politische Stiftung) oder direkt (Geschäftsführerin einer politischen Partei) hauptberuflich politisch tätig. Klar, dass man in diesem stressigen Job einen Ausgleich braucht: Bücher, Lektüre natürlich. Seit einigen Monaten Vorlesepatin bei der Kinderbücherei der Stadtbibliothek Solingen. Bretagne-Fan.

Seit wann, warum und wo bloggst du?

der Kopf hinter DruckSchrift © IngridW

der Kopf hinter DruckSchrift © IngridW

DruckSchrift gibt es seit einem Jahr; der erste Beitrag erschien am 14. 4. 2012. Bloggen bietet mir die Möglichkeit, über Dinge zu schreiben, die für mich von besonderem Interesse sind und dabei mit Gleich- oder Ähnlich-Gesinnten in Kontakt und – wenn es gut läuft – zum Gedankenaustausch zu kommen.

Ich nutze WordPress, das leicht zu handhaben ist, interessante Features bietet und eine große Auswahl an kostenlosen Themes bereithält. Nicht dass ich wechseln wollte, aber ich stelle in letzter Zeit bei WordPress fest, dass es zunehmend „verkommerzialisiert“ wird.

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Deine Themenschwerpunkte …

Der Untertitel von DruckSchrift lautet nicht umsonst „Buch – Papier – Schreiben – Lesen“. Schwerpunktmäßig ist DruckSchrift aber eindeutig ein Bücherblog. Vor allem Bücher über Bücher, Buchgeschichte, Buchkunst haben es mir angetan und werden vorgestellt – neue wie alte. Ich habe aber auch ein Faible für Papier, Papierantiquitäten, die sogenannten Luxuspapiere, also zumeist Gebrauchspapiere aus den Anfängen des vorigen Jahrhunderts, wie Reklamemarken, Ausschneidebögen, Verwandlungsbilder etc.

Was treibt dich in der Literaturszene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

DruckSchrift ist in erster Linie ein Bücherblog, kein Literaturblog. Dafür gibt es eine Vielzahl anderer Blogs, von denen viele hier schon vorgestellt wurden. Deshalb richtet sich meine Aufmerksamkeit auch nicht so sehr auf die aktuelle Literaturszene .. Ich könnte im Moment nicht sagen, dass mich im Literaturbetrieb etwas besonders umtreibt, obwohl ich natürlich sehe, dass durch E-Book und die Möglichkeiten, die Internet und auch Handy schaffen, eine Menge im Fluss ist.

Wie machst du dein Blog und deine Beiträge bekannt?

Ich nutze die bei WordPress eingebaute Funktion, Beiträge automatisch bei Twitter hochzuladen. Ansonsten setze ich darauf, dass DruckSchrift dadurch bekannt wird, dass ich bei anderen Blogs kommentiere.

Was sollte ein Blogger besser sein lassen?

Bloggen, ohne wenigstens eine gewisse Vorstellung davon zu haben, wohin die Reise gehen soll: Auch wenn Bloggen ein dynamischer Prozess ist, sollte man für sich so etwas wie eine Linie definieren, versuchen, etwas Eigenständiges zu schaffen.

Ansonsten gibt es eigentlich keine Regeln – außer dass man sich, wie im „normalen Leben“ auch, anständig und fair benehmen sollte. Das gilt für das Schreiben wie für das Kommentieren.

Welche Hürden muss ein Blogger nehmen?

WordPress macht einem das Bloggen leicht. Hürden hatte ich nicht zu bewältigen. Man sollte allerdings schon Ausdauer mitbringen und sich von anfänglichen mageren Besucherzahlen oder zunächst gar ausbleibenden Kommentaren nicht frustrieren lassen.

Dein schönstes Erlebnis als Blogger …

Es ist einfach schön, wenn sich mit der Zeit Freundschaften zu Menschen entwickeln, die man nie gesehen hat und die man wahrscheinlich auch nie persönlich kennen lernen wird.

