Es heißt ja, dass die Kleineren unter den Verlagen zwar oho, aber viel zu wenig bekannt sind. Wer und wo sind sie? Wie behält man die immer größer werdende Kleinverlegerszene im Blick? Was treibt junge Verleger an und um? Welche Strategien verfolgen sie, um auf dem Buchmarkt Fuß zu fassen? Was packen sie anders an als die Etablierten? Wie definieren sie ihre Zielgruppe, wo finden sie ihre Nische? Welche Risiken sehen sie und wo verorten sie ihre Chancen?
Fragen, die in einer losen Gesprächsreihe mit Verlegern und Verlegerinnen aufgegriffen werden. Heute steht Uschi Zietsch vom Fabylon-Verlag Rede und Antwort. Vorgeschlagen hatte das Joachim Körber von der Edition Phantasia.
Eine Skizze vom Verlag …
Fabylon wurde 1987 von mir, Uschi Zietsch, und Gerald Jambor in München gegründet und ist seit über 10 Jahren im bayerischen Unterallgäu beheimatet. Wir haben uns hauptsächlich dem phantastischen Genre mit Fantasy, Science Fiction und allen Facetten dazwischen verschrieben, seit neuestem sind auch noch Hörbücher und Kinderbücher dazu gekommen, wobei hier die Titelanzahl, dezent gesagt, noch gut überschaubar ist. Lieferbar sind derzeit analog und digital um die 80 Titel. (Ich habe ehrlich gesagt nicht nachgezählt).
Ihre persönlichen Highlights im Bücherjahr?

Verlegerehepaar auf der Leipziger Buchmesse 2014 © Fabylon Verlag
2015 freuen wir uns sehr auf die Premiere unseres zweiten Hörbuches auf der Messe in Leipzig im März, eine weitere Geschichte der „Chroniken von Waldsee“: Nauraka – Volk der Tiefe. Der Start unseres ersten Hörbuches im vergangenen Jahr, die ungekürzte Vertonung der Waldsee-Trilogie, war fulminant – bereits in den ersten 14 Tagen über 500 Downloads – und ging danach erst so richtig auf die Überholspur.
Im zweiten Halbjahr freue ich mich auf die nächsten Sherlock Holmes- und Steampunk-Titel, die allesamt sehr vielversprechend und recht originell in der Idee sind. Vor allem „Sherlock Holmes und der Höllenbischof“, so viel kann ich schon verraten, denn Barbara Büchner hat bereits in ihrem Vorgängerband einen Bösen erschaffen, der hier nun voll zum Zuge kommt, und den man so beschreiben kann: vergesst Moriarty!
Im September, und das ist mir eine Herzensangelegenheit, erscheinen zudem zwei Bände meines viel zu früh verstorbenen besten Freundes Ernst Vlcek, der jahrzehntelang hauptsächlich für Perry Rhodan gewirkt hat, aber auch in anderen schriftstellerischen Gefilden unterwegs war. Wir bringen seinen Erstling „Der Kosmische Vagabund“ in behutsamer Überarbeitung heraus, sowie die Storysammlung „Gib mir Menschen“ mit schlichtweg großartigen und ungewöhnlichen Kurzgeschichten und Novellen.
Warum musste es unbedingt ein Verlag sein?
Die Liebe zu Büchern wurde mir in die Wiege gelegt und von meinem Vater gründlich weiterentwickelt. Zum einen bin ich selbst Schriftstellerin und schon von daher gesehen Buchliebhaberin, zum anderen hatte auch mein Mann, der niemals ohne Bücher leben könnte, den Traum, Bücher zu produzieren, wie wir sie uns vorstellen, inhaltlich und gestalterisch. Der Anstoß kam damals nach meiner Erstveröffentlichung, denn durch Programmkürzung hätte es so schnell keine weitere Publikation gegeben, aber ich wollte nicht gleich wieder in der Versenkung verschwinden. Einen reinen Selbstverlag wollten wir aber auch nicht, sondern haben ein halbes Jahr lang intensiv darüber nachgedacht, was genau wir machen wollten und wie wir uns die Umsetzung vorstellten. Und das haben wir nie bereut oder je darüber nachgedacht, ein anderes Unternehmen zu starten.
