„Vom Wegfall der Preisbindung mag ich gar nicht reden.“ – SteglitzMind stellt Samy Wiltschek von der Kulturbuchhandlung Jastram vor

Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten (hier etwas mehr zum Vorhaben). – Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort standen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte.

Nach Susanne Martin von der Schiller Buchhandlung, die die Gesprächsreihe vergangene Woche eröffnet hat, und Edda Braun mit ihrer Buchhandlung am Turm in Ochsenfurt erfahren wir heute mehr über Samy Wiltschek von der Kulturbuchhandlung Jastram in Ulm, dem ich herzlich danke.

Eine Skizze vom Laden …

Eine kleine literarische Buchhandlung seit 1952 in Ulm, seit 1984 fast direkt hinter dem Münster. Das heißt zwar sehr zentral, bedeutet jedoch sehr versteckt.

Ich denke, dass wir uns als literarische Buchhandlung in Ulm bezeichnen können.

Warum bist du Buchhändler geworden?

lest Bücher nicht T-Shirts  © Samy Wiltschek

lest Bücher nicht T-Shirts © Samy Wiltschek

Schulkinder fragen mich immer: Warum sind Sie Buchhändler geworden? Und ich antworte, weil ich meine beiden Traumberufe erlernt habe. Zuerst Grundschullehrer. Damals gab es aber zu wenig Stellen und wir hatten schon eine Tochter. Somit ein Neuanfang und eine Lehre in genau dieser Buchhandlung.

Würdest du dich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?

Schwere Frage. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden und wenn ich wieder 30 wäre, dann wohl ja. Ich wüsste ja dann auch gar nicht, WAS da auf mich zukäme!

Was hat sich in den vergangenen Jahren in deinem beruflichen Alltag verändert?

Einerseits mehr Arbeit (im Netz), anderseits Arbeit abgeben an wirklich junge Mitarbeiter, die unendlich Kraft für Vieles haben.

Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternimmst du in dieser Richtung?

Wir haben drei Blogs und eine Website. Begonnen hat es mit Jastram Kulturblog, mit täglichen Verlinkungen auf Facebook. Danach kam noch das Bilderblog der Jastramwelt dazu. Im Moment gibt es zu unserer Sommeraktion noch Jastrampixi.

O Mann, das muss reichen.

Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verortest du für deine Buchhandlung die größten Gefahren?

Vom Wegfall der Preisbindung mag ich gar nicht reden. Für uns kleine Buchhandlung bedeutet auch das Verschwinden von zwei, drei großen Kunden (Privatpersonen und Institutionen) ein sehr großer Einschnitt.

Wie hältst du es mit dem E-Book?

Jastram für die Großen ©  Samy Wiltschek

Jastram für die Großen © Samy Wiltschek

Ich habe welche da, ich berate auch intensiv, ich benutze seit Jahren eine Maschine.

Was das Finanzielle angeht, halte ich das alles für mehr als fragwürdig. Für mich stellte sich nur die Alternative: Mitmachen und zeigen, dass wir das auch haben/können, oder gleich die Kunden weiterschicken. Allerdings werden die Downloadwege an uns und vielen anderen Buchhandlungen vorbeiziehen, was ja schon der Fall ist. Schön daran: ich rate meinen Kunden dingend vom Kauf eines Kindles oder eines iPads ab, wenn sie nur lesen wollen.

Wäre das eine Option für dich, auch Titel von Self Publishern anzubieten?

Mir reichen schon die Bücher, die mir von den Verlagen angeboten werden.

Wie verkauft man heutzutage Bücher?

Mit Herzblut. Alles, was wir selbst gelesen und alles, was uns gefallen hat, können wir wirklich gut verkaufen. Und seien es auch die kleinsten Verlage und unbekanntesten AutorInnen.

Wenn du drei Wünsche frei hättest, die dir Verlage erfüllen… Welche wären das?

– Lesungen sollten kostenlos sein / honorarfrei.

– Nicht so viele Bücher produzieren

– Weiterhin so viele freundliche VertreterInnen zu uns in den Laden schicken.

Die anderen 20 Wünsche lasse ich einfach mal weg…

Du hast hier ja auch nur drei frei. – Und was würdest du dir vom Börsenverein für den deutschen Buchhandel wünschen?