Das schönste Erlebnis war, dass nach einem Hinweis von DruckSchrift auf die Münchener Ausstellung „Schätze der Buchmalerei“ eine dort ansässige und von der Ausstellung begeisterte Bloggerin angeboten hat, mir Material über die Ausstellung zuzuschicken. Ein Angebot, das ich natürlich sehr gern angenommen habe. Aus dieser Aktion haben sich weitere sehr nette Kontakte ergeben.

Ach ja, erwähnen möchte ich noch, dass ich ganz in der Anfangsphase von DruckSchrift die Möglichkeit hatte, einige Exemplare aus meiner Reklamemarken-Sammlung in der Reihe „Sammelstückchen“ auf Philea’s Blog vorzustellen. Das war eine tolle Starthilfe.

Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten?

Die Situation hatte ich bis jetzt nicht. Wahrscheinlich wäre ich etwas hin- und hergerissen: einerseits würde ich mich über die Aufmerksamkeit vermutlich freuen, andererseits ist es mir aber ganz wichtig, meine Unabhängigkeit zu wahren. Bekommt man Rezensionsexemplare angeboten, fühlt man sich möglicherweise doch etwas unter Druck gesetzt …?

Und wie würdest du damit umgehen, wenn dir Self-Publisher ihre Titel zur Rezension anbieten?

Siehe meine vorhergehende Antwort.

Wie hältst du es mit dem E-Book?

Ich habe bisher keine Erfahrung mit dem E-Book. Generell denke ich, dass es für Menschen, die viel unterwegs sind, eine nützliche Einrichtung ist. Ich könnte mir durchaus auch vorstellen, einen Roman, einen Krimi, ein Sachbuch auf dem E-Book zu lesen. Aber ein elektronischer Reader wird wohl nie meine geliebten gedruckten „Bücher-Bücher“ ersetzen.

Welche anderen Blogs empfiehlst du (max. 5). Und welcher bibliophile Blogger sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Es wird allmählich eng – in dieser Reihe sind schon fast alle Blogs vorgestellt oder genannt worden, die ich besonders schätze. Ich möchte die Aufmerksamkeit auf das Blog Buchpost lenken. Sehr schön, wenn das Blog auch leider recht selten mit neuen Beiträgen „bestückt“ wird, finde ich Wortumdrehungen. Viele Besucher wünsche ich auch dem Blog 1001 Bücher – das Experiment und dem Literaturblog von Nomadenseele. Und last but not least: es gibt ein bemerkens- und besuchenswertes Blog namens Comickunst über Graphic Novels, das ich nachdrücklich empfehlen möchte.

Sehr leicht fällt mir mein Vorschlag für eine Blog-Präsentation in dieser Reihe: ich warte schon die ganze Zeit auf die Die Seitenspinnerinnen. Vielleicht sind sie ja jetzt bald dabei? Ich würde mich freuen.

Die Seitenspinnerinnen gehören auch zu jenen, die ich anlässlich der 50. Folge eingeladen habe, hier mitzutun …

Dann würde ich gerne das Comic-Blog Comickunst nehmen, das aus dem üblichen Rahmen herausfällt und wirklich gut ist.

Dann machen wir das so. Vielen Dank, Ingrid – und auf viele weitere Jahre mit deiner DruckSchrift, die gestern erstmals Geburstag hatte

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Zuletzt stellte sich Guido Rohm mit Guido Rohms gestammelte Notizen vor. Sein Wunsch-Interviewpartner war Jannis Plastargias mit seinem Blog Schmerzwach. – Eine Übersicht, wer bereits alles Rede und Antwort stand und welche Blogs in den jeweiligen Gesprächen empfohlen wurden, findet sich hier

50. Ausgaben Blogger-Gespräche. Wie begeht man das?

Anfang des Jahres schwante mir, dass der Gesprächsreihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“ im Frühjahr ein Jubiläum bevorstehen könnte. Und dann stand es tatsächlich in dieser Woche an: Der 50. Beitrag, dem Guido Rohm dank einer reichlich unorthodoxen Vorgehensweise eine so hübsche Krone aufgesetzt hat.

