Jürgen Theobaldy sollte ein wenig genauer lesen. Das vom Reclam-Verlag für seine Werbung ausgewählte Lied (Nr. 4, S. 17) besteht aus 4 Strophen à vier Versen, die Strophen unterscheiden sich nur durch ein einziges Wort. Die drei Worte umfassen eine bedenkenswerte Steigerung:
Glück - beglückt
Glück - stützt
Glück - vollendet.
Die Metapher des sich "wölbenden Gezweigs" wird in den Anmerkungen erklärt. Was soll also die Charakterisierung als "doppelt gewundenes Gebilde" besagen? Ich vermute, Jürgen Theobaldy las tatsächlich nur den Werbetext. Zudem stellen die unverändert dreimal wiederholten beiden ersten Verse die für das Shijing spezifische Form der Einleitung xing 興 dar, die im Nachwort S. 810 f. vorgestellt wird. Man darf doch von jemandem, der sich mit (mindestens) 2700 Jahre alten Texten beschäftigt, erwarten, dass er sich auf die Sache anders einlässt, als die üblichen 10 Texte eines Lyrikers auf lyrikline.de anzuhören. Ich bin Sinologe und Übersetzer und nicht der Bote hörgerechter Häppchen für spätabends.
Zum zweiten von Jürgen Theobaldy zitierten Lied (Nr. 73, S. 171):
Wie kann denn ein Lyriker wie weiland der Deutschlehrer NN fragen: "wer da von wem oder was singt (...)". Ich kann mir eine solche Frage nur mit der durchgängigen strukturellen Schlichtheit der 10 Texte Jürgen Theobaldys auf (nun wirklich) lyrikline.de erklären. Nichts gegen die bisweilen fast ohne Metaphorik auskommende an arte povera erinnernde Schreibweise, wie sie z. B. auch der großartige Rolf Haufs pflegte oder William Carlos Williams. Das Altchinesische (vor allem in der Lyrik) gibt meist kein Subjekt an. Der Text beginnt mit einem Blick aus der Außenperspektive, um die Situation zu beschreiben: Fahrt in der Kalesche. Darauf folgt in Binnenperspektive der innere Monolog der verlassenen Frau. Wenn man will hat es einen filmischen Charakter (die Augen "filmten" auch vor 2 Jahrtausenden) : Take 1: fahrende Kutsche, Take 2: Frau (und schweigender Mann) im Inneren der Kutsche. Diese Situation wird in den (direkt unter den Text gesetzten !!!) Anmerkungen erläutert. Zugegeben: Das ist für die frühe Entstehungszeit eine (maßvoll) komplexe Struktur. Immerhin scheint sie noch im 21. Jh. gewisse Anforderungen zu stellen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass unkonzentriertes Lesen oder schlicht Gar-nicht-Lesen zu vollkommen verzerrten Eindrücken führt. Ist es denn übertrieben, von den Tucholskys & Reich-Ranickis des 21 Jh. genaues Lesen abzuverlangen?
Jürgen Theobaldy sollte ein wenig genauer lesen. Das vom Reclam-Verlag für seine Werbung ausgewählte Lied (Nr. 4, S. 17) besteht aus 4 Strophen à vier Versen, die Strophen unterscheiden sich nur durch ein einziges Wort. Die drei Worte umfassen eine bedenkenswerte Steigerung:
Glück - beglückt
Glück - stützt
Glück - vollendet.
Die Metapher des sich "wölbenden Gezweigs" wird in den Anmerkungen erklärt. Was soll also die Charakterisierung als "doppelt gewundenes Gebilde" besagen? Ich vermute, Jürgen Theobaldy las tatsächlich nur den Werbetext. Zudem stellen die unverändert dreimal wiederholten beiden ersten Verse die für das Shijing spezifische Form der Einleitung xing 興 dar, die im Nachwort S. 810 f. vorgestellt wird. Man darf doch von jemandem, der sich mit (mindestens) 2700 Jahre alten Texten beschäftigt, erwarten, dass er sich auf die Sache anders einlässt, als die üblichen 10 Texte eines Lyrikers auf lyrikline.de anzuhören. Ich bin Sinologe und Übersetzer und nicht der Bote hörgerechter Häppchen für spätabends.
Zum zweiten von Jürgen Theobaldy zitierten Lied (Nr. 73, S. 171):
Wie kann denn ein Lyriker wie weiland der Deutschlehrer NN fragen: "wer da von wem oder was singt (...)". Ich kann mir eine solche Frage nur mit der durchgängigen strukturellen Schlichtheit der 10 Texte Jürgen Theobaldys auf (nun wirklich) lyrikline.de erklären. Nichts gegen die bisweilen fast ohne Metaphorik auskommende an arte povera erinnernde Schreibweise, wie sie z. B. auch der großartige Rolf Haufs pflegte oder William Carlos Williams. Das Altchinesische (vor allem in der Lyrik) gibt meist kein Subjekt an. Der Text beginnt mit einem Blick aus der Außenperspektive, um die Situation zu beschreiben: Fahrt in der Kalesche. Darauf folgt in Binnenperspektive der innere Monolog der verlassenen Frau. Wenn man will hat es einen filmischen Charakter (die Augen "filmten" auch vor 2 Jahrtausenden) : Take 1: fahrende Kutsche, Take 2: Frau (und schweigender Mann) im Inneren der Kutsche. Diese Situation wird in den (direkt unter den Text gesetzten !!!) Anmerkungen erläutert. Zugegeben: Das ist für die frühe Entstehungszeit eine (maßvoll) komplexe Struktur. Immerhin scheint sie noch im 21. Jh. gewisse Anforderungen zu stellen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass unkonzentriertes Lesen oder schlicht Gar-nicht-Lesen zu vollkommen verzerrten Eindrücken führt. Ist es denn übertrieben, von den Tucholskys & Reich-Ranickis des 21 Jh. genaues Lesen abzuverlangen?