Da ist mir vieles fremd. Ich denke, all diese Seilschaften und Kungeleien, die es bei solch großen Unternehmungen gibt, sind immer problematisch. Buchhändler sind ein schwieriges Völkchen, den Lehrern nicht unähnlich. Und die unter einen Hut zubekommen, ist doch sehr mühselig.

Was treibt dich in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Jastram für die Kleinen ©  Samy Wiltschek

Jastram für die Kleinen © Samy Wiltschek

Ich lese mit Interesse die Streitereien um den Suhrkamp Verlag. Die Folgen lassen mich allerdings kalt. Ich freue mich, dass es eine Gegenbewegung zum Massenartikel „Buch“ gibt und immer wieder schöne, feine, edle (die nicht teuer sein müssen) Titel auf den Markt kommen.

Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?

Na, weil es viel lustiger ist.

Wo bleibt denn die „Erotik“ im Netz?

Wo halten denn die Kunden ihr Schwätzle?

Welche anderen Buchhandlungen empfiehlst du? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Ach, es gibt so viele schöne, interessante Buchhandlungen, aus denen ich mit neuen Ideen wieder herauskomme. Wir müssen nur die Augen aufhalten.

Ohne jedoch den großen Reisenden heraushängen zu wollen: Aus dem Ausland bringe ich immer ganz prima Ideen mit nachhause. Es ist schön so ganz andere Ideen auch bei uns zu verwirklichen. – Als Gesprächspartnerin empfehle die sehr engagierte Susanne Martin von der Schiller Buchhandlung in Vaihingen, die immer wieder mit neuen Ideen aufwartet.

Die war doch schon an der Reihe…

Dann die Buchhandlung Lesen und Lesen lassen, ein kleiner, feiner Laden in Berlin/Friedrichshain. Wenn wir in Berlin sind, schauen wir da öfters mal rein und finden das sehr pfiffig.

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Die Kulturbuchhandlung Jastram findet Ihr hier im Netz:

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Jastrams Fototagebuch

Wie Bücher leben

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Mit meinem Versuch, das Augenmerk auf unabhängige Buchhandlungen zu lenken, stehe ich im Netz gottlob nicht alleine da. Und deshalb dürfen Hinweise auf mir bekannte Initiativen hier natürlich nicht fehlen:

Ende Mai 2013 rief Sophie auf ihrem Blog Literaturen die Aktion „Die Kleinsten werden die Größten sein“ ins Leben, Simone Finkenwirth listet auf ihrem Blog Klappentexterin seit längerem auserlesene Buchhandlungen und seit April 2013 stellen Autoren bei schmerzwach, dem Blog von Jannis Plastargias, ihre Lieblingsbuchhandlung vor. Frank Maria Reifenberg präsentiert auf schreibkraft_fmr verschiedentlich 4 Buchtipps von Buchhändler/innen für 4 Jungs; auch We read Indie – das brandneue Projekt von Ada Mitsou (Ada Mitsou liest….), Dorota Federer (Bibliophilin), Simone Finkenwirth (Klappentexterin), Svenja (Syn-ästhetisch), Mareike Fallwickl aka Bücherwurm Mariki (Bücherwurmloch), Caterina  (SchöneSeiten) und Mara Giese (Buzzaldrins Bücher) – das sich Publikationen von unabhängigen Verlagen annimmt, stellt in loser Folge Buchhandlungen vor.

Ich freue mich auf die Gespräche bei SteglitzMind – und Eure Vorschläge, wer in der losen Interviewreihe mit Buchhändlerinnen und Buchhändlern ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr!

Am Mittwoch erfahren wir mehr über Margarete Haimberger von der Schröersche Buchhandlung in Berlin/Schöneberg.