Ich bin zwar keine, die überschwängliche Gefühle zeigt, kann aber meine Freude darüber nicht verhehlen. Das allemal, weil ich mir beim Start der Reihe im September vergangenen Jahres nicht habe träumen lassen, dass der Atem für eine längere Strecke, oder gar ein rundes Jubiläum, reichen sollte.

Überrascht hat mich auch, dass der runde Geburtstag gleich in dreierlei Hinsicht rund ausgefallen ist:

  • 50 Bloggerinnen und Blogger haben sich im vergangenen ½ Jahr vorgestellt
  • Dabei sind 125 persönliche Blog-Preziosen zusammengekommen
  • Mit 25 : 25 liegt das Genderverhältnis zum Geburtstag im Lot

Und nun frage ich mich, wie begehen wir all das? Mit einem rauschenden Fest im Beisein aller Beteiligten? Mit einer Denkschrift? Angemessener ist wohl zuerst ein großes Danke an alle, die ihren Teil zum 50. beigetragen haben.

Darüber hinaus habe ich mir überlegt, dass auch jenen eine Möglichkeit gegeben werden sollte, sich zu präsentieren, die zwar mehrfach Lob auf sich vereinen konnten, aber keine Gelegenheit bekamen, sich und ihr Blog hier vorzustellen. Gemeint sind diejenigen unter den 125 persönlichen Blog-Preziosen, die mehrfach genannt wurden. Diese sind:

© Clipart / MvS

© Clipart / MvS

  1. andreas louis seyerlein: particles
  2. BlauRaum
  3. Die Dschungel. Anderswelt
  4. Die Seitenspinnerinnen
  5. DruckSchrift
  6. Horst, Hund und Brodt
  7. Japanliteratur
  8. Literaturjournal
  9. Papillionis liest
  10. Tainted Talents

Diese Zehn lade ich anlässlich der 50. Ausgabe der Blogger-Gespräche herzlich ein, mitzutun. Sie können die vorgegebenen Fragen beantworten oder es Guido gleichtun, der sich eben nicht an den Fragekatalog gehalten hat, sondern für sein Porträt eine eigenwillige Darstellung bevorzugte. – Leider liegen mir nicht von allen der oben Aufgeführten Kontaktdaten vor. Deshalb bitte ich jene, die keine persönliche Einladung von mir erhalten, mich zu kontaktieren.

Ich freue mich auf die Beiträge, die noch kommen werden, und ziehe meinen Hut vor diesen 50 Bloggerinnen und Blogger, die das runde Jubiläum möglich gemacht haben:

Guido Rohm mit Guido Rohms gestammelte Notizen

Friederike Kenneweg mit frintze

Dieter Paul Rudolph mit Krimikultur: Archiv und anderem

Ludgar Menke, der u.a. das Krimiblog pflegt

Ilja Regier mit Muromez

Bettina Schnerr-Laube mit Bleisatz

Anne-Kathrin und Jessica mit lesErLeben

Kid37 mit Das hermetische Café

Die Herren sandhofer und scheichsbeutel mit litteratur.ch

Sophie mit Literaturen

Stephan Waldscheidt mit Schriftzeit

Katarina Liest mit Die Bücherphilosophin

Christiane Nowak mit vorgelesen

Richard Norden mit Writers Workshop

Ada Mitsou mit Ada Mitsou liest…

Dorota Federer mit Bibliophilin

Ruth Justen mit Ruth liest

Axel Hollmann mit seinem gleichnamigen Schreibblog

Hartmut Abendschein, Betreiber des literarischen Weblogs taberna kritika und Mitbegründer von litblogs.net

Oliver Gassner mit seiner Literaturwelt

Simone Finkenwirth mit ihrem Blog Klappentexterin

Marcus Johanus mit seinem gleichnamigen Blog

Svenja, die Syn-ästhetisch pflegt

Die Bücherliebhaberin mit ihrem glasperlenspiel13

Anousch mit Anousch

Jutta S. Piveckova aka Melusine Barby mit Gleisbauarbeiten

Mareike Fallwickl aka Bücherwurm Mariki mit Bücherwurmloch

Stefanie und Yvonne mit Leselink

Dietmar Hillebrandt mit seinem Buecherblogger

Caterina mit SchöneSeiten

Buechermaniac mit lesewelle

Harald Sack mit Biblionomicon

Giesbert Damaschke mit den Echtzeit-Blogs zum Schiller-Goethe-Briefwechsel und zu Eckermanns Gesprächen mit Goethe

