Noch nie wurde auf dieser Seite ein Kochbuch besprochen, doch dieses ist außergewöhnlich und voller Text, daher muss diese Ausnahme gemacht werden. Jürgen Dollase ist einer der, wenn nicht der, profilierteste Restaurantkritiker Deutschlands – quasi der Chef von 54restaurants – und reitet auf einem hohen Ross – as I do. Nur fehlt ihm mein Augenzwinkern.
Man muss also mit dem Ton des Jürgen D. umzugehen wissen, wenn er zum einen voraussetzt, dass der Leser jeden Tag kocht, ihm aber gleichzeitig als Hobbykoch fast jegliche Kompetenz abspricht; er betont, dass bitte stets nur die besten Produkte verwendet werden sollen, berichtet aber sogleich, dass die von ihm verwendeten zum Teil für Otto N. nicht zu bekommen sind. Die Frage muss also zwangläufig lauten, darf ein solcher Meister seines Fach überheblich sein oder täte ihm auch etwas Demut gut, zumal eben keine Spur von Ironie zu spüren ist.
Das [von mir gekochte] Essen scheckte gut, was ich auch – ehrlich gesagt – nicht anders erwartet hatte.
Zudem ist nicht immer ganz klar für welchen Leser Dollase schreibt. Ist es denn eine wichtige Information, dass er bei wenig Lust zu Kochen einfach mal ein Kilo Langustinen pro Person in den Topf wirft? Otto N. wird etwas beschämt an seinem Knopfloch nesteln und betreten zu Boden sehen, während ich die Menge verdoppel. Vor lauter Selbstverliebtheit geht ihm da auch mal durch, ob er nun beim 60. oder 65. Geburtstag Witzigmanns im Tantris das halbe Kalb gegessen hat – geschenkt. Die in der Vorrede sehr gelobten Bilder von Thomas Ruhl sind dafür nicht immer ganz gelungen.
Warum ich dieses Buch doch uneingeschränkt empfehlen kann? Nicht weil, das Cover aussieht als würde sich Neil Young ein Mahl kredenzen oder wir sehen können wie der Grinch in seiner Scheune grillt, sondern weil Dollase ausnahmslos weiß wovon er spricht. Die Einleitung zu jedem Kapitel sind neben allem Brimborium mit das Beste was man in der aktuellen Literatur über das Kochen auf höchstem Niveau lesen kann. Seine Überlegungen zu Aufbau und Struktur von einzelnen Gerichten bis hin zu Menüs sind höchstinteressant, die vorgestellten Rezepte voller Raffinesse und neben dem eigenen Anspruch frei von jedem Dogma. Dollase lässt alles, selbst ihm nicht zusagende Richtungen und Auswüchse des Kochens, als Einfluss gelten und vermittelt am Ende doch worauf es ankommt: die Lust am Kochen und die Freude an einem guten Produkt.
(Bei Dollase ist es wie bei Thomas Fischer, ein absoluter Mann vom Fach, der eigentlich der Welt nur etwas Gutes tun möchte und sein Wissen teilen, dass das leider nicht vom Pferd herunter funktioniert, müssen beide noch lernen. Also absteigen und Hand reichen.)