26 Kommentare zu “„Vom Wegfall der Preisbindung mag ich gar nicht reden.“ – SteglitzMind stellt Samy Wiltschek von der Kulturbuchhandlung Jastram vor

  1. Ich antworte Petra jetzt mal hier unten, bevor meine Antwort zum Strich wird 😉
    D’accord, was die Wasserglaslesung anbelangt, dafür gibt es immer weniger InteressentInnen. D’accord ebenfalls, was die Kooperationen anbelangt, damit machen auch wir überwiegend gute Erfahrungen.
    Was die Annahme von Büchertischen anbelangt: Wir machen solche Büchertische, wenn es uns zeitlich möglich ist. Der Erfolg ist sehr unterschiedlich. Ich hatte schon Büchertische, bei denen ich 1 Buch verkauft habe. Oder gar keines, aber es gab auch schon gute. Streng wirtschaftlich gesehen lohnen sich vielleicht 20 Prozent der Büchertische, die wir machen, manchmal rechnen sich die mehr, von denen man es gar nicht erwartet hätte. Wir gehen bei der Disposition davon aus, dass im Durchschnitt 20 – 30% der BesucherInnen etwas kaufen. Die nicht verkauften Bücher kann man zurückschicken. Natürlich ist das mit Kosten verbunden, aber das ist für mich jetzt kein Grund, keinen Büchertisch zu machen. Grundsätzlich bieten jedoch Büchertische ein gewisses Frustpotential, weshalb es sicher Buchhandlungen gibt, die das nicht mehr machen. Das von Dir genannte Beispiel, 3 Bücher herzulegen ist sehr peinlich und unprofessionell, aber ich würde doch gerne wissen, wie oft Dir das schon passiert ist?
    Ich habe mich beispielsweise auch schon einmal sehr über einen Autor geärgert, der im Rahmen der Buchwochen eine Lesung machte und mir vorher stolz sagte, er hätte sich sehr viele Gedanken gemacht, was er lesen solle und hätte jetzt eine richtig runde Sache. Schön dachte ich mir. Leider hat er eine total langweilige, in sich abgeschlossene Passage ausgewählt, die niemanden dazu bewegte, ein Buch zu kaufen. So kann es einer Buchhändlerin dann auch ergehen. Ich könnte auch noch die eine oder andere Geschichte beisteuern, wie man als Buchhändlerin behandelt werden kann oder wo man ggfs. Mit dem Büchertisch platziert wird…….
    Was den Werbeeffekt angeht: Den gibt es dann, wenn man den Büchertisch im direkten Umfeld macht oder eine große, bekannte Buchhandlung ist. Wenn ich als Stadtteilbuchhandlung einen Büchertisch irgendwo in Stuttgart mache, dann ist der Werbeeffekt für mich minimal, denn deswegen wird kaum jemand extra nach S- Vaihingen kommen. Trotzdem gehören Büchertische für mich zum buchhändlerischen Geschäft dazu und das gilt mit Sicherheit nicht nur für mich.
    Und nochmal was zum Verlagsbudget: Ich weiß von einem großen Publikumsverlag, der zumindest früher, seinen VerlagsvetreterInnen ein Budget gab, das diese selbst verwalten konnten und aus dem sie engagierte Buchhandlungen bei Veranstaltungen unterstützen konnten. Ich weiß nicht, ob das immer noch so ist, aber wir haben davon schon profitieren können. Das ist eine Art der Unterstützung, wie ich sie mir vorstelle. Und ich denke, Verlage könnten durchaus darüber nachdenken, einen kleinen Teil ihres Werbebudgets in die Untersützung von Aktionen und Veranstaltungen im Buchhandel zu stecken. Nicht mit der Gießkanne, aber mit etwas mehr Kreativität in den Werbeabteilungen ließe sich da sicher was machen.

    • merci. Ich habe ja bereits vollmundig verlautbart, dass ich mich mühen werde, Eure Stellungnahmen zu diesem Thema, das offensichtlich verschiedentlich umtreibt, zusammenzufassen…
      Zum „Strich“, der mich und andere ärgert: Ja, ich kriege den nicht in Griff. So wer Abhilfe leisten kann, bitte… Bitte sehr!

