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Volk ohne Traum XLIII
 

 

 

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Stinkegeld
Ein Statement von Uve Schmidt

Endlich!!! Die Geschichte wiederholt sich eben doch, am erkennbarsten in Akten der Zerstörung. Wer erinnert sich schon an die alljährlichen Nobelpreisverleihungen, da zumindest den Naturwissenschaftlern ein Stück menschlichen Fortschritts gutgeschrieben wird, wenngleich mit vieljähriger Verspätung zumeist, was kümmern uns Friedensschlüsse und Freundschaftsverträge, da die vorausgegangenen Schrecken ungleich nachhaltiger sind? Nur zufriedene Ehepaare erinnern sich gern an den Budenzauber ihrer kirchlichen Trauung und an die Gondelpartie auf dem stinkigen Canale Grande. Natürlich müssen die Deutschen nicht alle Tage an Auschwitz denken, und selbstverständlich erinnern sich die überlebenden Kriegsteilnehmer an den WK II und freuen sich, wenn die alten Wochenschauberichte uns auch auf dem Vormarsch zeigen (trotz häufiger Einblendung des Oberbefehlshabers). Da wir in Anbetracht der heutigen militärischen Machtverhältnisse bestenfalls über Piratenbekämpfung reflektieren dürfen, braucht es keine Marinemärchenerzähler à la Graf Luckner, solange Das Boot durch die mitteleuropäischen Nachtprogramme geistert, doch die Ereignisse dieses Schwarzen September nicht befürchtet zu haben, weil es keine Veteranen des Schwarzen Freitag mehr gäbe, auf deren warnende Stimmen man hätte hören können (wie dieser Tage ein junger angelsächsischer Analyst meinte), das schlägt dem Partyfaß den Zapfhahn  raus.

Wann immer nach 1950 unter Großsparern und Kleinaktionären nachgefragt wurde, ob denn jemals wieder eine Weltwirtschaftskrise denkbar wäre, ein Megafiasko wie der New Yorker Börsenkrach am 25. Oktober 1929 ( der Prolog zum verschärften Weltbürgerkrieg), kam Heiterkeit auf und es folgte das stete Garantieversprechen, daß die Fachleute längst daraus gelernt hätten und jede Bankfiliale im Busch sei ein Beweis dafür, auf welch hohem zivilisatorischen Niveau in der freien Welt mit Menschen und Mäusen umgegangen werde. In der Tat war der Kalte Krieg für die USA ein derartiges Mordsgeschäft, daß daran auch die deutschen Stehaufmännchen partizipieren durften und alle Länder Europas, die eine legale kommunistische Opposition hatten. Solange die Gefahr bestand, daß  es auf parlamentarischem Wege oder über Generalstreiks zur Bildung neutralistischer oder gar antiamerikanischer Regierungen kommen könnte, boten schlaraffische Schaufenster, volle Kühltruhen und Kleiderschränke die besten Argumente gegen Marxistische Manifeste. Und allem Anschein nach funktionierten die Bankenaufsicht und das Börsengesetz in der BRD lange ereignisreiche Jahrzehnte hindurch bei wachsendem Wohlstand bis dato: Noch nie  hatten wir so viele Millionäre, noch nie wurde Kinderarmut an der Höhe des Zigarettengeldes und der Geburtstagstorte bemessen. Und als „das Reich des Bösen“ sich schließlich von selbst auflöste, schien Gott mit uns zu sein. Doch in dem Moment, da der  Rote Stern auf der Kremlspitze erstmals in Friedenszeiten weisungsgemäß erlosch, erwachten die Untoten des Monsterkapitalismus. Seither wütet er und alle seine Beschwörer und Bekämpfer gelten als Spinner, Schurken & Scharlatane wie einst der Baron Frankenstein und Doktor van Helsing. Wer in den vergangen Monaten BILD, FAZ und TAZ las, wer in der Glotze die Experten, Talkgäste, Moderatoren und Politikerklärer sah und hörte, freute sich wie immer über die Meinungsfreiheit, übersah aber, das Deutschland einer Freibeuterrepublik immer ähnlicher wird und daß das Gezeter über den „gläsernen Staatsbürger“ den allgemeinen Rechtsstaatsverfall durchaus bestätigt, denn niemand wird dermaßen kontrolliert und überwacht auf Erden wie die Angehörigen von archaischen Clans, Diebesbanden und Gangstersyndikaten von ihresgleichen. Allein unsere Geldinstitute, die Börsen und deren Aufpasser waren davon de facto ausgenommen, und deshalb wird auch diesmal niemand gebrandmarkt werden, damit er weiterhin unerkannt weide und wildere unter den Schafen. Ergo werden nach einer Periode der Trümmerbeseitigung und Umetikettierung (worauf die Amis sich ja blendend verstehen!) die Geschäfte wieder aufgenommen werden.  Mittelfristig, wie ich hoffe, denn der nächste Crash dürfte das Leselämpchen im Globus für lange, finstere Zeiten verglühen lassen…

