Wie stehen buchaffine Blogger zu Publikationen von Selbstverlegern? Da ich das etwas genauer wissen wollte, habe ich bei einigen nachgefragt, wie sie damit verfahren würden, wenn ihnen Self Publisher Titel zur Rezension anbieten. Die 15 Statements der Bloggerinnen und Blogger, die man hier nachlesen kann, wurden kontrovers diskutiert.
Mit Richard K. Breuer, Petra van Cronenburg, Peter J. Kraus, Matthias Matting, Michael Meisheit u.a. brachten sich auch Autoren und Verleger in die Diskussion ein, die unabhängige Wege gehen. Breuer, van Cronenburg, Kraus und Matting bereits seit längerem, Meisheit debütiert in diesen Tagen als Indie-Autor.
Ob Hybrid- oder Indie-Autor – die Kommentare setzen sich differenziert und selbstbewusst mit Vorbehalten gegen Self Publishing auseinander. Grund genug, wie ich meine, die Beiträge in Auszügen als eigenständigen Blogpost zu veröffentlichen.
Ansonsten sei gesagt, dass ich ebenfalls eine gewisse Voreingenommenheit habe, wenn mir jemand “sein Buch” unter die Nase hält (wobei ich jetzt anmerken sollte, dass mich Mainstream-Verlagsbücher so gut wie gar nicht mehr interessieren), aber gleichzeitig gilt festzuhalten, dass es der Traum eines aufgeklärten Bürgertums war, dass jeder Mann seine Gedanken frei von Zensur publizieren durfte. Die Flut an qualitativ mäßigen und zum Teil unkorrigierten “literarischen” Texten sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Selbstverlag auch einen gesellschaftspolitischen Aspekt erfüllt. Gerade in diesen Zeiten müssen wir das Recht auf freie Meinungsäußerung in Sprache und Schrift hochhalten und dürfen diese nicht als selbstverständlich erachten.
Heute [20.11.12] habe ich meinen ersten Roman bei Createspace als “Selfpublisher” hochgeladen. Und bin nach wie vor begeistert von meinen Erfahrungen in den letzten Tagen oder gar Wochen. Vielleicht ist mein Weg nicht der “normale” für einen Selbstverleger – ich habe viele Jahre Schreiberfahrungen als Drehbuchautor und auch eine ziemlich klar definierte Zielgruppe – aber mir kommt hier ein Aspekt doch deutlich zu kurz: Wenn man sich ewig in der Mühle von etablierten Monolithen befindet (in meinem Fall Sender …), ist es so befreiend und motivierend, sein Werk unabhängig, zügig und mit eigenem Risiko in die Welt zu setzen, dass mir die Frage, ob ein Verlag den Roman genommen hätte, fast albern vorkommt.
Immer wieder taucht in der Diskussion die Annahme auf, dass “Selbstverleger” Trauerklöße sind, die “keinen Verleger gefunden haben”. Dem möchte ich widersprechen.
Meine ersten drei (Sach)bücher wurden 1996-1998 bei Chr. Links, Berlin, verlegt. Mein erster Krimi, “Geier”, kam 2003 bei Knaur, München, heraus. Zwei Lernkrimis, “Verdacht in Hollywood” und “Kleinstadt in Angst” wurden von Tosa, Wien, verlegt”, meine weiteren Bücher, “Joint Adventure” und “Cattolini Erbt”, erschienen bei Conte, Saarbrücken.Ich war und bin mit allen Verlagen, mit denen ich die Ehre hatte, zufrieden. Links war großartig, bei Conte bleibe ich, weil wohlaufgehoben.
Und doch habe ich zwei Ebooks als Selbstverleger bei Kindle herausgebracht. Ein drittes folgt im Januar, Nummer vier und fünf sind für Sommer und Weihnachten 2013 geplant.
Warum? Weil beim fremdverlegten Buch mindestens eineinhalb Jahre, bis zu zwei Jahren vergehen, bis ich Geld sehe. Manuskript hin, Annahme/Vertrag dauerte nie länger als ein paar Wochen (ich lebe in den USA, was meist einen recht langen Postweg bedeutet), dann rollen die Verlagsräder, Vertreter geben ihren Senf, Lektoren lektorieren, Grafiker tun ihr Ding, Erscheinungstermin wird zwischen allen Beteiligten festgelegt, Kataloge gedruckt, Buch in den Laden, und dann warten alle, was sich tut. Abgerechnet wird gemeinhin im März des auf die Erscheinung folgenden Jahres – und jedes Jahr wiederholt sich die Abrechnung.