      • Das liegt an der Weite der Absatzeinrückungen von Antworten. Wo du die in WordPress minimierst oder womöglich alle Antworten auf einen Beitrag auf ein und diesselbe layoutest, kann ich dir leider nicht sagen. Aber irgendwo muss der Quelltext fürs Layout sitzen…

      • Hallo Petra, Gesine und ihr anderen, am Quelltext würde ich nich rumfummeln. Die Verschachtelung (und damit das Strich-Problem) findet man, wenn man ins Dashboard geht. Dann zu „Einstellungen“, dort zu „Diskussionen“. Dort wiederum findet sich unter „weitere Kommentareinstellungen“ die Möglichkeit, das Häkchen bei der Verschachtelung ganz rauszunehmen – bei mir in einer Blogruine ergab sich dann aber das Problem, dass die Kommentare ausnahmslos in der Reihenfolge gelistet waren, wie sie reinkamen, also die zusammengehörigen nicht mehr beisammen standen. Folgendes half dann wirklich: Häkchen bei „Verschachtelte Kommentare in … Ebenen organisieren“ DRIN lassen, die Anzahl der Ebenen aber auf „2“ beschränken. Dann wird nur der zweite Kommentar eingerückt, alle folgenden entsprechen ihm in der Einrückung. So dass also auch optisch sichtbar ist: hier kommen jetzt die Antworten auf den ersten Kommentar. Kannst ja mal ausprobieren, was sich bei welchen Zahlen ergibt. Ich schätze, bei drei Ebenen geht es auch noch, fände ich aber sinnlos. Ab vier wirds kritisch, und danach – wirds Lyrik 🙂

    • Ganz lieben Dank für die Zeit und Mühe, Susanne Martin – ich habe aus diesem Beitrag eine Menge lernen können, sogar für den eigenen Buchverkauf. Und mit solch gegenseitigem Verständnis kann man wieder neue Ideen miteinander entwickeln.

      Unprofessionelle Buchhändler sind mir leider schon öfter begegnet, was aber nicht heißt, dass die alle so sind. Irgendwann sprechen sich solche Namen ja auch bei AutorInnen herum … 😉 Insofern sind die meisten Erfahrungen positiv.

      Was das Budget der Verlage betrifft, kann ich pauschal nichts sagen. Ich hatte schon öfter Lesungen, die vom Verlag bei den Buchhandlungen „gesponsert“ wurden, sei es, dass Teile des Honorars übernommen wurden oder die Spesen. Ich kann hier nur eine Trennlinie erkennen: Bei Konzernverlagen waren solche Hilfen nur an Spitzentitel gekoppelt und nur an Lesungen, von denen sich der Verlag besonderen Multiplikatoreneffekt erwartete. Kleinere Verlage waren eher großzügiger. Und inzwischen wird man von den Verlagsabteilungen oft nach dem eigenen Mindesthonorar gefragt und dann sortiert der Verlag schon alle Buchhandlungen automatisch aus, die drunter liegen. Wie gesagt, Einzelerfahrung, sicher nicht allgemeingültig. Drum glaube ich auch eher an Budgetkürzungen …

      Du sprichst die Qualität von Lesungen an. Da liege ich den AutorenKollegInnen oft in den Ohren, dass sich eine gewisse Professionalität auch auszahlt. Natürlich kann nicht jeder Schriftsteller eine Rampensau sein. Aber ich kenne das hier von Frankreich, dass man sich nicht nur Mühe gibt, sondern auch echte Fortbildung in Sachen Auftritte macht. Das fängt bei der Stimmbildung und Sprechunterricht an und hört durchaus bei Theaterkursen auf. Solche Kurse gibt es in Deutschland oft für wenig Geld an jedem Theater für Laien. Würden sich AutorInnen wirklich einen abbrechen, da reinzuschnuppern? Das dient ja durchaus auch dem eigenen Selbstbewusstsein und dem Verkauf. Und jemanden, der es wirklich „kann“, laden Buchhandlungen ja auch viel lieber ein. Von demkaufen die Leute lieber die Bücher. Da müssen wir AutorInnen uns auch noch gehörig bewegen!

  2. Da die Frage, ob Lesungen in Buchhandlungen honorarfrei sein sollten, umtreibt, werde ich absehbar zusehen, Eure Stellungnahmen in einem eigenen Beitrag zusammenzufassen. Schön fände ich ja, wenn sich auch Vertreter seitens der Verlage dazu äußern würden…

    • Wobei man sagen muss, dass du diese Auseinandersetzung bei FB mittels sehr eindeutiger Schlagzeile auch ein wenig provoziert hast 😉
      Zumindest ich für meinen Teil hätte sonst wohl gar nicht auf diesen Satz geachtet, insofern tut mir Samy Wiltschek jetzt fast leid, dass er die ganze Diskussion abkriegt. Auf der anderen Seite kann man aus solchen Diskussionen viel von der Sicht aller Beteiligter lernen.