Wir freuen uns heute noch wie beim ersten Mal, wenn die jeweilige Neuerscheinung bei uns eintrifft, der Karton wird aufgerissen, jeder schnappt sich ein Exemplar, schlägt das Buch auf und schnuppert hinein. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ebooks sind da leider weniger aufregend, weil man nichts Haptisches in der Hand hat und es sowieso auf jedem Reader anders aussieht, man kann nicht damit herumlaufen und es strahlend mit den Worten „mein Schaaaaaaatsssss“ herzeigen. Aber auch hier freuen wir uns natürlich, wenn der digitale Markt an unseren schönen Geschichten teil hat und fleißig den Download-Knopf drückt. Am schönsten ist es natürlich, wenn wir Feedback in Form von Mails oder persönlichen Kontakten bekommen, vor allem wenn es vorher eher „Nicht-Leser“, sei es dieses Genres oder allgemein, waren, die wir sozusagen „bekehrt“ haben. Dann haben wir die Bestätigung, warum ein Verlag und nichts anderes.
Woher beziehen Sie trotz sattsam bekannter Schwierigkeiten Ihr Engagement?
Aus den oben genannten Gründen – Bücherlesen ist wichtig zur Erweiterung des Horizonts, aber auch der Empathie. Es gibt so viele wunderbare Geschichten, die erzählt sein wollen, und alle sollen sie erfahren. Die Menschen haben schon immer gern Geschichten gehört, in der Frühzeit am Feuer, und heute in verschiedenen Medien, in denen das Buch immer noch eine wichtige Rolle spielt. Dazu wollen wir beitragen.
Und was heißt schon Schwierigkeiten? Widerstand und Rückschläge hat man doch in jedem Metier. Jammern und klagen sollen andere. Man tut es, oder man tut es nicht, ohne „ja, aber …“
Na gut, bei einem Verlag ist man schon mit einer gewissen Portion Masochismus gesegnet. Wenn wir schnell (oder überhaupt) reich werden wollten, würden wir Aktien-, Drogen- oder Waffenhändler.
Was hat sich infolge der Digitalisierung in Ihrer Arbeits-/Vorgehensweise verändert?
Es ist vieles erheblich kostengünstiger geworden, und es geht alles sehr viel einfacher, schneller und effizienter in der Produktion. Satz und Umschlag dauern keine Tage mehr, die Cover können umgehend geändert werden, man hat von Anfang bis Ende alles in der Hand und tauscht sich per Mausklick innerhalb weniger Stunden aus. Und die Druckereien sind ebenfalls erheblich günstiger geworden – vor allem, weil nun auch in Kleinstauflagen bzw. Print on Demand gedruckt werden kann, sogar Hardcover mit Farbillustrationen an gewünschter Stelle, ohne dass die Kosten explodieren oder der Buchpreis so hoch angesetzt werden muss, dass sich kein Käufer mehr dafür finden kann. Man kann jetzt sehr exakt kalkulieren, und sollte man sich in positivem Sinne mit der Auflage vertan haben, nämlich dass der Absatz sehr viel höher als erwartet ist, ist sehr schnell nachgedruckt und ausgeliefert. Das Risiko für Verlust und platzende Lagerbestände ist um ein Vielfaches gesunken.
Was machen Sie anders als die anderen? – Wie positionieren Sie sich gegenüber der Konkurrenz?
Ich betrachte die Kleinverlage in unserem Genre nicht als Konkurrenz. Wir arbeiten zusammen, organisieren sogar gemeinsam Werbung oder Messestände, auch Lesungen, geben uns gegenseitig Tipps und vieles mehr. Ja, wir weinen uns auch manchmal beim anderen aus, das gehört ebenfalls dazu.