Ada Textkrieg mit text krieg

Gregor Keuschnig mit Begleitschreiben

Manuela Hofstätter mit lesefieber.ch

Die Durchleserin mit Durchleser’s Blog

Kerstin Pistorius mit Atalantes Historien

Dieter Wunderlich mit seiner Webseite Dieter Wunderlich: Buchtipps und Filmtipps

Jarg mit Jargs Blog

Benjamin Stein mit seinem Turmsegler

Herr Flatter Satz mit aus.gelesen

Selçuk Caydi mit Konstantiniye notlari (Notizen aus Konstantinopel)

Der Betreiber von Zeitspiegel

Klausbernd Vollmar mit kbvollmarblog

Marius Fränzel mit Bonaventura

Christian Köllerer mit Dr. Christian Köllerers Notizen.

Mara Giese mit Buzzaldrins Bücher

Sandra Matteotti mit ihren Blogs Denkzeiten und Bücherwelten

Petra Gust-Kazakos mit Philea’s Blog, mit der die Gesprächsreihe am 5. September 2012 an den Start ging

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Eine Übersicht zu den Blog-Preziosen, die die Gesprächspartner einbrachten, findet sich hier

Steglitz stellt Guido Rohm mit „Guido Rohms gestammelte Notizen“ vor – und feiert den 50. Beitrag

Buchaffine Blogbetreiber, die sich jeweils in Kurz-Interviews präsentieren, sprechen Blogempfehlungen aus, deren Betreiber wiederum eingeladen werden, sich den Fragen zu stellen. Das ist Ziel der losen Interview-Reihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“, deren Intentionen ich anderenorts detaillierter erläutert habe.

Als ich die Gespräche im September vergangenen Jahres an den Start brachte, war ich skeptisch, ob unser Atem für eine Reihe überhaupt reichen würde. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass wir es gemeinsam sogar zum einem runden Geburtstag bringen würden. Nun steht er an: Der 50. Beitrag, den Guido Rohm heute unorthodox krönt. Dass wir Guido näher kennenlernen sollten, der sonst anderenorts gestammelte Notizen bloggt, hatte Dieter Paul Rudolph vorgeschlagen, der das Krimikultur: Archiv pflegt.

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Also ganz am Anfang, damit wir uns da recht verstehen, muss ich erst einmal eine Kleinigkeit loswerden. Ich bin und war zu keiner Zeit ein Bibliophiler, so eine Sauerei, die lasse ich mir nicht unterstellen. Am Ende liest das einer aus meiner Nachbarschaft, und dann heißt es: Da schau her, da kommt die bibliophile Drecksau! Daher muss ich mich gegen den Vorwurf, was mit Büchern zu haben, verwehren. Man wirft vielleicht mal sein Auge auf das eine oder andere Buch, aber immer mit ehrenwerten Absichten. So ein Bibliophiler, das ist ja kein Mensch mehr, der hat sein Lebensrecht verwirkt. Die Bücher, die können sich nicht wehren, drum muss man sie vor den Bibliophilen schützen, die sich auch im Netz rumtreiben, um sich dort illegal Books runterzuladen. Ein Ring von Bücherschändern ist das, mit denen kurzer Prozess gemacht werden sollte, wenn man mich fragt.

Dies nur zu Beginn, damit man mich hier nicht in einen Sack mit den ganzen anderen Bloggern steckt, die sich zur Bibliophilie ja vielleicht offen bekennen.

