Buchhändler sind Idealisten. Unverbesserliche Idealisten sogar und Züge vom Romantiker haben sie auch. Sie lieben ihren Beruf nahezu bedingungslos und hängen ihn auch dann nicht an den Nagel, wenn das Einkommen gering ist, Stress und Überstunden überhand nehmen und die Zukunftsaussichten düster sind. Buchhändler bleiben bei der Stange, weil sie Bücher lieben!
Nahezu unisono haben diejenigen, die mir bislang dankenswerterweise im Rahmen der Reihe “SteglitzMind stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” Rede und Antwort standen, ihr Hobby zum Beruf gemacht. Fast alle antworteten auf die Frage, warum sie Buchhändler/in geworden sind, dass sie von Kindesbeinen an Buchliebhaber und begeisterte Leser gewesen sind und sich deshalb für eine Laufbahn als Buchhändler entschieden haben. Bei einigen fiel bei der Berufswahl neben der Leidenschaft für das Buch auch die Freude am Umgang mit Menschen ins Gewicht. – Zwei Gesprächspartner entschieden sich politisch motiviert für den Beruf, für andere war die Karriere anfangs lediglich ein Notnagel, weil der ursprüngliche Traumberuf nicht verwirklicht werden konnte. Anderen wurde die Karriere nebst Laden in die Wiege gelegt, da sie aus Buchhändlerfamilien stammen.
„Ich habe tatsächlich mit Anfang 20 gedacht, mach mal dein Hobby zum Beruf. So richtig Ahnung hatte ich nicht.“- Maria Glusgold-Drews vom Buchladen MaschaKascha – Schöne Bücher in Hannover
„Eigentlich habe ich meine Leidenschaft zum Beruf gemacht, ich war schon immer absolut fasziniert von Büchern und den Welten, die sich durch sie eröffnen.“ – Beate Laufer-Johannes von der der BücherInsel in Frauenaurach
„Diese Entscheidung ist bei der Befragung zum Berufswunsch in der ersten Schulklasse gefallen. Danach kam ein anderer Beruf nicht mehr in Frage. Natürlich lese ich gerne aber ich verkaufe auch sehr gerne. Beides zu kombinieren ist mein Traumberuf.“ – Britta Beecken von der Berliner Buchkantine
„Weil ich mich schon immer in Geschichten verlieren konnte, weil ich gerne über das, was ich gelesen habe, rede und gerne Umgang mit anderen Menschen habe. Wahrscheinlich habe ich dadurch in Sachen Literatur ein gewisses Sendungsbewusstsein entwickelt. Auf den Punkt gebracht: weil ich mir ein Leben ohne Bücher nicht vorstellen kann. – Brigitte Gode von der Gollenstein Buchhandlung in Blieskastel
Ich liebe Bücher, ich bin Übersetzer, Schriftsteller und betreibe einen kleinen Verlag in meine Heimatstadt Barcelona. Der nächste logische Schritt war Buchhändler zu werden in der Stadt, in der ich seit 15 Jahren lebe. – David Armengou von Echo Bücher im Berliner Wedding
„Eher durch Zufall und als Quereinsteigerin. Mein Wunschstudium hätte mich arbeitslos gemacht und der Raum, in dem sich die Buchhandlung befindet, hat mich schon als Kundin fasziniert.“ – Anna Jeller von der Wiener Buchhandlung Anna Jeller
„Aus Liebe zu den Büchern – ist wohl die Standartantwort, aber stimmt natürlich. Mit zehn Jahren war mir klar, dass es für mich nur einen Beruf gibt: Buchhändlerin. Zum Glück hat es geklappt und ich bin nach wie vor mit Leib und Seele dabei.“ – Trix Niederhauser von der Buchhandlung am Kronenplatz in Burgdorf/Emmental (Schweiz)
Wie gesagt: Buchhändler sind Idealisten; auch unter schwierigen Bedingungen halten sie an ihrer Leidenschaft fest. Bedingungslos! Jeder Zweite der 43 Gesprächspartner beantwortete die Frage, ob ihm heute abermals eine Laufbahn als Buchhändler in den Sinn käme, mit einem klaren Bekenntnis zu seinem Traumberuf.
