„Wirkungsäquivalenz“ verstehe ich hier so: Ein über zweitausend Jahre altes gereimtes, stark rhythmisiertes und metrisch verfasstes Lied aus China sollte auch im Deutschen als ein möglichst gereimtes und gleich stark gebundenes Lied erscheinen, sodass wir es lesend als ein frühes Lied aus dem Reich der Mitte empfinden können. An den meist lautmalerischen Reduplikationen mag man dabei getreulich festhalten oder sie hervorheben und das manchmal Läppische daran dem Kindlichen, Archaischen jener lyrischen Frühzeit zuordnen. So oder so beziehe ich die Gleichheit der Wirkung auf die Form, auf das ganze sprachliche Gebilde, nicht auf die Rezipienten, weder auf die längst zu Staub Zerfallenen noch auf uns Lebende, eben weil der Begriff damit sinnlos würde. Die kontroversen Debatten zur Übersetzung von Lyrik füllen bekanntlich halbe Bibliotheken, erst recht dann, wenn ein Übersetzer den eigenen, von niemandem bezweifelten Stand wieder und wieder hervorstreicht, die kritisch sich Meldenden zunächst verunglimpft und ungenaues Lesen zu seinem Standardvorwurf erhebt. Ich lese insofern genau, als ich genau das lese, was in der Übersetzung selbst steht, ob erst Anmerkungen es erhellen und bisweilen dessen Unzulänglichkeit bloßlegen oder nicht. Zum Beispiel ist da im ersten Vers der oben zitierten Strophe das Komma, das „Kalesche“ von „rappelt“ trennt und somit Nomen wie Verb aus ihrem semantischen Bezug löst (emphatisch: befreit). Beide gewinnen an Eigenwert, quasi auf dem Weg in Richtung Verabsolutierung des einzelnen Worts, ein Ausdrucksmittel der modernen Poesie, aber in einem mehr als zweitausend Jahre alten Lied ähnlich daneben wie an anderen Stellen bisweilen erheiternde, "in der Zeit" noch nicht "brüchig" gewordene Neologismen, etwa Tätigkeiten wie „einhemden“ oder „einblusen“ beim Sammeln von Kräutern. Unabhängig davon, dass seine Überlegungen ihre Berechtigung haben und Simon seine Lösungen fundiert begründet, vermisse ich an seinen Versionen poetisches Gespür, so auch an den zwei letzten Zeilen der „Kalesche“: „Sagst, glaubst mir nicht, / hast die Sonne als Zeuge.“ Simons Übertragungen sollen einerseits radikal verknappen, was nur zu loben ist, und wollen sich andrerseits exquisit von früheren abheben: „schilfsprossengrün“, „granatsteinrot“ oder „Kalesche“ statt schlicht wörtlich „großer Wagen“. Freilich darf dabei das Liedhafte, womöglich Magische, der Zauber gar dieser frühen Texte, ohne all das ich mir ihre Wirkmächtigkeit kaum vorstellen kann, nicht auf der Strecke bleiben. Andere mögen anders gewichten, weil die Melodien dazu verloren sind, mit Simon gar Fragmente in ihnen sehen. Ich habe versucht, seine Übersetzungen als „ungelenk“ nicht zu beschimpfen, sondern hinreichend zu beschreiben. Punkt.
Kurz zurück
„Wirkungsäquivalenz“ verstehe ich hier so: Ein über zweitausend Jahre altes gereimtes, stark rhythmisiertes und metrisch verfasstes Lied aus China sollte auch im Deutschen als ein möglichst gereimtes und gleich stark gebundenes Lied erscheinen, sodass wir es lesend als ein frühes Lied aus dem Reich der Mitte empfinden können. An den meist lautmalerischen Reduplikationen mag man dabei getreulich festhalten oder sie hervorheben und das manchmal Läppische daran dem Kindlichen, Archaischen jener lyrischen Frühzeit zuordnen. So oder so beziehe ich die Gleichheit der Wirkung auf die Form, auf das ganze sprachliche Gebilde, nicht auf die Rezipienten, weder auf die längst zu Staub Zerfallenen noch auf uns Lebende, eben weil der Begriff damit sinnlos würde. Die kontroversen Debatten zur Übersetzung von Lyrik füllen bekanntlich halbe Bibliotheken, erst recht dann, wenn ein Übersetzer den eigenen, von niemandem bezweifelten Stand wieder und wieder hervorstreicht, die kritisch sich Meldenden zunächst verunglimpft und ungenaues Lesen zu seinem Standardvorwurf erhebt. Ich lese insofern genau, als ich genau das lese, was in der Übersetzung selbst steht, ob erst Anmerkungen es erhellen und bisweilen dessen Unzulänglichkeit bloßlegen oder nicht. Zum Beispiel ist da im ersten Vers der oben zitierten Strophe das Komma, das „Kalesche“ von „rappelt“ trennt und somit Nomen wie Verb aus ihrem semantischen Bezug löst (emphatisch: befreit). Beide gewinnen an Eigenwert, quasi auf dem Weg in Richtung Verabsolutierung des einzelnen Worts, ein Ausdrucksmittel der modernen Poesie, aber in einem mehr als zweitausend Jahre alten Lied ähnlich daneben wie an anderen Stellen bisweilen erheiternde, "in der Zeit" noch nicht "brüchig" gewordene Neologismen, etwa Tätigkeiten wie „einhemden“ oder „einblusen“ beim Sammeln von Kräutern. Unabhängig davon, dass seine Überlegungen ihre Berechtigung haben und Simon seine Lösungen fundiert begründet, vermisse ich an seinen Versionen poetisches Gespür, so auch an den zwei letzten Zeilen der „Kalesche“: „Sagst, glaubst mir nicht, / hast die Sonne als Zeuge.“ Simons Übertragungen sollen einerseits radikal verknappen, was nur zu loben ist, und wollen sich andrerseits exquisit von früheren abheben: „schilfsprossengrün“, „granatsteinrot“ oder „Kalesche“ statt schlicht wörtlich „großer Wagen“. Freilich darf dabei das Liedhafte, womöglich Magische, der Zauber gar dieser frühen Texte, ohne all das ich mir ihre Wirkmächtigkeit kaum vorstellen kann, nicht auf der Strecke bleiben. Andere mögen anders gewichten, weil die Melodien dazu verloren sind, mit Simon gar Fragmente in ihnen sehen. Ich habe versucht, seine Übersetzungen als „ungelenk“ nicht zu beschimpfen, sondern hinreichend zu beschreiben. Punkt.