Ihr Leben ist ein afrikanisches Gedicht
Denis Scheck wird im Buch Zuhause treibt in der Ferne der ugandischen Autorin Susan N. Kiguli (geb. 1969) vom Verlag zitiert mit den Worten: „Es gibt eine wunderbare neue Buchreihe, die heißt AfrikaWunderhorn.“ Herausgeberin der Reihe ist Indra Wussow, u.a. Kuratorin für verschiedene internationale Einrichtungen(z.B. auf Sylt Stiftung kunst:raum sylt quelle mit Dependance in Johannesburg, das Jozi art:lab).
Kigulis Buch ist der achte Titel der Reihe, neben u.a. Lyriktiteln der Südafrikanerin Lebogang Mashile (geb. 1979), von Chirikure Chirikure (geb. 1962), dem Autor aus Simbabwe sowie einem Roman des nigerianischen Schriftstellers Helon Habila (geb. 1967).
Das Buch, Hardcover wirkt in der Tat liebevoll gemacht hinsichtlich Bindung (Fadenbindung), Umschlaggestaltung und Druck.
Kiguli, die auf Englisch und Luganda schreibt, legt in Zuhause treibt in der Ferne 44 ihrer englischsprachigen Gedichte vor, dazu bekommen wir die Übertragungen ins Deutsche durch Brigitte Oleschinski.
Dass Verfasser durchgehend die deutschsprachigen Zeilen zugrunde legt, soll seine Anerkennung ausdrücken für die übersetzerische Leistung von Brigitte Oleschinski, selber ja mehrfache hochrangige Preisträgerin in der Sparte Lyrik. Hier hat man sich Zeit gelassen. Hier hat man einen sehr lohnenden Gegenstand meisterhaft zu vermitteln verstanden.
Der Gegenstand ist eine Dichterin aus Uganda, die in England ihre akademischen Grade erworben hat, nun aber wieder „zu Hause“ wirkt. Gegenstand ist die Liebe zu ihrem Land, von Schmerz durchsetzt, und anderen afrikanischen Regionen, meist von Kriegen heimgesucht, zu wunderbaren Menschen dort, Aktivisten, deren Namen auch wir kennen und solchen, von denen wir bislang keinen blassen Schimmer hatten; zu den Kindern, deren Kraft beschworen wird, vor allem aber zu den Frauen, der eigenen Mutter allemal, als denjenigen Menschen, die die Kriege nicht heraufbeschworen haben und die stark sind. Allerdings hat Kiguli den globalen Blick: Kriege weltweit, ökologische Gefahren weltweit spricht sie an. (Durchaus interessant auch ihr vergleichender Blick auf unsere hübsche Insel Sylt („Sonnenuntergang auf Sylt: Eine Collage“ und „Sylt, noch einmal“). Gegenstand ist eine Dichtung, die wechselt zwischen schmuckloser unerbittlicher Anklage und dem ganz lyrischen Ton, Ton der Sehnsucht, wie wir ihn vielleicht von Nazim Hikmet kennen. Kiguli, die Zeitzeugin, die Betroffene, die Partei ergreift für die Geschändeten, Kiguli, die ein Netzwerk von Gleichgesinnten aus Politik und Kultur beschwört durch ihre vielen Widmungen, den Zitaten (Nelson Mandela, Steve Biko; Peter Nazareth, Samuel Beckett usw.); und insgesamt, da ja auf dem Feld der Lyrik unterwegs, zum Glück vielleicht noch stärker, wichtiger: Kiguli, die Sängerin, die das Schöne, das Moralische besingt, um so die Grundlage mitzulegen für mehr Frieden.
Anklage der zynischen Männer Ugandas: Sie nennen dieses Land Mutter/Und verhöhnen seine Frauen:/‘Ihr seid nichts/ohne Ehemänner!‘ (Gedicht „Klipp und klar“). Einsicht in die Ungeheuerlichkeit der Gräueltaten, die ungetrübte schnelle Freude selbst bei der Nachricht über den Tod des Diktators ausschließt: Wie sollen wir/Diese Nachricht den leeren/Anwesen überbringen/Mit den halb ausgehobenen Gräbern. (Gedicht „Idi Amin ist tot“) Kiguli fordert „ihr“ Volk auf, aus der bloßen Leidensbereitschaft nun zur Selbstgestaltung zu finden: Für mein Volk ist Schweigen/Ein Siegel/Das Herunterschlucken von Zorn/Ein Schutzraum um die Verletzlichkeit/Eine Waffe in einer unsteten Welt (Gedicht „Mutter, dieses Schweigen spricht fliessend“). Kiguli zeigt diese soziale Unstetigkeit an drei Lebensstationen ihrer Mutter auf: Die Mädchen der 1960er/Unglaublich schön/…/In Zeiten, in denen die Freiheitsträume jung waren/Die Geschichte Ugandas/Heiß brodelnd. Dann: Meine Mutter in den 1970ern/Trauriger, aber ihre Haut/Immer noch makellos./…/Das geblümte Kleid/Hat nichts zu tun damit /Dass sie eine Witwe ist (dank der Regierung). Schließlich: Meine Mutter in den 1990ern/Mit ganz kurzem Haar/…/Sie trägt ein Busuuti-Kleid/Ein Zeichen der Zeit/Der Rückkehr, das Ergebnis eines/unsicheren Friedens/Die Reife einer Frau und einer Nation.
Besonders wenn Kiguli Frauen besingt, gelingen ihr schöne lyrische Passagen, der Kontext muss allerdings zumeist Krieg, Vergewaltigung, Vertreibung bleiben: In diesen trostlosen Lagern/Halten Mütter fest an der Melodie des Lebens/Fangen den wehmütigen Wind ein/Dass er Mut in die Seelen der Kinder singt. („Mütter singen ein Schlaflied“)
Wir vernehmen Kigulis dichterisches Credo: Mein Leben ist ein Lied/Verwoben in lauter Melodien/Ein afrikanisches Gedicht/Mein Leben ist eine Beschwörung/Unverständlich den Uneingeweihten. („Mein Leben ist ein Lied“) Doch wir vermeinen die feine Dichterin nun ein wenig verstanden zu haben: Susan N. Kiguli hat in ihrem Gedichteband Zuhause treibt in der Ferne politisches Leben ihres Kontinents dokumentiert, die Schandtaten benannt, aber vor allem die Stärken der Gegenspieler und seiner Menschen insgesamt beschworen, also Zukunft entworfen – nicht nur für Afrika. Es ist ihr in überzeugend lyrischer Manier gelungen.
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