Jeder Verlag unseres Genres hat sein eigenes, spezielles Programm, der eine macht mehr Science Fiction, der andere mehr Fantasy Romance, der dritte hauptsächlich Übersetzungen … es gibt natürlich Überschneidungen, aber im Grunde hat jeder seine Linie und sein Zielpublikum. Und was die Überschneidungen betrifft, so nimmt keiner dem anderen etwas weg, weil genau diese Leser, denen das gefällt, die Vielfalt schätzen, davon profitieren alle Verlage. Diejenigen Leser, die sich ausschließlich auf eine Richtung „spezialisiert“ haben, würden wir nicht dazu gewinnen, indem es einen Verlag dieser Richtung weniger gäbe. Denn wir tanzen nicht auf allen Hochzeiten, auch wenn unser Programm breit gefächert ist. – Gerade im Bereich des Phantastischen erschafft man sich mit der Zeit aber auch einen „Lesezirkel“ mit treuen Kunden als Basis. Der „harte Kern“ kennt sich auch persönlich, manchmal über Jahre hinweg.
Wir gehen raus auf Messen, Conventions und Veranstaltungen, um direkt mit unseren (künftigen) Lesern zu kommunizieren und ihnen unser Programm zu präsentieren. Dabei hören wir auch sehr genau zu, was gern gelesen wird. Mit den Jahren hat man viele „Bekannte“ und lernt auch immer wieder neue Fans, Nerds und Geeks kennen.
Was wir anders machen als die anderen, weiß ich nicht, darauf achte ich nicht. Wir verfolgen wie seit Anbeginn unsere Strategie, vorwiegend Newcomer ins Rampenlicht zu bringen und darüber hinaus Titel auch von bekannten Autoren zu produzieren, an denen uns sehr viel liegt und von denen wir überzeugt sind. Wir beobachten den Markt und gehen Kompromisse ein bzw. nehmen Anpassungen an unsere Strategie vor, um unsere Ziele so gut wie möglich zu erreichen. Wir wollen es natürlich nicht allen recht machen, aber auch nicht am Markt vorbei produzieren. Wir wollen nicht nur die Leser zufriedenstellen, sondern auch unsere Autoren.
So Sie Ihren Verlag neu aufstellen könnten, was würden Sie heute anders angehen als in der Startphase?
Sie meinen abgesehen davon, dass eine gute Erbschaft gerade recht käme? Nichts. Man muss alles ausprobieren, um festzustellen, was funktioniert. Unser einziger Fehler am Anfang war vielleicht eine zu hohe Auflage, andererseits konnten wir dadurch den Verkaufspreis so kalkulieren, dass er kaum über den Großverlagen lag, und erreichten dadurch zufriedenstellende Umsätze. Damals waren Klein(st)auflagen zudem noch nicht möglich, der Filmsatz war noch relativ jung, der Buchdruck immerhin schon Bogenoffset. Ansonsten haben wir uns vor der Gründung ausführliche Gedanken gemacht, haben uns professionell beraten lassen, und unsere bis dahin gesammelte Berufserfahrung im Vertrieb und Marketing war ebenfalls nützlich. Sicherlich würden wir Kleinigkeiten anders machen, aber im Großen und Ganzen würden wir unter denselben Voraussetzungen noch einmal so starten.
Wie gewinnen Sie Autoren?
Da wir hauptsächlich Newcomer, die wir für talentiert halten, publizieren, kommen die Autoren zumeist auf uns zu. Aber auch „gestandene“ Autoren kommen gern zu uns. Außerdem haben wir in unserem Programm einige spezielle Reihen von unserer Herausgeberin Alisha Bionda, die sich ausgezeichnet in der Branche auskennt und ein hervorragendes Gespür für Talente sowie beste Kontakte hat.
Wie organisieren Sie Ihren Vertrieb?
Wir vertreiben die Printbücher über das Barsortiment und die Ebooks über einen Vertriebsdienst. Direktbestellungen von Buchhändlern nehmen wir natürlich auch an, wenn sie nicht über Barsortiment ordern möchten. Und dazu haben wir noch einen eigenen Online-Shop für die Endkunden sowie den Direktverkauf auf Veranstaltungen.
Was tun Sie, um im Buchhandel Fuß zu fassen? – Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Sortiment?
Augenblick, jetzt muss ich erst mal lachen. Entschuldigung …
Gut, ich habe wieder Luft geschnappt.
Räusper. Ähem. – Zur ersten Teilfrage kurz und bündig: Nichts. Nichts mehr.
Zur zweiten Teilfrage: Unsere Erfahrung hat uns zu Punkt 1 gebracht. Das dauert jetzt ein bisschen länger.