  3. Da muss ich kurz für für die Buchhändler in die Bresche springen: ich gehöre ebenfalls zu den Autorinnen, und nicht zu den ganz großen, die man als “sichere Bank” bezeichnen kann. Ich war früher Veranstalterin und ich weiß einfach, wie knapp solche Budgets sind. Ich war und bin immer froh und glücklich über jede Einladung einer Buchhandlung und betrachte das als Kooperation: die Buchhandlung präsentiert mein Buch im Vorfeld prominent im Laden, es gibt Buchhinweise in der Lokalpresse und Plakatierung, und die Veranstaltung. Oft noch Nachbesprechung in der Lokalzeitung. Das mag in den Ohren von Großstadtmenschen provinziell und piefig klingen, aber das ist ein nicht zu unterschätzender Effekt auf die Bekanntheit und die Verkäufe. Wir reden in meinem Fall nicht von Hunderten, sondern vielleicht von 20 oder 30 Büchern, aber das läppert sich, wie man bei uns sagt.

    Für mich waren meine Lesungen völliges Neuland, und umso schöner, dabei von so netten Menschen wie den Buchhändlern auf die Bühne geladen zu werden.
    Man kann zwar heute rund um die Uhr mit Lesern online in Kontakt sein – das bin ich auch, und nicht zu knapp, aber ein Leseabend ist immer was anderes.
    300 oder 350 Euro sind sozusagen das empfohlene Minimum an Honorar, und wenn ich dann da sitze, das Publikum zähle und das hochrechne, wie hoch (niedrig!) der Eintritt ist, dann zahlen die meisten Buchhandlungen drauf dafür, dass ich sitzen und lesen darf. Zu Honorar, Reise- und Übernachtungskosten kommen ja dann noch Bewirtung der Gäste, Häppchen, Deko, evtl. Miete für Technik… das kommt einiges zusammen.

    Man könnte natürlich das Tantiemenfass aufmachen. Aber dann müsste man sagen: Händler, du bekommst deine 30 bis 40% nicht nur für den Abverkauf des Buches, sondern auch explizit für deinen Beitrag zu Lesungen. Geschieht dies dem Prinzip nach flächendeckend nicht mehr, müsste man diesen Anteil auf die Autorentantiemen schlagen. Aber ob die Autoren dann bereit wären, Lesreisen zu machen, an denen sie nichts mehr verdienen? Hm… Und: nciht jede*r Autor*in will lesen… schwierig also. Man könnte im Verlag also einen Fond machen, in den ein Promilleteil jedes Vertrages hineinfließt, und aus dem die Autorenhnorare bezahlt werden… nur so ins Blaue gedacht….

  4. Hallo, Samy Wiltschek, freue mich, daß Du die Buchhandlung in Friedrichshain empfohlen hast, immer wenn ich von Bayern nach Berlin reise,besuche ich „Lesen und lesen lassen…“..viel Glück für Dich in Ulm!