Als zu Beginn der Zwanziger Jahre Wegelagerer im Großraum Berlin mittels Strassenfallen Automobilisten stoppten und ausraubten, kam es zur Enthauptung eine Ehepaares durch ein straffgespanntes Stahlseil, was nur als fahrlässige Tötung angeklagt werden konnte, weil das damalige BStGB das gewaltsame Anhalten von Kraftfahrzeugen noch auf der Basis von Überfällen auf Postkutschen behandelte. Die Verteidigung trug zudem als strafmildernd vor, daß die Angeklagten selbst nichts von Autos verstünden und die physikalischen Faktoren bei Auffahrunfällen nicht einzuschätzen vermochten und niemand damit rechnen konnte, daß an einem späten, kalten Herbstabend jemand im offenen Cabrio unterwegs wäre. Daran muß ich denken, wann immer Kapitalverbrecher sich rausreden mit dem Sog der Sachzwänge und dem Fluch der Technik, etwa der Fehlbarkeit von Maschinen und den Unwägbarkeiten des Nachrichten- und Transportwesens. Eichmann in Jerusalem mochte und konnte sich nicht auf Zahlendreher in seiner Vernichtungsmaschinerie hinausflüchten, die Sprecher der „dümmsten Bank Deutschlands“ (BILD über die KfW) waren sofort sicher, daß die fatale Überweisung nach New York  „eine Computerpanne“ war.  Ich weiß, der Holocaust ist unvergleichlich, aber der Begriff der Schreibtischtäter ist nicht den Administratoren des Judenmordes vorbehalten, gilt er doch auch für deutsche Marinerichter und KZ-Barackenbauleiter, und deshalb müssen wir uns weder vorher noch nachher den Mund spülen, wenn wir in einem Atemzuge von Wirtschaftsverbrechern und Schreibtischtätern in Sachen Existenzvernichtung sprechen und damit die Verursacher neuen Massenelends meinen. Daß dann für Millionen Kretins, Arme und Sozialschmarotzer die Tafeln üppiger gedeckt werden, kann schon sein, doch ich rede von der Zerstörung unseres Mittelstandes, dem Rückgrat des homo faber, der damit nicht zum Tode verurteilt wäre, aber zur Querschnittslähmung. Daß die Schuldigen vermutlich nicht gegen geltendes Recht verstießen, weil die entsprechenden Gesetze und Bestimmungen fehlen und mangelndes Unrechtsbewußtsein kein Straftatbestand ist, sondern (siehe oben!) eher ein Strafmilderungsgrund, stimmt mich mitnichten versöhnlich.

Mir kann alles mögliche an Wertverlusten widerfahren, aber keine Privatinsolvenz, meint meine Lebensberaterin, das einzige Kind zweier Bankbeamter, auf die Welt gekommen, da Deutschland beinahe ein Agrarstaat geworden wäre mit einer nonkonvertierbaren Währung. Natürlich bangt sie um ihre winzige Wertpapiersammlung, doch wie fast alle anderen Beteiligten und Betroffenen glaubt sie weiterhin an die Selbstheilungskräfte des Finanzmarktes und an die Weitsicht der Weltwirtschaft. Von alttestamentarischer Weisheit hörte sie nichts, höchstens das Wörtchen Hiob, und das scheint mir insofern eine gute Botschaft, weil es das erste Mal wäre, daß die üblichen Verdächtigen offenbar keine Rolle spielen, zumindest nicht als namhafte Beschuldigte. Über den Ex-Chef der US-Notenbank schreibt DER SPIEGEL: „Greenspans Einschätzung (des freien Marktes) könnte sich als einer der teuersten Irrtümer der Weltgeschichte erweisen.“ Irren ist menschlich. Es scheint die Verstrickung der westlich wirtschaftenden Staaten derart dicht, daß es nimmer darauf ankommt, welche Volks- und Glaubensgemeinschaft die erfolgreichsten Spekulanten und Dollardenker stellt, solange man die Hausnummer allen Übels kennt (Washington, DC, White House), doch so einfach sei das nicht, meinen die Experten. Doch, meinte Lenin (Das Karussell der Macht), „denn heute Bankier, morgen Minister, heute Minister, morgen Bankier“, und so isses seit Olim, da Geld die Welt regiert. Daran wird sich nichts ändern, indes muß es nach diesem Schwarzen Freitag (15.4.08), der ein Montag war, nicht so weitergehen, als wäre nur ein systemimmanenter Betriebsunfall passiert, ein ärgerliches Naturereignis, für das niemand verantwortlich ist, geschweige haftbar und gleich gar nicht strafwürdig, wobei man eine Resozialisierung quasikrimineller Banker und Börsenjobber glatt vergessen kann.

„Vor die Schwurgerichte brachte man die kleinen Angestellten des Verwaltungsmassakers und die Tötungsarbeiter selbst. Wo aber blieben eigentlich die Planer und Strategen?“ hinterfragte und rügte Ralph Giordano neulich die Praxis der Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg. Abgesehen von der traurigen Wahrheit dieser uralten Lebenserfahrung, weiß Giordano wohl, daß die meisten Planer und Strategen der Shoa die ersten Nachkriegsjahre nicht überlebten, und daß viele Judenvernichter auf den Listen der israelischen und deutschen Fahnder zwar höherrangige SD- und SS- Leute waren, aber keine Wannseekonferenzveranstalter, geschweige Gestalten wie Dr. Mabuse und Fu Man Chu, denn zum weltanschaulichen Massenmord benötigt man keine speziellen Kräfte und sonstige Satansgaben; der Staatsauftrag langt völlig. Zum Börsianer allerdings muß man geboren sein, gegebenenfalls als Rosemary’s Baby…
                                                                       

 


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