Als wir gestartet sind, waren wir beide uns darüber im Klaren, dass wir nicht persönlich alle Buchhandlungen abklappern können. Damals war Deutschland zwar noch ein ganzes Stück kleiner, aber trotzdem zu groß für zwei Personen, die zudem noch einen Brotverdienst hatten, denn dass der Verlag uns nicht sofort ernähren kann, insofern wir nicht ein wahnsinniges Glück mit einem riesigen Bestseller hätten, lag klar auf der Hand. Wir wollten ja kein finanzielles Desaster erleben, sondern Schritt für Schritt etwas aufbauen, das Bestand haben sollte, und mit unseren Brotjobs Verluste auffangen.
Deshalb haben wir uns damals einen Vertrieb gesucht, und just zu der Zeit gab es einen jungen Vertrieb, der sich auf Kleinverlage spezialisiert hatte. Er beschäftigte Vertreter, die ganz Deutschland bedienten, sorgte für Prospektverteilung und dergleichen mehr. Damit sollten wir in die Buchhandlungen hineinkommen. Der Vertrieb war sehr engagiert, die Vertreter leider nicht so sehr, und der Buchhandel hatte überhaupt keine Lust. Kleinverlage waren damals Ende der 80er zudem noch etwas sehr Anrüchiges.
Hierzu unternahm mein Mann einst einen Test, ging in München in eine große, heute nicht mehr existierende Buchhandlung, und bestellte ein Buch unseres Verlages. Er bekam zunächst von verschiedenen Verkäufern (den Begriff „Buchhändler“ möchte ich hier ausdrücklich nicht verwenden) die Auskunft: „haben wir nicht – gibt es nicht – das ist doch ein *hüstelnd, naserümpf* Selbstverlag“. Der Herr Verleger Incognito ließ aber nicht locker und erhielt dann – immerhin! – vom Abteilungsleiter doch noch zur Antwort: „Ja, das kann ich bestellen, aber es dauert mindestens vierzehn Tage, bis so ein Verlag liefert.“ Dazu der „wollen Sie sich das wirklich antun?“- Blick.
Tja, was soll ich sagen? Exakt nach vierzehn Tagen traf die Bestellkarte bei uns ein! Aber sagen wir auch hier: immerhin! Andere weigerten und weigern sich ja heute noch strikt, zu bestellen. Manche mit Begründung wie „ach, den Verlag/das Buch gibt es ja schon lange nicht mehr“, oder: „nein, das machen wir grundsätzlich nicht.“ Und dabei waren wir seit Anbeginn bei den Barsortimentern vertreten!
Jedenfalls, nach einem oder zwei Jahren gab der Vertrieb auf, schmiss zuerst alle Vertreter und dann uns Kleinverlage raus. (Und ging ein weiteres Jahr später mit seinem eigenen Verlag pleite, doch das ist eine andere Geschichte.) Aber immerhin hatten wir in der Zeit fleißig Adressen gesammelt und schon einen kleinen Kreis um uns geschart. Außerdem haben wir es mit Massensendungen mit gekauften Adressen versucht – was man eben alles so unternimmt. Damit kamen wir so ganz gut durch, aber immer noch nicht in die Buchhandlungen rein.
Das Ergebnis war und ist: „Wir haben sooooooooooooooooo viiiiiiiiiiiiele Bücher, und Ihre können wir doch gar nicht los werden, wie sollen wir sie denn überhaupt anpreisen?“ Da ist schon was Wahres dran. Ich weiß, bei gut 10.000 Neuerscheinungen im Jahr ist nur wenig Platz vorhanden, ich habe Verständnis dafür, ebenso, dass auch ein Buchhändler ein Wirtschaftsunternehmen ist und deshalb auf umsatzträchtige Bestseller setzt.
Aber wenigstens bestellen könnten Buchhandlungen auf Kundennachfrage, sich zuvorkommend geben, und nicht abwimmeln! – Wobei ich zugeben muss, das passiert ja auch Großverlagen. Also dieser „Service am Kunden“ mit Auszeichnung „höchst mangelhaft“.