„Ja, sofort und unbedingt würde ich wieder eine Buchhandlung aufmachen! Gibt es denn etwas Abwechslungsreicheres als Bücher? Als Buchhändlerin in einem abhängigen Arbeitsverhältnis würde ich wohl nicht so gerne arbeiten.“ – Rosemarie Reif-Ruppert von der Gostenhofer Buchhandlung in Nürnberg
„Jetzt erst recht!“ – Klaus Kowalke von der Stadtteilbuchhandlung Lessing und Kompanie Literatur e. V. in Chemnitz
„Na klar! Die heutigen Bedingungen bieten uns doch sehr viele Chancen.“ – Thomas Bleitner von der Hamburger Buchhandlung Lüders
„Ja. Ich glaube das Jammertal ist langsam durchschritten. Die ehemaligen Marktriesen bluten, das Internet ist etabliert und die unabhängigen Buchhandlungen, die bis jetzt durchgehalten haben, haben in meinen Augen auch eine reelle Chance ihren Platz zu behaupten.“ – Mila Becker von Mila Becker Buch & Präsent in Voerde
„Was gibt es schöneres, als täglich neue Perlen auf dem Büchermarkt entdecken zu können und anderen davon erzählen zu dürfen?!“ – Annaluise Erler von der Buchhandlung Findus im sächsischen Tharandt
„Wenn der Freiraum zum selbst bestimmten Arbeiten vorhanden ist wie bei uns, jederzeit wieder, denn der tägliche Kampf gegen Verblödung und Konzentration im Buchhandel kann auch sehr unterhaltsam sein.“ – Torsten Meinicke vom Hamburger Buchladen Osterstraße
„Ja natürlich würde ich heute wieder Buchhändlerin werden, weil der Grundgedanke: Lesen und zum Lesen motivieren sich nicht geändert hat bzw. nicht ändern wird.“ – Sonja Lehmann vom Bücherwurm Borken im Nordhessischen
15 Gesprächspartner taten sich mit der Antwort auf die Frage schwer, ob sie sich unter heutigen Bedingungen abermals für ihren Beruf entscheiden würden. Herz und Bauch sagten zwar „ja“, der Kopf allerdings riet dazu, die Finger vom Buchhandel besser zu lassen.
„Schwer zu sagen, weil ich eigentlich mehr oder weniger so reingeschlittert bin. Gefühlsmäßig schwanke ich permanent zwischen ‚Ja‘ und ‚Nein‘. Wenn ich nachrechne, was ich in meinem ursprünglichen Beruf verdient hätte, dominiert das „Nein“, wenn ich auf meinen Bauch höre das ‚Ja‘“. – Gustav Förster von der Wein-Lese-Handlung Förster in Ganderkesee
„Schwierige Frage. Es kommt für mich drauf an, wo man letztlich hin will. Für eine Karriere, Filialleiterin, Geschäftsführerin oder eben Inhaberin, klares Ja. Für ein paar Stunden neben den Kindern und der Familie, auch auf jeden Fall. Aber als einfaches Buchhändlerlein vor sich hinzuarbeiten und versuchen, sich noch eine Rente aufzubauen – wahrscheinlich nicht.“ Nicole Jünger vom Buchladen am Neuen Markt in Meckenheim
„Schwere Frage. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden und wenn ich wieder 30 wäre, dann wohl ja. Ich wüsste ja dann auch gar nicht, WAS da auf mich zukäme!“ – Samy Wiltschek von der Kulturbuchhandlung Jastram in Ulm
„Ich weiß es nicht. Einerseits hat er nichts von seiner Faszination verloren. Andererseits wandelt sich unsere Branche so sehr, sodass gerade der Beruf der Buchhändlerin besonders vom Wandel betroffen ist. Sicher ist, dass heute noch viel mehr dazu gehört als Mitte der 70er Jahre. Als junger Mensch hätte ich aber vielleicht auch ganz viele Ideen, wie ich diesen Beruf neu füllen könnte. Insofern: Ich weiß es wirklich nicht!“ – Susanne Martin von der Schiller Buchhandlung in Stuttgart/Vaihingen
„Jein – den Beruf selber finden wir immer noch klasse, zumindest in einem kleinen Laden mit selbstständiger Form der Arbeit (alle können alles machen), die Rahmenbedingungen gerade auch in Kleinstädten werden allerdings immer schwieriger.“ Sabine und Ute Gartmann von der Buchhandlung die schatuelle, Osterholz-Scharmbek – diesen Beitrag könnt Ihr ab 4. Februar hier in Gänze nachlesen
„Im Nachhinein stellt sich für mich vielmehr die generelle Frage, ob es nicht auch eine ökonomisch aussichtsreichere Alternative zu Geisteswissenschaft und Kulturbetrieb gegeben hätte. Andererseits ist man eben einfach durch seine Neigungen und Interessen bestimmt; wenn man ihnen grundlegend zuwiderhandelt, muss man sich dreißig und mehr Jahre in Zusammenhängen bewegen, die nicht die eigenen sind. Insofern: Ja, ich würde wahrscheinlich wieder einen ähnlichen Weg gehen.“ – Stefanie Diez von der Buchhandlung Die Insel im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg
Lediglich sieben der Befragten würden als Berufsanfänger heute andere Weichen stellen. Sie beantworteten die Frage, ob sie sich abermals für eine Laufbahn als Buchhändler entscheiden würden, mit „nein“.
