Exklusiv aus dem Badezimmer, von unten angestrahlt, wie mit einer Taschenlampe bei der mitternächtlichen Gruslelesung unter der muffelnden Bettdecke wird sich solidarisch Empört. Die zartbesaiteten Hoffnungsträger der kollektiven Werhaltungsschöpfung üben sich in öffentlichem Diskurs.
Anlass der Empörung; ein Stück Lyrik, dem der Ruch der sexistischen Objektivierung der Frau angedichtet wird. Ob die Emphase, mit der die hier gescholtene Bewunderung der Frau in Verse gegossen wurde, poetisch geglückt ist, mag in einem Diskurs über die handwerkliche Güte des Gedichts entschieden werden. Den Gegenstand eines Diskurses über die moralische Güte desselben bietet sie nicht. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass grundsätzlich alles, was einem Gedicht Gegenstand bietet, sich als Objekt einer Rezeption erschließt. Da die Beziehung der Geschlechter im Kontext heterosexuellen Begehrens, sei sie nun romantischer oder problematischer Natur, zu den Grundmotiven der Lyrik gezählt werden darf, und heterosexuelle Frauen wie heterosexuelle Männer am jeweils anderen Geschlecht im besten Fall ein Objekt ihres Begehrens finden, kann diese Art der Bewunderung, erfolgt sie mit dem entsprechenden Respekt, kaum als Depravation des einen wie des anderen Geschlechts wahrgenommen werden.
Was wäre aber mit dem Blick des homosexuellen Menschen auf einen Menschen gleichen Geschlechts als Objekt seines Begehrens, wenn er in einem solchen Gedicht Ausdruck fände? Der Logik der Empörten folgend, wäre dies vermutlich ein Ausdruck selbstbestimmter Sexualität, die sich als Gegenentwurf zu einer obsoleten familistischen Ideologie manifestiert. Und was ist in diesem Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Frau als Trägerin narzisstischer Selbstobjektivierung eines Mannes, der aufgrund seines sexuellen Selbstentwurfs an der Frau als solche kein Objekt des Begehrens findet?... So kocht zum Beispiel die gruselige Alchemie eines hanseatischen Dandys die Frau auf einen bulimischen Rest ein, um diesen anschließend mit gynophober Ästhetik auf Gardemaß zu strecken. Hier wäre in der Tat ein interessanter Diskurs über die Objektivierung der Frau in der permissiven Verschiebung des Begehrens aus dem sexuellen in den ästhetischen Kontext möglich.
Doch statt einen wirklichen Diskurs mit einem diskurswürdigen Gegenstand anzustreben, wird ein Spagat zwischen der postulierten Wahrung der Integrität der Kunst und ihrer Zensur versucht. Da Gomringers Poesie den Anspruch hat, der inhaltlichen Ebene eine graphisch-materielle Entsprechung zu geben, ist die Entfernung des Gedichts, da es nun einmal in dem Bewusstsein um Gomringers poetischen Ansatz an der Fassade der Hochschule nicht veröffentlicht, vielmehr installiert wurde, wesentlich mehr als nur ein editorischer Akt. Es ist tatsächlich die Tilgung eines Kunstwerks, mag es gemocht werden oder nicht. Es ist darüber hinaus ein prohibitiver Akt, der unter dem Vorwand der Emanzipation vollzogen wird. Im geforderten ästhetischen Betrachtungsverbot, das den Menschen der begehrenden Bewunderung durch einen andren Menschen entziehen soll, vollzieht sich nicht weniger als eine invertierte Vollverschleierung und zwar ungeachtet dessen, dass es wohl auch den Menschen gibt, der sich gerne bewundern lässt. Also soll nicht nur der betrachtende sondern auch der betrachtete Mensch seines Fehlverhaltens überführt sein, denn dieser Logik entsprechend, sind sie beide Sünder. Hier wird mit nahezu fundamentalistischem Furor ein Fegefeuer der Eitelkeiten veranstaltet. Wie die Savonarolschen Fanciulli raffen die Hoffungsträger der öffentlichen Werthaltungsschöpfung alles zusammen, was irgend dazu geeignet sein könnte, als Überkommsel atavistischer Wertvorstellungen diskreditiert zu werden und übergeben es den reinigenden Flammen echter Betroffenheit. Nicht mit der Absicht der Zensur, wie betont wird, sondern, um die Sünder durch das Feuer der Einsicht zu heilen und wieder in die Gemeinschaft der Rechtschaffenden aufzunehmen. „Das tut uns jetzt mehr weh als Euch. Aber um unser aller Seelenheil Willen muss das sein“. Was bleibt, ist die verstörende Logik der Unbestechlichen, die sich im Terror totalisierter Gutheit erschöpft; Pranger, Blutgerüste und Köpfe auf Pieken.
Eine mögliche Alternative zur Tilgung des Gedichts wäre gewesen, auf einer anderen Seite der Fassade zu schreiben: „Da gucktse! Wa?“ Aber diese Art der Souveränität würde die Betroffenen um ihre wohlverdiente Betroffenheit prellen.