Ganz aktuell zu Weihnachten 2014 hat eine Bekannte von mir ihrem Ehemann eine Bücherliste gegeben mit Titeln, die sie sich zu Weihnachten wünschte. Er ging also frohgemut in die Buchhandlung. Nicht einer der Titel war da (wie gesagt, es waren keine Kleinverlagstitel und keine unbekannten Autoren), woraufhin die verkaufstüchtige Gemischtwarensonstwasbrühwursthändlerin dem verwirrten Ehemann („das ist doch hier eine Buchhandlung?!“) Bücher eines ganz anderen Genres von einer Stapeltisch-Autorin aufdrängte und ihn mit einer Tüte voll davon fortschickte. Zum Verständnis der kompetenten Fachkenntnis der Wasauchimmerverkäuferin nehmen wir folgendes Beispiel, das hierzu fiktiv ist, aber passt: Jemand wollte Henning Mankell und hat dafür Rosamunde Pilcher bekommen. (Aber dafür wahrscheinlich im Sonderangebot.)
Wir bekommen manchmal euphorische Meldungen unserer Autoren, was die Buchhandlung XYZ alles für die dort geplante Lesung tun will, vor allem die Bücher im Schaufenster auslegen, und Werbung, undund. Ich spiele nicht den Miesepeter, denn das Engagement der Autoren ist großartig, doch ich könnte voraussagen, wie es in mindestens 70% der Fälle ausgeht: Die Bücher liegen nicht aus, werden erst wenige Tage vor der Lesung natürlich bei uns, nicht im Barsortiment (wegen Remission und höherer Rabatte) bestellt, dass ich express liefern muss, und schon tags nach der Lesung geht der verbliebene Rest wieder an den Verlag zurück, ohne das Buch auch nur eine Sekunde auf irgendeinem Büchertisch präsentiert oder jemals angepriesen zu haben. Das ist natürlich nicht immer so, aber leider immer noch zu oft. Gerade weil hier ja der Bezug zu Autor und Lesung da ist, könnte man doch vorher und nachher ein bisschen mehr Anpreisung versuchen? Das Remissionsrecht geben wir ja deshalb für ein Jahr.
Wenn man seine Bücher unbedingt auf einem Büchertisch haben möchte, muss man selbigen kaufen. Oder pachten. Oder leasen. Wie immer Sie das nennen möchten, und bestimmt lautet der empörte Aufschrei der Fachleser dieser Zeilen „stimmt doch gar nicht!“ Stimmt aber doch. Viele, vor allem große und Ketten-Buchhandlungen lassen sich dafür bezahlen, dass sie die Titel schön augenfällig präsentieren. Und remittieren dann trotzdem; ein Thema, das ich als bei Großverlagen publizierende Autorin sattsam kenne.
Deshalb unternehmen wir nichts mehr in Bezug auf Buchhandlungen. Zumindest, was den allgemeinen Vertrieb betrifft. Es sind selbstverständlich nicht alle so, ein bisschen polemisch war ich jetzt schon. Es gibt noch eine Reihe kleiner Buchhandlungen, hauptsächlich in den Ostbundesländern, die sehr engagiert sind. Diese unterstützen wir gern mit Werbematerial und Sonderkonditionen. Nur leider finden gerade diese oft, bedingt durch die Lage in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit, wiederum nicht genug Kunden, die ihnen den ausreichenden Umsatz bescheren, sodass wir auch hier keine Win/Win-Situation erreichen können …
Wie halten Sie es mit Amazon?
Vorausgeschickt: Amazon ist garantiert nicht der gemeinste und schlechteste Arbeitgeber aller Zeiten. Ich habe persönlich schon ganz andere Verhältnisse erlebt. Sicher ist das trotzdem nicht gutzuheißen, aber Ausbeutung gibt es in nahezu allen Branchen, vor allem bei den Großfirmen. Sollte ich die alle boykottieren, müsste ich auf sehr vieles verzichten.
Amazon ist auch für uns bestimmt kein freundschaftlicher Geschäftspartner, und es gibt da einige vertragliche Bindungen, die keineswegs vorbildhaft gesetzeskonform sind. Gerade audible setzt da durch die fehlende Preisbindung bei Hörbüchern ganz harte Bandagen an. Dennoch werden wir nicht darauf verzichten, solange der Umsatz stimmt und diese Einschränkungen tragbar sind.
