Gegen die Tolerierung rechtsextremer Verlage und Autor*innen auf der Leipziger Buchmesse
Als Menschen, die im Literaturbetrieb tätig sind, beobachten wir mit großer Sorge das Erstarken menschenverachtender Positionen, die zunehmend auch in der Mitte der Gesellschaft an Raum gewinnen. Ein wichtiger Grund hierfür sind diejenigen Medienkanäle, über die rechtsextremes Gedankengut effektiver denn je vermittelt wird. Die Leipziger Buchmesse hat in den vergangenen Jahren Verlagen wie der Edition Antaios oder dem Compact Magazin — Sprachrohren der neuen Rechten — eine Bühne geboten. An ihren Ständen haben zum Beispiel der wegen Volksverhetzung verurteilte Autor Akif Pirinçci und der Verschwörungstheoretiker Jürgen Elsässer gesprochen.
Die Veranstalter*innen der Messe folgen damit Tendenzen, die auch im Literaturbetrieb zu beobachten sind. Statt Widerstand gegen Fremdenhass und Nationalismus zu leisten, äußern sich etablierte Mitglieder des Betriebs entweder überhaupt nicht, oder beziehen sich auf den Wert der Rede- bzw. Kunstfreiheit. Die Diskussion zum Thema Diskriminierung, die in den vergangenen Jahren auf allen Ebenen des Kulturbetriebs geführt wurde, zeigt jedoch: Belletristik und wissenschaftliche Texte werden nicht in einem moralischen Vakuum produziert. Die Vorstellung einer unmittelbaren ästhetischen Autonomie ist so falsch wie gefährlich. Wissenschaft und Kunst sind situierte Praxen innerhalb der Gesellschaften, in denen sie ausgeübt werden. Sie sind deshalb auch nicht frei von der Gefahr, z.B. dieselben Sexismen und Rassismen zu produzieren, wie wir sie auch in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen erleben.
In den vergangenen Jahren reagierte die Messeleitung auf die Forderung, rechtsextreme Verlage und Publikationsorgane auszuschließen, mit dem Verweis auf ihre rechtliche Pflicht, einen Ort zum Diskurs unter gleichberechtigten Gesprächspartner*innen zu etablieren. Ein solcher hat sich in den vergangenen Jahren nie hergestellt, wobei stattdessen die Haltung der Veranstalter*innen offensichtlich rassistischen, sexistischen, LGBTIQ*-feindlichen, antisemitischen und islamophoben Positionen Raum gegeben hat. Das steht im Widerspruch zur Basis derjenigen demokratischen Gesellschaft, auf deren Rechtssystem sich die Veranstalter*innen berufen. Wir wünschen uns die Leipziger Buchmesse als einen Ort ohne Platz für jene, die den Begriff der Meinungsfreiheit als Entschuldigung für Diskriminierung verwenden.
Die Unterzeichner*innen dieses Briefs fordern einen Literaturbetrieb, dessen solidarisches Miteinander nicht auf Basis von Nationalität, Identität oder Religionszugehörigkeit besteht. Rechtsextremist*innen keine Bühne zu bieten, sollte ein erster Schritt von Seiten der Leipziger Buchmesse sein. Deshalb fordern wir, dass die Stadt Leipzig als 50%ige Anteilseignerin der Leipzig Messe GmbH Position bezieht und auf einen Ausschluss rechtsextremer Publikationsorgane hinwirkt. Hausordnung und Teilnahmebedingung der Leipziger Messe sind änderbar, ein Einlassvorbehalt durchsetzbar – sofern ein politischer Wille besteht.
Wenn ihr den offenen Brief gegen die Tolerierung rechtsextremer Verlage und Autor*innen auf der Leipziger Buchmesse unterzeichnen möchtet, schreibt bitte eine Mail an info@fixpoetry.com. Wir aktualisieren bis 14.03.2019 jeden Abend.