 © Guido Rohm

© Guido Rohm

Zunächst einmal ein paar Stichworte zu meiner Person: Geboren ca. 1970, Schriftsteller, Autor, Textproduzent, Stimmenimitator, GROSSBUCHSTABENJÄGER, Playmobil-Bauernhof-Besitzer, Hans-Dampf-in-allen-Gassen, Hans-guck-in-die-Luft, Hans I. Glock, Wedekind-Verächter. Ich wuchs in ärmlichen  Verhältnissen auf, besuchte mehrere Schulen, konnte mich aber nie zur direkten Unterrichtsteilnahme entschließen. Diverse Jobs in Afrika, Argentinien schlug ich aus. 2010 erschien mein erster Roman „Blut ist ein Fluss“ und katapultierte mich mit einem Schlag in die Bestsellerlisten von Andorra. Nach diesem überraschenden Megaerfolg zog ich mich in meine Fuldaer Villa zurück, aus der ich seitdem blogge und Bären schieße. Ich habe 17 Kinder und war zehnmal verheiratet. (Alles in meinem Blogtagebuch nachzulesen.)

Zum Bloggen: Ich blogge seit meiner Kindheit. Es fing mit kleinen gemeinen Notizen an, die ich meinen Schulkameraden in die Ranzen schmuggelte.

Später rutschte ich gehörig ab, wie das bei einer ordentlichen Drogenkarriere so sein muss.

Erst SMS, dann Mails, irgendwann bloggt man. Sagt sich: Ich komm da schon wieder von los!

Aber ehe man sich versieht, hat der soziale Abstieg begonnen. Man wäscht sich nicht mehr, sieht statt echter Menschen nur noch Avatars. Plötzlich hängt man bis zum Hals im Blogsumpf.

Ist der Computer kaputt, spricht man wildfremde Menschen am Bahnhof an, ob sie einen mal eben kurz an ihren Laptop … Sie wissen schon! Man ist nicht mehr man selbst. Man ist ein Wrack. Man ist geil nach der synthetischen Droge von WORDPRESS, nach Statistiken, nach Gefällt-mir-Daumen bei Facebook.

Man ist zu einem Junkie geworden!

Erwache ich am Morgen, überfällt mich das große Zittern. Ich schleife mich aus meinem Bett, dabei könnte ich als Bestsellerautor (Blut ist ein Fluss, Blutschneise, Die Sorgen der Killer) eigentlich beruhigt liegenbleiben. Mich drängt ja nichts. Aber trotzdem zwingt mich die Sucht vor den Bildschirm, um eine dieser wundervollen Szenen aus meinem Leben zu beschreiben, so als würde ich nur wirklich existieren, wenn ich es auch gepostet habe, wenn es in den weitläufigen Straßen des Netzes unterwegs ist.

Ist einer dieser wahnsinnig unterhaltsamen und genialen Artikel veröffentlicht, gebe ich es sofort bei Facebook und Twitter bekannt. Es ist, als würde ich einen Postreiter losschicken, der die Nachricht in die Welt tragen muss.

Ist das erledigt, ziehe ich mich mit einem E-Book zurück, hat das E-Book doch den Vorteil, dass man eine ganze Bibliothek in der Hand durch die Gegend tragen kann. Das lenkt mein Lesen ungemein, weil ich über die ersten drei Sätze erst gar nicht mehr herauskomme. Schon tippe ich zum nächsten Werk und denke mir: Nein, so ein dämlicher Satz aber auch, jetzt lieber mit einem anderen Roman weitermachen.

Auf diese Art habe ich im letzten Jahr 55.789 Sätze gelesen, aber keinen Roman mehr.

Das E-Book ist Klasse, gibt es solchen Hungerleidern wie meinem Kollegen Hans I. Glock doch die Möglichkeit, trotz dauernder Absagen der Verlage, etwas zu veröffentlichen. Und Glock und Konsorten wollen die Menschheit ja auch mal nerven dürfen.

Überhaupt – jetzt sind wir doch mal ehrlich, sind wir hier doch unter uns – wenn man in einen Self-Publisher-Roman hineinliest, kann einem schon schnell mal schlecht werden. Irgendwie müssen die meisten dieser Autoren im Deutschunterricht gepennt haben. Vielleicht waren sie aber auch zu wach. Die nehmen so eine Spannungskurve nicht nur ernst, weit gefehlt, die leben so eine Kurve regelrecht. Und dann diese Sucht nach Adverbien.