Amazon wird für uns vom Barsortiment im Printbereich bedient, und bei den Ebooks von unserem Dienstleister. Im Printbereich hält Amazon dabei kaum einen Anteil, da sind es vielleicht 20% gegenüber dem Buchhandel insgesamt, bei unseren Ebooks ist der Anteil erheblich höher, wobei er sich von anfänglich 80-90% inzwischen auf 50-60% Anteil gegenüber den Online-Shops insgesamt eingependelt hat. Das ist immer noch ordentlich und beschert uns bis dato gute und pünktliche Abrechnungen.
Es ist eine einfache Sache für den Kunden, zu denen übrigens auch ich gehöre, bei Amazon einzukaufen, und es wäre wirtschaftlich unvertretbar, wenn wir hier irgendwelche moralische Ansätze höher halten würden. Natürlich beliefern wir nicht zu jedem Preis, aber wir versuchen auch hier, den besten Kompromiss herauszufiltern und werden diese Linie verfolgen, solange sie funktioniert.
Was tun Sie für Ihr Marketing?
Wie bereits weiter oben schon ausgeführt, schalten wir Anzeigen für Buchhändler (damit sie nicht sagen können, das Buch hätten sie noch nie gesehen *grins*) und Endkunden. Verteilen über Großverteiler Prospekte, betreiben einen Youtube-Kanal, sind auf Facebook, Google+ und mit eigenen Blogs online vertreten, wir versenden Neuerscheinungen für Rezensionen und gehen persönlich in die Öffentlichkeit auf Veranstaltungen (siehe Foto der Verleger) und zeigen uns dem Publikum. Außerdem wird regelmäßig Pressearbeit betrieben, und natürlich geben wir gern Interviews wie zum Beispiel Ihnen. 😉
Wie halten Sie es mit dem Börsenverein für den deutschen Buchhandel?
Mit der Verlagsgründung wurden wir Mitglied, sind dann aber nach einigen Jahren ausgetreten, nachdem wir festgestellt hatten, dass es uns für den vergleichsweise hohen Beitrag nichts bringt. Wir können ja trotzdem einige Leistungen wie das VLB auch weiterhin in Anspruch nehmen, müssen lediglich mehr dafür bezahlen als Mitglieder, aber damit kommen wir wirtschaftlich besser zurecht.
Für wen machen Sie Bücher: Wie definieren Sie Ihre Zielgruppe, wo sehen Sie Ihre spezielle Marktnische?
Wir haben ein breit gefächertes Programm, da ist für jeden in jedem Alter etwas dabei. Sherlock Holmes, Steampunk, Erotik, Literarisches, Episches oder Urban Fantasy, Science Fiction. Unsere Markt“nische“ besteht in der Hartnäckigkeit, unbekannten Talenten eine Chance zu geben, aber wir sind nicht ausschließlich darauf festgelegt.
Wo sehen Sie für Ihren Verlag die größten Chancen?
Wäre schön, wenn ich unseren nächsten und übernächsten Bestseller vorhersagen könnte! Aber das Spannende dieser Branche ist, dass man es nie genau wissen kann, ob ein Titel einschlägt oder nicht. In jedem unserer Bereiche gibt es gut gehende und nicht so gut gehende Titel, manches als Print, anderes als Ebook. Fantasy, Urban Fantasy und Vampire laufen als Ebook sehr gut, Sherlock Holmes und Steampunk besser im Print, bei den anderen hält es sich ziemlich die Waage. Wir sind nach allen Richtungen offen und flexibel.
Welche besonderen Risiken verorten Sie für Ihren Verlag?

das Logo © Fabylon Verlag
Wie sie bei jedem Unternehmen bestehen: Der künftige Markt hat womöglich im großen Jahr des Börsencrashs oder toller neuer Medien kein Interesse oder kein Geld mehr, sich mit unseren Publikationen zu befassen. Aber bedingt durch die gesunkenen Produktionskosten und indem wir die Nebenkosten möglichst gering halten und so viel wie möglich selbst machen, können wir auch schlechtere Zeiten überstehen und uns wieder hochrappeln. Wir können sofort von heute auf morgen das Programm herunter- oder wieder hinauffahren. Bei allem Enthusiasmus und Engagement schießen wir nach 28 Jahren nicht über die Grenzen unserer Möglichkeiten hinaus, sondern halten das Risiko möglichst so, einen Verlust so zu verkraften, dass weder Verlag noch wir daran zugrunde gehen.
