Nun, Herr Kollege, möchte ich Ihnen mit Respekt sagen, dass Sie im Großen und Ganzen einen versöhnlicheren Ton anschlagen, der doch ganz sicher der Sache, und das ist die Auseinandersetzung über die Art(-en) zu übersetzen, nutzt. Sie wissen doch ganz sicher, dass es im China der Song-Dynastie Usus unter den "literati" war, sich in Form von Brief-Gedichten auseinanderzusetzen. Ich werde Ihnen nun aber kein Gedicht schreiben, ich möchte Sie nicht schon wieder "täuschen".
1. Ich möchte Ihnen aber ganz offen ankündigen, dass ich mir Ihre neue Übersetzung sehr genau ansehen werde, und zwar mit streng philologischen Augen und (fairen) Methoden.
2. Ich sage es noch einmal: Ihre Ablehnung meiner deutschen Texte ist ein ästhetisches Urteil, das ich schlicht und einfach hinzunehmen habe.
3. Wenn Ihre ästhetischen Ansprüche nicht erfüllt sind, sprechen Sie von Dilettantismus und Täuschung seitens des Verlages. Entschuldigung, das erinnert an die Reaktion des Kindes, wenn sich die ersehnten sauren Drops als irgend eine süßlich verbrämte Öko-Sache der gesundheitsbewussten Eltern herausstellt. Ich nehme diese Reaktion nicht ernst und werde dazu nichts mehr äußern.
4. Vielleicht kennen Sie die hervorragende Arbeit von Antony Tatlow zu B. Brechts "Chinesischen Gedichten" (Suhrkamp), überwiegend von Bai Juyi (wenn ich mich recht erinnere, ich habe das Buch nicht greifbar): Antony Tatlow spricht von Brechts Fassungen nach den englischen Übersetzungen von Arthur Waley (den ich für keinen guten Übersetzer halte) von "paraphrastischen Originalprodukten", da Brecht den Ton und die Tendenz Bai Juyi's meisterlich getroffen habe. Nun sind weder ich noch Sie (mit Verlaub gesagt) Lyriker vom Niveau BB's. Was Brecht vielleicht gelang, und wenn es ihm gelang, dann wäre er ein guter Übersetzer aus dem Englischen, kann doch kein Anspruch sein, dem man folgen könnte. Die Grenze zur Paraphrase ist allzu schnell überschritten!
5. Daraus folgt, was ist es für eine Vorstellung, heutige lyrische Texte wie ein wunderbares Eichendorff-Gedicht übers Ohr zu goutieren? Es ist die Mitwirkung des Rezipienten gefordert, er muss sich schon ein wenig anstrengen, das "Hört doch nicht so romantisch!", um BB abzuwandeln, heißt, dass ein einlullendes Eiapopeia (wie die Fassungen Victor v. Strauß`) nicht mehr möglich ist. Die Zeitgeschichte ist rau und ich will gar nicht ausführlich auf Adornos bekanntes Diktum zur Möglichkeit von Lyrik eingehen, aber es reicht ja auch, wenn man Paul Celan gelesen hat, oder um noch andere zu nennen, Ernst Meister, Peter Huchel.
6. Wenn Sie am Wochenende nicht übersetzen, dann nehmen Sie einmal die 800 Seiten meiner Arbeit und suchen sie ein vorösterliches Ei: Es gibt ein sehr konventionell gefasstes Lied innerhalb der 800 Seiten, und, tatsächlich, mit Reimen! So viel zu Unvermögen und so viel zur Genauigkeit Ihrer Lektüre.
7. Der gerade verstorbene große Kollege Ernst Dedecius schrieb in seinem (Suhrkamp-) Bändchen "Vom Übersetzen " (o. ä. ich zitiere aus dem Kopf): Jede gelungene Übersetzung enthält wohl eine misslungene Seite. Das ist ein sehr menschlicher Satz eines großen Übersetzers. Ich nehme ihn sowohl für mich wie für jeden anderen Übersetzenden in Anspruch. (Er entschuldigt natürlich keine Fehler!)
8. Wenn Sie denn das Shijing so schätzen, legen Sie Ihre Fassung vor, ich bin gespannt. Dieses Werk hat den edlen Wettstreit wirklich verdient.