Hin und wieder, nehmen wir O.M. Gott oder meinen Freund Glock, findet sich auch eine Perle. Man muss man lange suchen, und Lebenszeit ist es ja auch, die man da vergeudet.

Jetzt habe ich eben noch mal nach dem Fragenkatalog geschaut. Zu Rezensionsexemplaren kann ich nicht viel sagen. Die bekomme ich schon, wenn ich eins anfordere, und ich würde auch das E-Book eines Self-Publishers besprechen, aber leider bzw. O.M. Gott sei Dank, rezensiere ich kaum noch. Dafür habe ich auch gar keine Zeit, weil ich ständig eine Neuigkeit aus meinem aufregenden Leben als Junkie und Bestsellerautor veröffentlichen muss. (Momentan arbeite ich deshalb auch an meiner Autobiografie mit dem Titel „Grünkohlextrakt – Leiden und Nöte eines Bestsellerautos“. Außerdem schreibe ich noch an einem Roman über einen realen deutschen Krimikritiker. Aber dazu will ich mich jetzt nicht äußern. Das würde dem Werk die Spannung rauben.)

Blogs, die ich empfehle: Ludgar Menke und Dieter Paul Rudolph, die hier schon vorgestellt wurden. Derjenige, der die Fragen, die ich mit meinem Text so großzügig überschrieb, als nächstes beantworten sollte, ist Jannis Plastargias mit seinem Blog SCHMERZWACH.

In diesem Sinne möchte ich mich für das Gespräch bedanken, das nun aber leider gar keins war.

Das letzte Wort, allerdings, überlasse ich dir wohl nicht auch noch. Danke sehr für diesen Beitrag, der passend zum heutigen runden Geburstag so ganz anders daherkommt als gewohnt.

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Zuletzt stellte sich Friederike Kenneweg mit Frintze vor. Ihr Wunsch-Interviewpartner war der Betreiber von DocTotte, der u.a. Tottes kleines Literaturlexikon pflegt. – Eine Übersicht, wer bereits alles Rede und Antwort stand und welche Blogs in den jeweiligen Gesprächen empfohlen wurden, findet sich hier

Steglitz stellt Friederike Kenneweg mit „frintze“ vor

Buchaffine Blogbetreiber, die sich jeweils in Kurz-Interviews präsentieren, sprechen Blogempfehlungen aus, deren Betreiber wiederum eingeladen werden, sich den Fragen zu stellen. Das ist Ziel der losen Interview-Reihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“, deren Intentionen ich anderenorts detaillierter erläutert habe.

Von Ilja Regier, der Muromez ins Leben rief, kam der Vorschlag, dass sich Friederike mit frintze vorstellen möge.

Dein Steckbrief in Stichworten …

  • Vielseitig, spielerisch, neugierig, nachdenklich, kritisch
  • Freundin der Kurzprosa, Schnell-Leserin, gerne in Zwischenräumen unterwegs – am liebsten in denen zwischen Klang, Musik, Gesang, Wort und Bedeutung.

Seit wann, warum und wo bloggst du?

Ich blogge seit Januar 2012 auf wordpress.com. Mit dem Bloggen angefangen habe ich auf der Seite des Prager Literaturhauses, als ich da ein Stipendium hatte. Bei dieser Gelegenheit habe ich gemerkt, dass mir das liegt – alltägliche Beobachtungen und Begegnungen direkt aus der Realität ausschneiden und Kurztexte daraus machen. Dass ich mit einem Blog diese Texte sofort einem Publikum zugänglich machen konnte, war für mich Ansporn und Motivation, meinen eigenen Blog frintze zu entwickeln. Bei wordpress bin ich deswegen gelandet, weil der Blog des Literaturhauses ebenfalls damit funktioniert hat und mir das, ohne mich näher damit zu beschäftigen, am sympathischsten war.