Wenn ich selbst für alles verantwortlich bin, schreibe ich wie immer – da ist kein Unterschied zwischen Verlag und SP – etwa drei bis vier Monate an den circa 300 Seiten. Korrektur, Lektorat, Cover, alles im Outsourcing. Sagen wir nochmal vier Wochen. Dann, fünf Monate nach Manuskriptbeginn, wird das Buch auf Kindle geladen und erscheint im Amazonangebot einen Tag später. Bezahlt wird jeweils zwei Monate nach Ende des Verkaufsmonats. Das heißt, ich kann acht Wochen nach dem Verkauf mein Verdientes ausgeben, habe dadurch einen sich monatlich wiederholenden Geldeingang, der mich in die Lage versetzt, nach Gusto über meine Zeit zu verfügen. Ich weiß täglich genau, was verkauft wurde, ich kann anhand von Lesermails und Amazon Rezensionen etwa absehen, was gefällt und was nicht und habe die Möglichkeit, mich danach zu richten — falls ich das will.
Ebook selbst verlegen, Papier dem Verlag überlassen: ich glaube, dass sich das für mich lohnt. Mal sehen, ob das auf Dauer zu machen ist. Wenn nicht, habe ich ja einen Verlag. Und wenn der nicht will, suche ich (und finde!) einen anderen.
Mir ist nur wichtig, festzustellen, dass Schablonen nicht immer zutreffen – jeder und jede hat andere Erfahrungen gemacht und daraus Konsequenzen gezogen. Wer Großverlage bevorzugt (und dazu gehörte ich nach einem Vierteljahrhundert im kalifornischen UKW-Rockradio als Programmgestalter/Moderator auch; geht halt nichts über major labels, wie man weiß), der schaut mit leichter Verachtung auf kleinere Verlage: wer bei einem kleinen Verlag gelandet ist, der sieht auf Selfpublishers herab. Der Selfpublisher hat nur Verachtung übrig für Menschen, die nur für die Schublade schreiben.
Meint man. Ist aber nicht so. Manche sicher, aber die meisten von uns haben gelernt, zu differenzieren. Sonst könnten wir keine Bücher schreiben, die allesamt vom Leben handeln.
Ich habe den Eindruck, dass viele, die nun wirklich vorurteilsbeladen Self Publishing von vornherein als Trash klassifizieren, sich einfach nicht wirklich auszukennen scheinen. Sonst hätte sich bereits herumgesprochen, wie viele “gestandene Verlagsautoren” inzwischen im Self Publishing sind, dass Literaturagenturen inzwischen für bestimmte Projekte sogar SP empfehlen, weil mehr dabei herumkommt oder der Kontakt zum Zielpublikum beim Autor enger ist.
Ja, klar, es gibt grausig schlecht gemachte Bücher, auch bei Verlagen. Aber ich habe in den letzten paar Monaten allein drei Self Publisher entdeckt, bei deren Talent ich mich frage, warum die noch kein Großverlag eingekauft hat. Die Antwort des größten Erzähltalents war verblüffend: Auf die Idee, sich groß zu bewerben, sei sie gar nicht erst gekommen – in der Zeit hätte sie ein ordentlich lektoriertes Buch herausgebracht. Solchen Leuten würde ich differenzierter denkende Rezensenten wünschen – die gehen allerdings auch nicht hausieren.
Was zu fehlen scheint, sind Feuilleton-Alternativen mit Durchschlagkraft, die wie im Ausland ein Buch nur nach seinen Inhalten und deren Qualität, nicht aber nach dessen Veröffentlichungsart beurteilen. Die New York Times geht da mit gutem Beispiel voran.
Ich denke, die Reaktion der Blogger liegt zum Teil auch an der Fragestellung. “Self-Publisher”, das klingt wie ganz allein selbstgemacht. Wenn mir meine Kinder etwas selbst machen, freue ich mich. Ansonsten möchte ich ganz einfach ein professionelles Produkt. Und das kann es nicht geben, wenn der Autor alles selbst gemacht hat (Cover, Layout, Lektorat usw.). Also bezeichne ich mich selbst dann nicht als Self-Publisher, wenn ich ein Buch verlagsunabhängig herausbringe. Ich denke, ein Blogger kann ein professionell gemachtes Buch von Selbstgebasteltem unterscheiden, oft sogar schon daran, WIE er angesprochen wird. Ich habe auch bisher wirklich keine Ablehnung von Bloggern erlebt.