Johannes Koch
Benedikt Kuhn
Amy Wittenberg
Linda Achberger
Julia Ahlert
Jana Diewald
Kristina Jovanovic
Lena Schmidt
Nuria Glasauer
Özlem Özgül Dündar
Julietta Fix
Lilli Sachse
Sofie Lichtenstein
Dinçer Güçyeter
Pauline van Gemmern
Sandra Gugić
Lea Sauer
Lukas Friedland
Luca Manuel Kieser
Maja-Maria Becker
Sibylla Vričić Hausmann
Moritz Zedar
Markus Hallinger
Ronya Othmann
Elisabeth R. Hager
Gerald Fiebig
Stephan Schmidt
Lara Rüter
Fiona von Bose
Theresa Pleitner
Stefan Hornbach
Thilo Dierkes
Simon Kalus
Sina Klein
Cecilia Röski
Frank Schablewski
Annkathrin Wett
Jan Causa
Anne Korth
Kathrin Schadt
Lara Hampe
Dr. Rolf Thum
Simona Lenk
Dr. Ralf Burnicki
Dr. Jörg Sader
Synke Köhler
Fabian Hischmann
Jörn Dege
Hiltrud Warntjen
Karl Johann Müller
Jonis Hartmann
Kai Mertig
Mikael Vogel
Stefanie Golka
Henriette Vásárhelyi
Sebastian Weirauch
Babet Mader
Jovana Nastasijevic
Wolfgang Domeyer
Helga Schulze-Kämper
Carolin Kastir
Dr. Dennis Fuchs
Annette Joggerst
Anneliese Erdemgil Brandstaetter
Carola Jürchott
Marie Luise Lehner
Louise Kenn
Larissa Rode
Elisabeth Gröger
Alida Bremer
Heinrich Rahn
Evelyn Schalk
Ayna Steigerwald
Pavella Coppola
Johannes Schauderna
Selma Imhof
A. Bruhn
Luca Lienemann
Romana von Mengershausen
Hannah del Mestre
Arpana Berndt
Moritz Heuwinkel
Mariusz Hoffmann
Jana Zimmermann
Lauri Antonio Krüger
Paul Jennerjahn
Mina Hava
Esther Becker
Artur Krutsch
Simoné Lechner
Margarita Iov
Damon Taleghani
Jasper Westhaus
Svenja Viola Bungarten
Werner Mattke
Anna Kaleri
Damon Taleghani
Gerhild Steinbuch
Felicitas Prokopetz
Ferdinand Schmatz
Stefan Schmitzer
Katharina Greff
Sandra Burkhardt
Matthias Weinzierl
Jonas M. Mölzer
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Kommentare
Offener Brief
Ich bin bereit den Aufruf zu unterstützen, sobald er erweitert wird und sich ebenso gegen verfassungsfeindliches extremistisches Gedankengut des politischen Islam (Islamismus) richtet. Auch auf der Leipziger Messe sollte man da fündig werden, sobald man sich dieses Problems annimmt.
Mit freundlichem Gruß
Ellen Widmaier
Schriftstellerin (VS)
Unterzeichner dieses Aufrufs
Dieser Aufruf richtet sich hoffentlich gegen Verlage, die Medien mit antijudaistischem Inhalt verbreiten!
Peer Schröder, VS Hessen in Verdi
Wen interessiert das
Lieber ein cooles kulturelles Gegenstück dagegensetzen.
Statt irgendwelche lahmen Offenen Briefe zu jammern und auch nicht besser ausgrenzend sich gegenseitig nur zu bestätigen.
Oder den Typ_innen auf der BuMe einfach auf den Büchertisch kacken.
Das unterschreibe ich.
Daniel Schmidt
"Angst ist kein guter Ratgeber" - Angela Merkel
Wenn man jemandem verbietet zu reden, zeigt man nicht, dass derjenige lügt, manipuliert oder aufhetzt, sondern dass man Angst vor dem hat, was gesagt werden könnte.
wenn sie "vor dem, was gesagt
wenn sie "vor dem, was gesagt werden könnte" keine angst haben – bzw. genauer: davor, wie zur normalität wird, DASS "es" gesagt wird; und zwar "gesagt wird" nicht, um in gesprächen zu überzeugen, zu erklären, zu diskutieren; sondern statt dessen "gesagt wird", um als ausweis gleichsam territorialer wirkmacht zu dienen; als spielzug in einer strategie der eroberung von "demokratischer legitimiation" – dann empfehle ich die lektüre der geschichtsbücher.
einerseits ist leicht zu zeigen, dass die damen und herren von compact, antaios usw. die ihnen offenstehenden diskursbühnen bloß dazu nutzen, um tatsächliche debatten zu zerstören und das vertrauen in die ganze diskurssphäre zu delegitimieren (ungefähr einem betrukenen gleich, der sich an den wirtshaustisch bloß setzt, um die anwesenden zu stören, wogegen bekanntlich nur hilft, ihn rauszuschmeissen oder selber wegzugehen, weil man ansonsten keine chance hat als sein suffniveau zur neuen gesprächsnorm zu erklären).
andererseits ist nicht so sicher, dass antisemitische - sexistische - sozialdarwinistische und ganz allgemein schulhofbullymäßig doofe auffassungen sich nicht ggf am ende als durchaus mehrheitsfähig unter den deutschen (und österreichern) erweisen, wenn der wohlfahrtsstaat nur genug zurückgefahren wird … und vernünftige einwände dann nichts nutzen … machtvolle und unzweideutige unterdrückung kerls im harten kern dagegen …
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