Deine Themenschwerpunkte …

so macht frintze auf © F. Kenneweg

so macht frintze auf © F. Kenneweg

Neben den mehr oder weniger regelmäßig erscheinenden Buchrezensionen über alles mögliche, was mir so an Lesestoff in die Finger kommt. Ich schreibe über Lesungen und (experimentelle) Konzerte, über alltägliche Begegnungen und Beobachtungen und seit nunmehr einem Jahr auch über meine persönlichenSounds der Woche“ – das sind kleine Kurztexte über Geräusche – und darüber hinaus.

Durch meinen Prag-Aufenthalt habe ich einige Bücher von tschechischen Autoren rezensiert, ich interessiere mich, ebenfalls durch Reisen inspiriert, für polnische, russische und rumänische Autoren, für Science Fiction, für allerhand Zeitgenössisches.

Was treibt dich in der Literaturszene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Ich beobachte gespannt die Entwicklungen, die aus der allgemeinen Digitalisierung resultieren. Einerseits ist da eine Befreiung dessen, was öffentlich zugänglich und für jeden im Internet lesbar ist, und damit einhergehend ja eine Demokratisierung, andererseits nimmt aber auch die Kommerzialisierung zu – es erscheint schwieriger, frei und nach Möglichkeit marktunabhängig zu schreiben und trotzdem davon zu leben.

Und das gilt sowohl fürs journalistische wie auch fürs literarische Schreiben. (Und in der Musik sieht das ähnlich aus.) Ich finde es ziemlich schade, dass Micropayment-Dienste wie flattr und so weiter es bislang nicht geschafft haben, da ein Gegengewicht zu schaffen. Und ich bin gespannt, wie sich die Buchbranche und das Verlagswesen in diesem Zusammenhang weiter entwickeln und welche Auswirkungen die Probleme und Chancen der Digitalisierung auf die Qualität und Form der Texte haben werden.

Wie machst du dein Blog und deine Beiträge bekannt?

Bislang teile ich das außer eben im Blog nur auf Facebook, hab irgendwann mal in XING-Gruppen und hie und da auch auf anderen Blogs kommentiert – und bin ansonsten immer wieder erstaunt, welche Selbstläufer und Ausreißer es dabei manchmal gibt. Gerade erst habe ich einen Roman rezensiert – „Deadline“ von Bov Bjerg – der Autor hat das mitbekommen und getwittert – und auf einmal hatte ich einen unglaublichen Besucheranstieg auf meinem Blog. Vielleicht sollte ich es also auch mal mit Twitter versuchen – wobei ja sowieso schon die Gefahr besteht, dass man sich in der Social Media Maschinerie zu sehr verstrickt. Manchmal ist mir das so schon alles zu viel.

Was sollte ein Blogger besser sein lassen?

Ich mag es nicht, wenn Blogger Texte veröffentlichen, die allein von privatem Interesse sind. Natürlich ist das eine feine Linie und Geschmacksache– aber das Gesagte sollte nach Möglichkeit über die Privatangelegenheit hinausweisen. Und das Kleistsche „Allmähliche Verfertigen der Gedanken beim Reden“, das kann ja amüsant sein – manchmal ist das aber sehr mühsam, wenn die Texte noch nicht auf den Punkt sind und man beim Lesen an zu vielen irrelevanten Nebenwegen vorbei muss.

Welche Hürden muss ein Blogger nehmen?

Die erste Hürde ist ja schon mal das Einrichten eines Blogs inklusive der technischen Schwierigkeiten, die das zuweilen mit sich bringt. Da muss man aber all den Entwicklern von wordpress etc. ein großes Dankeschön aussprechen – das ist unterdessen derartig unkompliziert geworden, dass einem unterdessen nur noch die eigene Scheu im Wege steht. Sonst – am Ball bleiben, die Zeit finden, die Dinge nicht nur im Kopf formulieren und es dabei bewenden lassen, sondern wirklich am Rechner eintippen, was man da grade sagen will.

Das übrigens, hatte ich das Gefühl, übt man sehr beim Bloggen – den Moment festzuhalten und über diesen Moment auch entschieden und klar etwas zu sagen. Und Texte rauszuhauen und nicht ewig und drei Tage an einer Formulierung herumzubasteln. Da muss man natürlich auch rüber – über seinen eigenen Perfektionsanspruch, der so oft dem tatsächlichen MACHEN im Weg steht.

