Die Diktatur der Feuerwehr
Noch ein Endzeit-Roman, an dem sich Hollywood schon vor Erscheinen die Filmrechte gesichert hat? Wird das nicht langsam langweilig? Irgendwie schon – aber wenn der Autor der Sohn von Stephen King ist, darf man dennoch einen Blick riskieren. Oder zwei. Zumindest wenn man sich von den fast 1000 Seiten nicht abschrecken lässt.
In Joe Hills viertem Roman ist es eine durch Pilzsporen ausgelöste Seuche, die weite Teile der Menschheit in kurzer Zeit dahinrafft. Allerdings auf amüsante Weise: Die Sporen lösen eine Krankheit aus, bei der sich glühende Male auf der Haut der Infizierten bilden, die umso heißer werden, je mehr Stress der Kranke empfindet. Bis er schließlich in Flammen aufgeht. Und da dieser Panikeffekt ebenso ansteckend ist wie die Sporen selbst, kommt es zu Massenselbstentzündungen und flammendem Inferno. All das ist absolut albern aber auch absolut unterhaltsam. Hat man sich mit der comichaft überzeichneten Epidemie erstmal angefreundet, entfaltet sich eine spannende Apokalypse – getragen von Protagonistin Harper Grayson, einer Krankenschwester in einem kleinen Kaff an der Grenze zu Neuengland. Und das soll längst nicht die einzige augenzwinkernde Anspielung auf das Werk von Papa King bleiben.
Die schwangere Harper steckt sich an und flüchtet zusammen mit anderen Infizierten in ein ehemaliges Feriencamp, wo sie überwintern wollen, während die Gesunden einschließlich Harpers psychotischem Ehemann Jakob sich zu Kremationstrupps zusammenschließen, die gnadenlos Jagd auf die „Burner“ machen. Während sie offiziell die Welt retten wollen, leben sie lediglich ihre sadistischen Phantasien aus. Im Camp selbst läuft es allerdings nicht viel besser. Hier wie dort übernehmen religiöse Fanatiker das Ruder. Und als einige von ihnen herausfinden, wie sich die Krankheit in Schach halten lässt, verfallen sie ihrem Gottkomplex endgültig. Man darf das ruhig als bissigen Kommentar zur Weltlage verstehen. Wer sich widersetzt wird ausgelöscht – und dass dabei natürlich der Feuerwehrschlauch zum Einsatz kommt, ist noch nichtmal die Spitze an durchgeknallten Ideen, vor denen der Roman nur so sprüht. Dabei schafft Hill es ziemlich gut, die Balance zwischen Albernheiten und spannend erzählter Geschichte zu halten.
Das mit den Filmrechten verwundert kaum, bieten die rasanten Dialoge und feurigen actionreichen Passagen doch eine so stimmige Vorlage, dass man die Leinwandadaption beim Lesen schon vor Augen hat. Dass der Titelgebende „Fireman“ letztlich nur eine Nebenrolle spielt und bei weitem nicht den im Klappentext angekündigten mythischen Status hat, fällt dabei kaum noch ins Gewicht. Mit britischen Akzent und Humor rettet er seine Freunde zigmal aus den unmöglichsten Situationen, indem er ein höllisches Inferno entfacht oder Feuervögel am Himmel erscheinen lässt, die seine Gegner erzittern lassen. Dass Hill nicht nur Kings Sohn, sondern auch ein Fan von Harry Potter und dem Marvel-Universum ist, spürt man auf jeder Seite des Romans, der sich trotz seines Umfangs locker weglesen lässt. Die Vielschichtigkeit von Kings „The Stand“ erreicht er dabei nicht. Aber das ist auch gar nicht seine Absicht. Und obwohl er den ausgetretenen Pfaden des Endzeit-Genres nichts nennenswert Neues hinzufügt, liefert er doch ein lesenswertes und kurzweiliges Buch für all jene ab, die nicht nur düstere Stimmung, sondern auch überzeichnete (und manchmal etwas plakative) Figuren mögen.
Nervig ist allein, dass der Heyne Verlag beim Korrektorat reichlich nachlässig war. Dass sich in einem umfangreichen Buch ein paar übersehene Tippfehler finden – geschenkt. Hier sind es aber eindeutig zu viele. Es wurde mehr quer- als korrekturgelesen. Das ist sowohl dem Leser als auch dem Autor gegenüber unhöflich. Da man davon ausgehen kann, dass die zweite Auflage nicht lange auf sich warten lässt, darf man hoffen, dass hier nochmal eingegriffen wird.
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