9. Die Höhlenbewohner mitsamt ihren Keulen sperren wir in einen Ihrer Schweizer Alpenbunker.
Nun, Herr Kollege, möchte ich Ihnen mit Respekt sagen, dass Sie im Großen und Ganzen einen versöhnlicheren Ton anschlagen, der doch ganz sicher der Sache, und das ist die Auseinandersetzung über die Art(-en) zu übersetzen, nutzt. Sie wissen doch ganz sicher, dass es im China der Song-Dynastie Usus unter den "literati" war, sich in Form von Brief-Gedichten auseinanderzusetzen. Ich werde Ihnen nun aber kein Gedicht schreiben, ich möchte Sie nicht schon wieder "täuschen".
1. Ich möchte Ihnen aber ganz offen ankündigen, dass ich mir Ihre neue Übersetzung sehr genau ansehen werde, und zwar mit streng philologischen Augen und (fairen) Methoden.
2. Ich sage es noch einmal: Ihre Ablehnung meiner deutschen Texte ist ein ästhetisches Urteil, das ich schlicht und einfach hinzunehmen habe.
3. Wenn Ihre ästhetischen Ansprüche nicht erfüllt sind, sprechen Sie von Dilettantismus und Täuschung seitens des Verlages. Entschuldigung, das erinnert an die Reaktion des Kindes, wenn sich die ersehnten sauren Drops als irgend eine süßlich verbrämte Öko-Sache der gesundheitsbewussten Eltern herausstellt. Ich nehme diese Reaktion nicht ernst und werde dazu nichts mehr äußern.
4. Vielleicht kennen Sie die hervorragende Arbeit von Antony Tatlow zu B. Brechts "Chinesischen Gedichten" (Suhrkamp), überwiegend von Bai Juyi (wenn ich mich recht erinnere, ich habe das Buch nicht greifbar): Antony Tatlow spricht von Brechts Fassungen nach den englischen Übersetzungen von Arthur Waley (den ich für keinen guten Übersetzer halte) von "paraphrastischen Originalprodukten", da Brecht den Ton und die Tendenz Bai Juyi's meisterlich getroffen habe. Nun sind weder ich noch Sie (mit Verlaub gesagt) Lyriker vom Niveau BB's. Was Brecht vielleicht gelang, und wenn es ihm gelang, dann wäre er ein guter Übersetzer aus dem Englischen, kann doch kein Anspruch sein, dem man folgen könnte. Die Grenze zur Paraphrase ist allzu schnell überschritten!
5. Daraus folgt, was ist es für eine Vorstellung, heutige lyrische Texte wie ein wunderbares Eichendorff-Gedicht übers Ohr zu goutieren? Es ist die Mitwirkung des Rezipienten gefordert, er muss sich schon ein wenig anstrengen, das "Hört doch nicht so romantisch!", um BB abzuwandeln, heißt, dass ein einlullendes Eiapopeia (wie die Fassungen Victor v. Strauß`) nicht mehr möglich ist. Die Zeitgeschichte ist rau und ich will gar nicht ausführlich auf Adornos bekanntes Diktum zur Möglichkeit von Lyrik eingehen, aber es reicht ja auch, wenn man Paul Celan gelesen hat, oder um noch andere zu nennen, Ernst Meister, Peter Huchel.
6. Wenn Sie am Wochenende nicht übersetzen, dann nehmen Sie einmal die 800 Seiten meiner Arbeit und suchen sie ein vorösterliches Ei: Es gibt ein sehr konventionell gefasstes Lied innerhalb der 800 Seiten, und, tatsächlich, mit Reimen! So viel zu Unvermögen und so viel zur Genauigkeit Ihrer Lektüre.
7. Der gerade verstorbene große Kollege Ernst Dedecius schrieb in seinem (Suhrkamp-) Bändchen "Vom Übersetzen " (o. ä. ich zitiere aus dem Kopf): Jede gelungene Übersetzung enthält wohl eine misslungene Seite. Das ist ein sehr menschlicher Satz eines großen Übersetzers. Ich nehme ihn sowohl für mich wie für jeden anderen Übersetzenden in Anspruch. (Er entschuldigt natürlich keine Fehler!)
8. Wenn Sie denn das Shijing so schätzen, legen Sie Ihre Fassung vor, ich bin gespannt. Dieses Werk hat den edlen Wettstreit wirklich verdient.
9. Die Höhlenbewohner mitsamt ihren Keulen sperren wir in einen Ihrer Schweizer Alpenbunker.
Gutes Übersetzen!
Rainald Simon