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Komm! Ins Offene haus für poesie
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Komm! Ins Offene haus für poesie
Kritik

Zu großes Gemenge im letzten Licht

Tierexperimente und mehr von Rolf Lappert

Der sechste Roman von Rolf Lappert spielt auf einer philippinischen Insel, und zwar auf einem ziemlich abgelegenen Eiland, das nicht einmal auf Landkarten verzeichnet ist. Die Hauptakteure sind das ungleiche Geschwisterpaar Megan und Tobey, Kinder eines sturen irischen Bauern, der von Neuerungen nichts hält. Bereits als Zehnjähriger hat Tobey von der Arbeit schwielige Hände, was ihn beim Lernen des Gitarrenspiels behindert.

Megan, die ältere der beiden, ist überzeugte und radikale Tierschützerin, die den Tieren Namen gibt und ihnen Gedichte vorliest. Selbstverständlich Vegetarierin. Und sie gelangt auf diese philippinische Insel, weil es dort eine Station geben soll, die über Primaten forscht, deren Kommunikationsfähigkeit mit Menschen testen und verbessern will. Aber irgendwie läuft alles dubios. Auf den ersten 34 Seiten ist ziemlich viel „schief“, Schränke, Pfähle, Türen, Zäune und Zähne, um den heruntergekommenen Zustand der Station zu beschreiben. Tobey, frisch angekommen, findet „verkohltes Papier“, dem unsereins noch nie begegnet ist.

Denn Tobey sucht Megan, die aber bereits tot ist, als er die Insel erreicht. Er findet ihr Grab und buddelt sie aus. Angeblich ist sie ertrunken, was er aber nicht glaubt. Offenbar war sie noch nicht lange tot, als er ihren Leichnam von dem Tuch befreite, in das er eingehüllt war, sonst hätte er nicht ihren verkohlten Arm erkennen können und „den Finger, in dessen halb aufgelöstes Fleisch der Ring verwachsen war“, der übrigens ein Geschenk von ihm war. Immer wieder schreibt Megan Briefe an Tobey, die seinen kostbarsten Besitz darstellen. Sie berichtet ihm, dass sie ihrem Ehemann gefolgt sei, der auf der Insel eine Anstellung erhalten habe. Wie wir später erfahren, hat sie gelogen, vom Ehemann war sie längst getrennt, als sie unerwünscht und mehr oder weniger illegal die Insel betrat.

Da das von einer amerikanischen Stiftung gesponserte Forschungsprojekt gescheitert ist, schlägt sich der noch verbliebene Inder oder Pakistani oder Bangladeschi Tanvir mit der Produktion von Designer-Drogen durch das Inselleben, die er einer radikal islamitischen Gruppe verkauft. Dafür gibt es Geld und Oliven und Gin und Käse und Diesel für die Stromgeneratoren.

Erst durch die Schilderung von Megan, die als Jugendliche einen Schülerwettbewerb für Lyrik gewann, danach die Meisterschaft über 200 Meter Delphin (was denn sonst!) gewann, erfahren wir, dass es ursprünglich auf der Insel um Blutexperimente mit Primaten ging, die Erforschung von Viren, Ebola und so, betrieben wurde. Sie kämpft wie eine wahre Heldin gegen das Unrecht an Tieren, verschont auch ihre Geliebte Ester nicht, befreit die Affen aus ihren mehrfach mit automatischen Türen gesicherten Stahlkäfigen. Sodann schwimmt sie ins Meer hinaus, von einer Insel zur anderen. Dabei dürfte sie ertrunken sein.

Genauso wie ihr Bruder mit einem Boot der Gefangenschaft der Islamisten entkam, mit ihm der Bonobo Montgomery, ein überaus cleverer Kerl, der sich mit den Menschen durch Hinzeigen auf einfache Zeichnungen verständigen konnte. Vermutlich ist der Bonobo zum Zweck von Tierversuchen aus dem Kongo auf die philippinische Insel verfrachtet worden.

Obwohl viele Details auf 540 Seiten ausführlich geschildert werden – etwa das Geräusch eines Schiffsmotors, von dem „für eine kurze Zeit das Stampfen der einzelnen Zylinder hörbar“ war und der einen „Schiffspropeller“ antrieb – bleibt manches ausgespart. Deshalb sei es auch dem Rezensenten gestattet, nicht mehr von der Geschichte zu verraten. Bloß ein Satz sei zitiert:

„Das Projektil flog noch immer durch den Himmel, ein kleines, glühendes Stück Metall, das, als die Energie der Explosion verbraucht war und der Widerstand der Luft zu groß wurde, an Geschwindigkeit und Höhe verlor und lautlos ins Meer tauchte und auf den Grund hinabsank in die Dunkelheit, ohne jemanden getötet zu haben.“

Fazit: Ein Geschwisterpaar entdeckt Tierversuche mit Primaten auf einer philippinischen Insel und kämpft heldenhaft dagegen. Ein Autor entdeckt, dass man Kriminalroman, Abenteuerroman, Exotik, Tierschutz, Drogen und Tierexperimente zu einer Sauce vermengen kann. Nicht immer sind Versuche erfolgreich. Legen wir das Buch getrost in das Grab der verkohlten und halb aufgelösten Heldin Megan. Requiescat in pacem! Ruhe in Frieden!

Rolf Lappert
Auf den Inseln des letzten Lichts
Hanser
2010 · 544 Seiten · 24,90 Euro
ISBN:
978-3-446235564

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