Exklusiv aus dem Badezimmer, von unten angestrahlt, wie mit einer Taschenlampe bei der mitternächtlichen Gruslelesung unter der muffelnden Bettdecke wird sich solidarisch Empört. Die zartbesaiteten Hoffnungsträger der kollektiven Werhaltungsschöpfung üben sich in öffentlichem Diskurs.
Anlass der Empörung; ein Stück Lyrik, dem der Ruch der sexistischen Objektivierung der Frau angedichtet wird. Ob die Emphase, mit der die hier gescholtene Bewunderung der Frau in Verse gegossen wurde, poetisch geglückt ist, mag in einem Diskurs über die handwerkliche Güte des Gedichts entschieden werden. Den Gegenstand eines Diskurses über die moralische Güte desselben bietet sie nicht. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass grundsätzlich alles, was einem Gedicht Gegenstand bietet, sich als Objekt einer Rezeption erschließt. Da die Beziehung der Geschlechter im Kontext heterosexuellen Begehrens, sei sie nun romantischer oder problematischer Natur, zu den Grundmotiven der Lyrik gezählt werden darf, und heterosexuelle Frauen wie heterosexuelle Männer am jeweils anderen Geschlecht im besten Fall ein Objekt ihres Begehrens finden, kann diese Art der Bewunderung, erfolgt sie mit dem entsprechenden Respekt, kaum als Depravation des einen wie des anderen Geschlechts wahrgenommen werden.
Was wäre aber mit dem Blick des homosexuellen Menschen auf einen Menschen gleichen Geschlechts als Objekt seines Begehrens, wenn er in einem solchen Gedicht Ausdruck fände? Der Logik der Empörten folgend, wäre dies vermutlich ein Ausdruck selbstbestimmter Sexualität, die sich als Gegenentwurf zu einer obsoleten familistischen Ideologie manifestiert. Und was ist in diesem Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Frau als Trägerin narzisstischer Selbstobjektivierung eines Mannes, der aufgrund seines sexuellen Selbstentwurfs an der Frau als solche kein Objekt des Begehrens findet?... So kocht zum Beispiel die gruselige Alchemie eines hanseatischen Dandys die Frau auf einen bulimischen Rest ein, um diesen anschließend mit gynophober Ästhetik auf Gardemaß zu strecken. Hier wäre in der Tat ein interessanter Diskurs über die Objektivierung der Frau in der permissiven Verschiebung des Begehrens aus dem sexuellen in den ästhetischen Kontext möglich.
Doch statt einen wirklichen Diskurs mit einem diskurswürdigen Gegenstand anzustreben, wird ein Spagat zwischen der postulierten Wahrung der Integrität der Kunst und ihrer Zensur versucht. Da Gomringers Poesie den Anspruch hat, der inhaltlichen Ebene eine graphisch-materielle Entsprechung zu geben, ist die Entfernung des Gedichts, da es nun einmal in dem Bewusstsein um Gomringers poetischen Ansatz an der Fassade der Hochschule nicht veröffentlicht, vielmehr installiert wurde, wesentlich mehr als nur ein editorischer Akt. Es ist tatsächlich die Tilgung eines Kunstwerks, mag es gemocht werden oder nicht. Es ist darüber hinaus ein prohibitiver Akt, der unter dem Vorwand der Emanzipation vollzogen wird. Im geforderten ästhetischen Betrachtungsverbot, das den Menschen der begehrenden Bewunderung durch einen andren Menschen entziehen soll, vollzieht sich nicht weniger als eine invertierte Vollverschleierung und zwar ungeachtet dessen, dass es wohl auch den Menschen gibt, der sich gerne bewundern lässt. Also soll nicht nur der betrachtende sondern auch der betrachtete Mensch seines Fehlverhaltens überführt sein, denn dieser Logik entsprechend, sind sie beide Sünder. Hier wird mit nahezu fundamentalistischem Furor ein Fegefeuer der Eitelkeiten veranstaltet. Wie die Savonarolschen Fanciulli raffen die Hoffungsträger der öffentlichen Werthaltungsschöpfung alles zusammen, was irgend dazu geeignet sein könnte, als Überkommsel atavistischer Wertvorstellungen diskreditiert zu werden und übergeben es den reinigenden Flammen echter Betroffenheit. Nicht mit der Absicht der Zensur, wie betont wird, sondern, um die Sünder durch das Feuer der Einsicht zu heilen und wieder in die Gemeinschaft der Rechtschaffenden aufzunehmen. „Das tut uns jetzt mehr weh als Euch. Aber um unser aller Seelenheil Willen muss das sein“. Was bleibt, ist die verstörende Logik der Unbestechlichen, die sich im Terror totalisierter Gutheit erschöpft; Pranger, Blutgerüste und Köpfe auf Pieken.
Eine mögliche Alternative zur Tilgung des Gedichts wäre gewesen, auf einer anderen Seite der Fassade zu schreiben: „Da gucktse! Wa?“ Aber diese Art der Souveränität würde die Betroffenen um ihre wohlverdiente Betroffenheit prellen.