  5. Danke für diese interessante Interview-Reihe! Als Leser und Buchkäufer (bin weder Verleger noch Autor noch Buchhändler) bekomme ich hier Einblick in die Denkweise meines buchhändlerischen Gegenübers, was sehr lehrreich ist. Aber nicht immer sympathisch. Im Gegenteil, ich bemerke geradezu eine Gegnerschaft aller Beteiligten. Und ich als (potentieller) Kunde bin für die BuchhändlerInnen einer, der immer zu wenig kauft, sie zu mühseligen Bestellungen nötigt, statt mit dem vorhandenen Bestand vorlieb zu nemen, nicht auf Lesungen erscheint, wenn sie schon mal welche organisiert haben, und – Gipfel der Unbotmäßigkeit – mal bei Amazon nachschaut, was es da denn sonst noch an interessanten Titeln gäbe. (Bestellen trau ich mich ja nach den schrecklichen Enthüllungen von neulich in Amazonien ohnehin nichts…) Und ein iPad habe ich auch. Warum ist das eigentlich so schlecht? Ich nehme an, weil ich dann verführt werde, direkt im iBook-Store zu kaufen, was ich übrigens noch nie gemacht habe.
    Interessant auch der bereits mehrfach beschworene „Plausch“ bzw. das „Beratungsgespräch“ in der Buchhandlung. Ich bin da offenbar nicht der Typ dafür, denn ich hatte noch nie ein befriedigend ausfallendes Beratungsbespräch mit einer Buchhändlerin oder einem Buchhändler.
    Aber mich interessieren Buchhandlungen, weil man gelegentlich doch in einer versteckten Ecke Bücher findet, die nicht Mainstream sind, die vielleicht sogar gediegen gemacht sind, die mich in irgendeiner Weise faszinieren. Übrigens: Wo ich als erstes reinschaue, das sind die Ramschkisten vor der Buchhandlung. Von denen wurde bisher noch nicht gesprochen, mich würde aber sehr interessieren, wie die BuchhändlerInnen dazu stehen.
    Bin gespannt auf die weiteren Interviews!

    • ein interessanter Aspekt – die Ramschkisten und wie Buchhändler/innen dazu stehen. Mache mir einen Knoten ins Taschentuch und frage diesbezüglich gelegentlich womöglich eigens nach. – Danke für deinen Hinweis.

      • Die Ramschkisten dienen einfach dazu, Menschen in den Laden zu locken. Vielleicht findet.man auf dem Wegen zur Kasse noch ein anderes Buch.

  6. Ich habe diesen Wunsch von Samy Wiltschek als Wunsch an Verlage wahrgenommen – die Frage lautete ja: „Wenn du 3 Wünsche frei hättest, die dir Verlage erfüllen“.
    Verlage könnten durchaus Buchhandlungen in Sachen Lesung unterstützen. Indem Sie z.B. in ihren Werbebudgets Beträge einstellen, mit denen sie Buchhandlungen bei der Organisation einer Lesung helfen. Das kann die Druckkostenübernahmen für’s Programm, die Einladung sein, die Finanzierung einer Anzeige oder die Übernahme der Reise- und Hotelkosten für den Autor. Dann haben wir Luft, die Honorare der AutorInnen zu bezahlen. Momentan ist es jedoch so, daß die Buchhandlung komplett alle Kosten trägt. Und das führt dazu, daß immer weniger Buchhandlungen Lesungen durchführen, nicht weil sie das nicht wollen, sondern weil sie es sich schlichtweg nicht mehr leisten können, für ein kleines Grüppchen ZuhörerInnen ein paar Hundert Euro zu berappen.
    Wer übrigens das Gespräch mit mir gelesen hat, wird dort eine ganz ähnliche Antwort finden, wie sie Samy gegeben hat!

    • Und von welchem Budget gingen diese Verlagszahlungen wieder ab, Susanne Martin? Die Verlage machen Autoren inzwischen schon Druck, wenn die Ausgaben für Rezensionsexemplare steigen!
      Ich finde es allerdings erschreckend, wenn’s von Verlagen nicht mal Werbematerial gibt. Das war früher anders.

      • Oh doch, es gibt Werbematerial. Plakate, manchmal Einladungskarten. Dann gibt’s noch ein bißchen Sonderkonditionen und das war’s dann schon.
        Und ich würde mal nicht gleich unterstellen, daß diese Verlagsunterstützung vom Autorenhonrar abgehen. Ich denke da eher an das Werbe- bzw Marketingbudget, denn das ist es ja letztlich, was eine Lesung für einen Verlag ist.
        Wir in unserer Buchhandlung haben uns inzwischen weitgehend verabschiedet von Lesungen und führen diese fast nur noch in Kooperationen durch und deutlich seltener. Und mit AutorInnen, die eine einigermassen „sichere Bank“ sind.
        Wenn ich 350 Euro Honorar oder mehr bezahle, manchmal noch Fahrt- und Übernachtungskosten und es kommen (trotz guter Werbung) 12 Leute, die 8 oder 10 Euro Eintritt bezahlen, dann müssen wir wohl nicht mehr groß diskutieren.
        Das ist schade, aber ganz ehrlich: Es bricht mir nicht das Herz. Alles hat seine Zeit. Und Lesungen, jedenfalls die klassischen Lesungen, haben (in der Breite gesehen) ihre große Zeit hinter sich. Anders mag es in Lesereihen, Festivals u.ä. aussehen. Man muss nach eben neuen Wegen suchen.

