Kritik

Hammer + Veilchen

Flugschriften für neue Kurzprosa Ausgabe 3
Hamburg

„Das Wort <Autor> trifft die Sache ziemlich genau. Es setzt sich zusammen aus dem Schmerzlaut <Au> und aus der Silbe <Tor> für Narr. Ein Autor ist ein Narr, dem etwas weh tut, und es tut ihm etwas weh, weil er ein Narr ist“, schreibt Wolfgang Denkel in der neuen Ausgabe von Hammer und Veilchen.

Bereits zum dritten Mal haben Günther Emig und Peter Engel zehn dieser Narren gefunden, die kurze und kürzeste Geschichten für ihre im letzten Jahr gegründete Zeitschrift beisteuerten.

„Nichts gegen die Zertrümmerung falscher Götter, aber wir begnügen uns fürs erste mit hammerharten Geschichten. Dabei darf durchaus jene Axt gehandhabt werden, die das gefrorene Meer in uns aufbricht und wie ein Faustschlag auf uns wirkt. Die Veilchen, die dabei entstehen mögen, dürfen unter die Haut gehen und blau sein, aber sie können auch duften“, schrieben die Herausgeber in ihre Einladung zu Texteinsendungen. Emig und Engel haben die Zeitschrift Hammer + Veilchen 2014 gegründet, um eine Lücke zu füllen. Es gibt Zeitschriften, die sich auf essayistische Texte spezialisieren, es gibt Lyrikzeitschriften und solche die Prosa, Lyrik und Essays mischen, aber ein Forum für die besondere Form der kurzen Prosa gab es bislang im deutschen Sprachraum nicht.

In der neuen „Flugschrift für neue Kurzprosa“ findet der Leser neunzehn Geschichten von zehn Autoren. Es geht um Verrat und das Wörtliche beim Begriff Autor, darum wie Netzhaut und Trommelfell sich selbstständig machen, Nils Mohl steuert eine „Stark geraffte Einleitung zur Volksfibel des frühen 21. Jahrhunderts“ bei, Bruno Teuni spekuliert über Hölderlin und Cornelia Minikowsky schreibt nicht nur von einem rätselhaften Besuch bei den Eltern, sondern darüber hinaus einen seitenlangen Satz voller Aufzählungen, der dennoch eine Geschichte erzählt (Greetings from Africa). Andere Texte behandeln die Schwierigkeiten seine Freiheit zu genießen, erzählen von Selbstmördern, kurzen Telefongesprächen und unverkäuflichen Büchern. Manfred Ach steuert eine sehr plastische Beschreibung eines Schachspiels bei.

Viele der Geschichten gaben mir beim ersten Lesen ein Rätsel auf, das ich gerne durch nochmaliges Lesen zu lösen versuchte.

Die Flugschriften für neue Kurzprosa, wie Emig und Engel die einzelnen Ausgaben von Hammer + Veilchen nennen, sind dünne geheftete Blätter, aber jeweils zum Jahresende werden zwei Ausgaben zu einem Jahrbuch zusammengefasst, ein knapp DIN A 5 großes handliches Büchlein, mit dem man in der zumeist leicht surrealen Welt kurzer Geschichten versinken kann.

Im ersten Jahrbuch erzählt unter anderem Tanja Dückers die Geschichte vom „Eismeer“, eines Druckes nach Caspar David Friedrichs, das im elterlichen Wohnzimmer hängt, Mirko Bonné berichtet von einem Telefongespräch zwischen Stalin und Pasternak, Judith Sombray vom „Schwarzschild Radius“ und Herbert Hindringer schreibt eine Geschichte voller Wortspiele.

Es sind dichte Texte voller Atmosphäre, häufig auch voller Einsamkeit und stiller Verzweiflung. Fast alle Geschichten handeln von den Schwierigkeiten oder gar von der Unmöglichkeit, einander zu verstehen. Treffsicher wählen Günther Emig und Peter Engel Ausgabe für Ausgabe die Texte aus, die das Abwegige eines Menschenlebens beleuchten, all diese kleinen blinden Flecken, die wehtun. Geschichten von und für Narren, schreibende und lesende, von denen man sich gerne verletzen lässt,  weil sie so absurd schön formuliert sind.

 

Anm. der Redaktion:
Wir hätten gerne alle Autoren verlinkt, haben aber nicht zu allen brauchbare Informationen im Netz gefunden.

Hammer + Veilchen Nr. 3
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2015 · 0,00 Euro

Fixpoetry 2015
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