Dein schönstes Erlebnis als Blogger …

Im Moment besonders schön, das ist die Arbeit an dem LeseKonzert „Sounds“, das sich aus meinen „Sounds der Woche“ entwickelt hat und das im April jetzt tatsächlich erstmalig aufgeführt wird.

Es ist etwas sehr Spezielles, die Texte, die eigentlich für den Blog entstanden sind, in diesem Zusammenhang neu zu bearbeiten. Dass da etwas, was auf dem Blog seinen Ausgang nahm, jetzt in die wirkliche, analoge Welt eintritt, das ist ganz wunderbar. Und auch das ist ein ganz besonderes Gefühl: dass ich das jetzt seit genau einem Jahr mache und dass im Rahmen dessen schon etwas über hundert Kurztexte entstanden sind – angesichts dessen stehe ich mit offenem Mund da und staune.

Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten?

Das ist noch gar nicht vorgekommen. Je nachdem, worum es sich handelt, ob es mich interessiert und ob ich Zeit dafür habe, würde ich auswählen, ob ich dazu was mache oder nicht.

Und wie würdest du damit umgehen, wenn dir Self-Publisher ihre Titel zur Rezension anbieten?

Genauso – wenn ich Zeit dafür habe und mich das interessiert, würde ich dazu was schreiben und hätte keine Berührungsängste.

Wie hältst du es mit dem E-Book?

Noch beäuge ich das argwöhnisch – wahrscheinlich ist das sehr praktisch, aber bislang habe ich noch keinen Anlass gehabt, mir einen Reader zuzulegen, und so hänge ich noch am Geruch von Papier, dem Staub auf den Seiten, den ich manchmal wegpusten muss, am Umblättern – und ich verfluche die Rückenschmerzen, über die ich wegen meiner stets zu schweren Taschen und Koffer voller Bücher zu klagen habe.

Welche anderen Blogs empfiehlst du?

Empfehlen möchte ich den Blog landläufig | Als Stadtschreiber in Ranis des momentan amtierenden Raniser Stadtschreibers Christian Wöllecke – da kann man stimmungsvolle Einblicke in die thüringische Literaturprovinz entdecken. Im Bereich Zeitgenössische Musik und digitale Entwicklungen finde ich den Blog Kulturtechno des Komponisten Johannes Kreidler sehr interessant. Und in eine ähnliche Ecke führt der Blog Weltsicht aus der Nische von Stefan Hetzel, dessen Antworten auf die „PUQ“ (permanently unasked questions) ich besonders lesenswert fand. Außerdem möchte ich die Leseköniginnen empfehlen – das ist ein Projekt, an dem ich selbst mit beteiligt bin: vier Frauen, die beruflich auf unterschiedliche Weise mit Büchern zu tun haben, rezensieren, empfehlen, kritisieren, diskutieren. Wir stehen da allerdings noch ganz am Anfang und sind selbst sehr gespannt, wie sich das weiter entwickelt!

Und welcher bibliophile Blogger sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Zu Wort kommen sollte Doctotte, dessen bibliophiler Blog „Tottes kleines Literaturlexikon“ mir sehr gut gefällt.

Danke sehr, auch für deine interessanten Empfehlungen. –  Und lass‘ bitte wissen, wenn Sounds. Ein Lesekonzert in Berlin ansteht.

Auch danke sehr!

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Eine kleine Anmerkung mag ich mir heute hier nicht verkneifen: In der kommenden Woche feiert „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“ mit dem 50. Beitrag ein rundes Jubiläum.

Zuletzt stellte sich Dieter Paul Rudolph mit Krimikultur: Archiv und anderem vor. Sein Wunsch-Interviewpartner war der Kopf, der hinter Guido Rohms gestammelte Notizen steht. – Eine Übersicht, wer bereits alles Rede und Antwort stand und welche Blogs in den jeweiligen Gesprächen empfohlen wurden, findet sich hier