      • Also ich habe das auch genau so verstanden, dass der Gedanke ist, dass Verlag eine zielgenauere Unterstützung für Lesungen praktizieren. In den USA, wo sich Samy ja gern Inspiration holt, ist das oft so wie er es hier an Verlage als Wunsch heranträgt. Ich glaube ja, dass die Veranstaltungen viel zu zersplittert stattfinden und es eine Stelle gebe müsse, die das gebündelt anbieten kann.

      • Ich kann die Buchhandlungen wirtschaftlich gesehen ja voll verstehen, auch wenn ich mich über Lesungen ohne Honorar aufrege (oder darüber, dass manche, nicht alle, Buchhändler gleich a priori auf diese Konfrontation gehen). Deshalb glaube ich auch an neue Wege wie Kooperationen .. was natürlich auch Arbeit macht, die zuerst aufzubauen! Aber wir Autoren arbeiten ja auch hart …
        An Verlagslösungen aus dem Marketingbudget glaube ich einfach nicht, da kenne ich zu gut den Honorardruck, der inzwischen wegen jeder Kleinigkeit auf Autoren ausgeübt wird. Vor allem bekommen ja ohnehin nur die Spitzentitel überhaupt ein Budget, was die Literaturvielfalt noch mehr einengen würde.

        Ich persönlich glaube, dass die Wasserglaslesung beim Publikum zunehmend out ist. Ich hatte kürzlich die Diskussion mit dem Leiter einer Stadtbibliothek, der seit Jahren versucht, den Buchhändlern dort klarzumachen, dass das Publikum diese Form nicht mehr will. Aber da wird dann lieber über sinkende Zuschauerzahlen geklagt. Und wo sitzt dieses Publikum dann? Wenn die Bibliothek mit anderen Einrichtungen gemeinsam ein Budget aufbaut, um irgendein schönes Event zu machen.

        Ich persönlich organisiere meine Auftritte oft auf diese Art selbst. Man bezahlt mich vom Veranstalter her ordentlich, ohne dass ich handeln muss. Was ich dann aber absolut nicht verstehe: Ich biete den örtlichen Buchhandlungen an, den Büchertisch zu besorgen. Der würde sogar von einer Mitarbeiterin des Veranstalters betreut, würde also nicht mal Personal kosten. Ergebnis: Man zeigt kein Interesse. Oder die Buchhändlerin legt drei müde Bücher von mir hin. Mit den Worten, mehr ginge eh nie weg. Zum Glück hatte ich selbst welche in der Kiste, konnte einspringen und an diesem Abend weit über 40 verkaufen. Wenn mir das Buchhändler einmal erklären können: Kostet es auch zu viel, Bücher einer Autorin zu verkaufen, die mit ihrer Veranstaltung sogar Werbung für eine Buchhandlung macht? Hat man Angst, auf den Büchern sitzen zu bleiben? Kostet es zuviel, nicht verkaufte Eemplare zurückzugeben? Ich würde es gern verstehen.

  7. Ich bin hauptberufliche Autorin. Von den lächerlichen Tantiemen, die mir von einem Buch bleiben und die extrem viel kleiner sind als die Buchhandelsrabatte, kann ich allein nicht überleben. Ich lebe wie alle hauptberuflichen Autoren (wie vermessen aber auch, keinen vernünftigen Beruf gelernt!) von einer Art „Gemischtwarenladen“, zu dem auch und vor allem die Bezahlung für Auftritte und Lesungen gehört. ARBEIT, die nicht selten vom Verlust von weiteren Arbeitstagen flankiert wird, wenn ich weiter anreisen muss. Geld, für das eine Freiberuflerin auch noch heftige Abgaben zahlt.