Was schätzen Sie an der Independent-Szene besonders?
Dass so viel Engagement besteht, auch Enthusiasmus und Freude an dem, was man tut, und der Mut, etwas zu riskieren (ob nun inhaltlich mit einem „brisanten Titel“ oder finanziell). Es wird ja gerade nach dem Außergewöhnlichen, Originellen gesucht, und man steht hinter dem, was man publiziert. Damit wird die Vielfalt erhalten und der Einheitsbrei des Mainstream durchbrochen. Die Einstellung zum eigenen Unternehmen an sich ist auch ganz anders, da geht es nicht um Dienst nach Vorschrift und die pünktlichen Renteneinzahlungen. Es geht noch um die Kunst „Buch“ und nicht um Zahlen auf der Buchhaltungsliste. Und natürlich sind die Entscheidungswege kurz, es gibt keinen riesigen Verwaltungsapparat, der nur schwer in die Gänge kommt.
Was würden Sie jenen raten, die mit dem Gedanken spielen, einen Verlag an den Start zu bringen?
Auch hier wie bei jedem Unternehmen: Eine klare Linie, eine Strategie, das Ziel, was man überhaupt machen will, und natürlich die Kalkulation. Professionalität durch das Erscheinungsbild, die Auswahl der Texte und das Lektorat. Professionalität durch Information im Vorfeld und genügend Startkapital, um die ersten schwierigen Jahre durchzustehen. Man muss schon genau wissen, was man will, wie lange man Verluste finanziell tragen kann, und vor allem muss man sich darüber im klaren sein, dass der Tag dann nicht aus 8 Stunden besteht, sondern aus 12 Stunden und mehr. Auf den Lorbeeren ausruhen kann man sich in der Rente, vorher jedoch ist es ein zwar schöner, aber sehr anstrengender und nicht selten frustrierender Job, in dem man an allen Fronten kämpfen muss – Buchhaltung, Finanzen, Steuern, Gesetze, Verträge, Herstellung und Produktion, Vertrieb, Marketing, Künstler, und so weiter. Der finanzielle Dank ist oft nur sehr klein.
Wenn etwas schiefgehen kann, wird es auch schiefgehen, es ist eine ständige Gratwanderung. Man muss ständig auf alles gefasst sein. Und man muss flexibel sein, wenn die eine Sache nicht funktioniert, es auf anderem Wege zu versuchen.
Welche kleinen, unabhängigen Verlage empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?
Ich glaube, die meisten wurden sowieso schon genannt, vor allem von Joachim Körber der Edition Phantasia, der netterweise mich in seinem Beitrag hier erwähnt hat (danke, Joachim!). Hat vielleicht schon mal jemand den Atlantis-Verlag von Guido Latz erwähnt? Der ist ja nun auch schon eine Weile überaus aktiv und kann interessante Antworten aus jahrelanger Erfahrung geben.
Ja, der Verlag wurde mir für ein Gespräch bereits empfohlen, aber leider hat der Verleger für so viele Fragen keine Zeit übrig.
Empfehlen würde ich sowieso alle Kolleginnen und Kollegen, denn jeder auf seine Weise ist sehr engagiert und hat seine eigene Strategie. Es gibt so viele – und das ist gut so!
Herzlichen Dank für diesen Einblick!
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Ich würde mich freuen, wenn Ihr das Vorhaben unterstützt, kleinere Verlage zu entdecken. Etwa indem Ihr Vorschläge macht, wer hier möglichst Rede und Antwort stehen sollte. Und bitte vergesst nicht auf die entsprechenden Verlage zu verlinken. – Danke sehr! Mehr zur Intention der losen Gesprächsreihe mit Verlegerinnen und Verlegern erfahrt Ihr hier. Zu einer Übersicht über die Empfehlungen, die bislang zusammengekommen sind, geht es hier
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