Pingback: „Soap“. Eine Seifenoper – oder ein Lehrstück über Selfpublishing? | SteglitzMind
Leider bin ich zur Zeit zeitlich so gebunden, dass ich diese interessanten Posts erst jetzt gelesen habe! Es ist schon aufschlussreich, was da teilweise für Argumente ins Land geschickt werden …
Die Umbrüche in der Buch- und Verlagsbranche sind inzwischen für jeden sichtbar. Wir sind auf einem Weg, dessen Ende wir nicht kennen, und sicherlich wird nicht alles gut werden, was gut scheint. Aber dass selbst hier im Netz unter den Bloggern eine so grundsätzliche Abneigung (bei allem wohlwollenden Umschreiben ja doch durchscheinend) gegenüber „Selfpublishing“ herrscht, überrascht.
Das größte Problem ist in der Tat, dass „Selfpublishing“, so wie es derzeit definiert und möglich ist, dazu führt, dass jeder ohne Probleme alles ins Netz jagen und als „Buch“ definieren kann. Leider habe ich keine Lösung anzubieten, aber vielleicht sollte man – jenseits dieses „Dilemmas“ – auch die Ursachen bedenken, die mit dazu beigetragen haben (und sicher auch in Zukunft dazu beitragen werden), dass Autoren den direkten Weg der Publikation suchen.
Verlage, vor allem die großen, haben Schubladen (und müssen sie vielleicht auch haben, darüber möchte ich nicht urteilen), die sie bedienen möchten. Autoren wollen Geschichten erzählen, die vielleicht in diese Schubladen nicht hineinpassen. Für manche Dinge kann man einen Kompromiss finden, für andere nicht. Und einige Dinge tangieren so sehr das Eigentliche des Erzählens, dass es eben keine Übereinstimmung gibt.
Ich rede hier, bitteschön, nicht von experimenteller Literatur, die ein Nischenpublikum bedient, sondern durchaus von „gehobener“ Unterhaltung, die vielleicht „nur“ nicht ganz in der Schiene läuft, wie man es verlagsseits gern hätte. Man kann dann einen Kompromiss schließen (manche Autoren leben damit wunderbar, und es ist auch nichts dagegen zu sagen), oder man entscheidet sich, künftig einen eigenen Weg zu gehen. So habe ich es gemacht.
Finanzielle Überlegungen waren nicht die primäre Grundlage für diese Entscheidung. Ich hatte einen sehr lukrativen Verlagsvertrag, um den mich sicherlich so mancher andere Autor beneidet hätte. Die Auflagen waren gut, man wollte mehr … Nur hat das alles nicht zu dem gepasst, was ich unter Schreiben verstehe.
Nein, ich wollte NICHT, dass der Verlag mir den Titel vorschreibt. Und ich wollte NICHT, dass ein Mensch, der das Buch überhaupt nicht kennt, über das Cover entscheidet, und es kurzerhand dann während der Lebensdauer des Buches ein gutes Dutzend mal wechselt, weil man meinte, irgendwelche Sonder-Sonderausgaben herausbringen zu müssen.
Also: Selfpublishing. Ich habe das schon zu meinen „Verlagszeiten“ gemacht und nebenher via BoD veröffentlicht, aber ehrlicherweise muss ich sagen, dass BoD für mich inzwischen auch nicht mehr das Gelbe vom Ei ist, vor allem was die Umsetzung eines professionellen Layouts angeht. Auch wollte ich das nicht mehr als „Autor“ machen, sondern via Verlag. Also habe ich einen eigenen Verlag gegründet. Ich mache keinen Hehl daraus, dass das ein Selbstverlag ist, und natürlich ist es so, wie es hier auch schon geschrieben wurde: Man muss genau schauen, WAS man selbst leisten kann und wo man sich professionelle Hilfe holt. Nichts anderes tue ich auch. Aber zu sagen, jemand, der schreibt, könnte per se nicht lektorieren oder layouten oder ein Cover gestalten, das finde ich schon … seltsam.
Vor allem vor dem Hintergrund meiner Verlagserfahrung. Ich hatte für drei Romane ein gutes Dutzend Lektoren, die wechselten schneller, als ich schreiben konnte, und es war wirlich alles dabei, von der gestressten und wenig fachlich überzeugenden Außenlektorin bis hin zu einer wunderbaren Lektorin, von der ich so viel gelernt habe, dass ich davon heute noch profitiere. Leider war es aber auch so, dass ich schon im Verlag bei einem Roman das Lektorat praktisch selbst gemacht habe, weil die entsprechende Außenlektorin leider, wie gesagt, nur sehr bescheidene Kenntnisse hatte. Das war eine der schlimmsten Erfahrungen überhaupt, vor allem, weil ich vorher so gute Erfahrungen gemacht hatte.