    Bei allem Verständnis für kleinere Buchhandlungen gebe ich Buchhandlungen, die mich umsonst wollen, immer eine Alternative: Wer mir wirklich nachweisen kann, dass es wirtschaftlich schlecht um ihn bestellt ist, der darf mich im Tauschhandel haben. Buchgutschein im Wert meiner Lesung. Der Effekt ist vielsagend: Bisher hat in diesem Moment noch jeder bezahlt, keiner wollte als armer Mensch dastehen. Seltsam.

    Sollen wir Autoren lieber Sozialhilfe beantragen? Dann würde die Allgemeinheit bezahlen, was Marktbeteiligte nicht mehr stemmen mögen / können.
    Mein Tipp aus Unternehmersicht: Einfach auf Lesungen verzichten, wenn man sich’s nicht leisten kann. Ich verzichte im Leben auch auf sehr viele anderen Menschen selbstverständliche Dinge, weil Autoren immer schlechter bezahlt werden.

    Ich hoffe, dieser Wunsch bleibt ein frommer Wunsch. Denn solche Wünsche sind es, die mich auch als Autorin zunehmend in die Arme der großen Amazone treiben. Buchhändler, vergesst eines nicht: Es gibt keine Bücher ohne AutorInnen.

  8. Lesungen sollten kostenlos sein / honorarfrei?
    Klar sind Lesungshonorare eine Belastung für den Etat einer Buchhandlung. Natürlich!
    Schrecklich oder…?

    Schreiben ist eine Belastung für meinen Etat, ein verdammt teures Hobby.
    Klar, ich kann es ja bleibenlassen (Was jammere ich also?!), ebenso wie eine Buchhandlung darauf verzichten kann, Autoren einzuladen (was sowieso immer mehr Buchläden tun).
    Ich weiß nicht, wo der Stundenlohn eines Buchhändlers liegt, aber ich als zugegebenermaßen (winzig) kleine Autorin – und damit zu der Mehrheit der deutschen, in der Regel „armen“ Schreiberlinge gehörend – kratze in Sachen Stundenlohn mal gerade eben von unten an der 50-Cent-Grenze, vor steuerlichen Abzügen und ohne wirklich alle Kosten einzurechnen. Muss an einem persönlichen Mangel an Begabung und Geschick liegen…

    Wie überaus sensibel, wenn der erste von 3 Wünschen eines Buchhändlers die Spendabilität von Autoren fordert!
    Mein Tipp für die Zukunft: Bitte nur Bestseller-Autoren einladen – die können sich eine derartige Großzügigkeit vielleicht leisten oder nur jene Autoren einladen, die bei finanzstarken Verlagen unter Vertrag sind, die dann ggf. Lesungen sponsern, auch auf die Gefahr hin, dass dann der Büchermarkt noch mehr monopolisiert wird – es ist ja eigentlich egal, woran die Pluralität der Branche zerbricht: Ich möchte weder durch freiwillige noch durch unfreiwillige Spenden über den bisher geleisteten Einsatz hinaus (s.o.) zum „Solidaritätsbeitrag für eine bunter Buchlandschaft in Deutschland“ einzahlen!

  9. So ist es, lieber Stefan Müller. Und was heißt „die Downloadwege gehen an uns vorbei“? Gibt es einen vernünftigen Grund, warum sie auch noch über die Buchhandlungen führen und die Verkaufspreise für E-Books unnötig erhöhen sollten? Und wieso wird von einem Kindle abgeraten, wenn man „nur Bücher“ lesen möchte? Der Kindle ist genau dazu geschaffen worden (und andere E-Reader auch). Ich bin kein Gegner von Buchhandlungen, aber inzwischen geht mir dieses ständige Lamentieren ziemlich auf den Geist. Ich gehe auch nicht mehr in Buchhandlungen, weil ich dieses Standardsortiment einfach nicht mehr sehen kann.

  10. „Lesungen sollten kostenlos sein / honorarfrei“ – Weil die Autoren ja sowieso nicht wissen, wohin mit ihrer ganzen Kohle, die sie allein durch den Verkauf der Bücher bekommen? Reichlich egoistisch, auf der einen Seite Solidarität seitens der Kunden mit dem eigenen Geschäft wollen, auf der anderen Seite den Kostendruck auf die eigentlichen Schöpfer der verkauften Ware abwälzen. http://jungle-world.com/artikel/2012/11/45080.html

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