„Nein. Und schon gar nicht, wenn es für mehr als einen selbst reichen muss (finanziell).“- Maria Glusgold-Drews vom Buchladen MaschaKascha – Schöne Bücher in Hannover
„Wahrscheinlich nicht, weil die Zukunftsaussichten nicht wirklich rosig sind. Wie es mit dem Buchhandel in zehn oder zwanzig Jahren aussehen wird, weiß niemand. Aber einfacher wird es nicht für die kleinen unabhängigen Buchhandlungen. Man braucht heute noch mehr Idealismus um diesen Beruf zu erlernen, als ich damals vor zehn Jahren.“ – Simone Dalbert von der der Buchhandlung Schöningh in Würzburg
„Nein, weil ich schon mittelfristig keine Perspektive für das Berufsbild sehe. Zu einschneidend sind die Veränderungen und Verwerfungen in der Branche.“ – Thomas Calliebe von der Buchhandlung Calliebe in Groß-Gerau
„Nein. Leider ist meiner Meinung nach die Zeit des Einzelhandels insgesamt vorbei. Das große Geschäft macht heute schon fast allein Amazon.“ – Lutz Heimhalt von der gleichnamigen Buchhandlung in Hamburg. Sein Beitrag ist hier in Gänze ab 18. Februar zu lesen
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Eine Übersicht, wer bislang Rede und Antwort stand, findet sich hier und zu allen empfohlenen Buchhandlungen geht es hier. Zum „Best of: Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen“ gelangt Ihr hier
Pingback: (Die Sonntagsleserin) KW #05 – Januar/Februar 2014 | Bücherphilosophin.
ich muss das auch mit „nein“ beantworten… obwohl ich wohl nur einen idealismus gegen einen anderen ausgetauscht habe – vom bücherliebhaber zum schreiber.
http://rocknroulette.wordpress.com/2013/05/09/buchhandel-ade-oder-auser-dienst/
Ich weiß, es ist eine Menge Arbeit für dich, aber was ist aus der Idee geworden, Kleinverlage zu befragen?
Der Gewinn für den Leser wäre sicherlich größer, als wenn die xte Buchhandlung vorgestellt wird, welche ohnehin zu weit entfernt ist, um sie zu besuchen.
ich mag buchhändler und lese gern von ihnen… gerade weil ich nicht mehr unter ihnen weile. aber kleinverlage fänd ich auch mal spannend. sehr sogar! ich schließe mich also der frage an.
Wenn ich Vorschläge für einen Anfang machen darf:
Drachenmond Verlag
Tally Ho! Verlag
Goldfinch Verlag
Ja, Kleinverlage wären ein äußerst Interessantes Gebiet! Und nachdem das Antwortpotential der BuchhändlerInnen zur Neige geht…
Wolfgang
Seid gewiss, das Vorhaben hier auch Verlegergespräche anzugehen, ist nicht auf Eis gelegt. Aber 1) Eines nach dem anderen 2) gut Ding braucht Weile und last but not the least – 3) ich bin vor sechs Monaten auf den Hund gekommen. Was wiederum heißt: Meine freie Zeit gehört in erster Linie #LottaFilipa!