Auch was das Layout angeht, bin ich immer wieder erstaunt, wie viele Verlage nicht einmal einfachste Gestaltungsregeln berücksichtigen, zum Beispiel die bekannten „Schusterjungs“ ignorieren.
Ich plädiere dafür, das Ergebnis zu bewerten, nicht den Weg dorthin. Und damit sind wir beim größten Problem überhaupt: Wie so oft in diesen Diskussionen kommt die Gruppe, um die es eigentlich geht, so gut wie nicht vor: DER LESER.
In der Verlagsbranche dreht sich gern alles um sich selbst, der Leser wird selten als Mittelpunkt gesehen, und ich glaube, dass genau das der Punkt ist, warum amazon so viel Erfolg hat und andernorts sich die Probleme häufen. Wie können Geschichten und Leser zueinander finden? Und vor allem: Wo?
Ich würde mich freuen, wenn sich die Buchbranche (auch als Gegengewicht zu amazon) endlich darauf besinnen würde, Möglichkeiten zu schaffen, das Leserinteresse in den Mittelpunkt zu stellen. Leser suchen gute Geschichten, und den meisten ist es herzlich egal, ob diese in einem großen, einem kleinen oder ohne Verlag publiziert werden. Das Thema muss passen, und die Qualität sollte stimmen, wobei das auch wieder relativ zu sehen ist, denn Mainstream hat ja auch eine bestimmte Qualität, wenn man deren Lesepublikum befragt. Es müsste also eine Plattform sein, die zum einen sicherstellt, dass formelle Mindeststandards eingehalten werden, zum anderen aber auch die Möglichkeit gibt, dass Leser „ihre“ Bücher finden. Wenn man dabei einen Kontrapunkt zu amazon setzen will, ist es nicht mit „Rechnen“ getan, sondern es wird erfordern, dass sich reale Menschen zu Buchempfehlern machen, und zwar zu objektiven. Also das tun, was die Mehrzahl der hier befragten Blogger tut und was ein guter Buchhändler tut: Seine Kunden kennenlernen und ihnen dann die passende Lektüre bieten. Das heißt aber, dass er unvoreingenommen sein muss und offen für alle Wege.
Ein Wer-kennt-Wen für Bücher … Ein Portal, in dem LESER und GESCHICHTEN(schreiber) zueinanderfinden … Mein Zukunftstraum!
Herzliche Grüße
Nikola
Autorin & Verlegerin 🙂
Ich hoffe das hier wird nicht als Werbespam missverstanden, aber so eine Plattform gibt’s bereits:
http://www.newsgrape.com
Per Eigendefinition wollen die Leser und Schreiber näher zusammenbringen; wenn etwas mal ein „Wer-kennt-wen für Bücher“ werden kann, dann am ehesten dieses Portal. Ich habe selber bisher etwas über über 50 Artikel/Erzählungen/Kurzgeschichten dort publiziert und daraus haben sich viele nette Kontakte zu anderen Schreibern ergeben.
lg
machiste
Ich finde das ehrlich gesagt ziemlich ulikig. Leute, die eigentlich für alles offen sein sollten lassen sich ihre Lektüre von Verlagen aussuchen. Wenn ich mir angucke, was die Verlage so alles auf uns losgelassen haben, qualitativ war das unterste Schublade. Lektorat Fehlanzeige, Design komplett auf Maketing ausgelegt, Cover eintöig langweilig. Ich denke, die Selfpublisher sollten genug Selbstbewusstsein haben, um auf diese Menschen verzichten zu können.
Wie man an diesem Beitrag gut sehen kann, halten sich die Kommentare in Grenzen, wenn es um die Sichtweise von Autorenverleger geht. Auf den Punkt gebracht: Lit-Blogger (bzw. das Feuilleton) brauchen keine Autorenverleger (es sei denn, für Skandal-, Hype- und Bashing-Storys), aber Autorenverleger (bzw. jeder noch nicht verbestsellerte“ Verlagsautor) brauchen Lit-Blogger wie einen Bissen Brot. Würde ich demnach bei dir einen Gastbeitrag fabulieren, seien wir ehrlich, würde das keinen Lit-Blogger hinterm Blog hervorholen – und die Idee sollte ja sein, eine ernsthafte Diskussion vom Zaun zu brechen und nicht die üblichen Klischees zu bedienen.