Glanz@Elend |
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Schiffsmeldungen
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Mann oder Frau? Bedenkt man, daß die US-Amerikaner den Zweiten Weltkrieg mitgewonnen haben u.a. dank grosser Kontingente farbiger GI’s, welche auch beim Barras Bürger dritter Klasse blieben bis in die 60er Jahre, dann muß man sich nicht wundern, weshalb Obama als solcher (Afroamerikaner, aber kein 100%er Inländer!) als politische Figurine erst so spät erkoren wurde. Wahrscheinlich dachten die demokratischen Drahtzieher, daß ein Schwarzer ohne Sklavengene und prägende Rassismuserfahrungen weißer fühlt als seine dunklen Schwiegereltern. Natürlich wurden bei seiner Nominierung auch die Dritte Welt und die offiziell antirassistischen europäischen Nationen ins Auge gefaßt, doch eine unausgesprochene Abbitte bei Onkel Toms Großfamilie war es gewiß auch, by the way. Daß unsere kolonialistischen Todsünden in Afrika auf diesem Wege (Canossa, we can!) gesühnt gehören, darf nur denken, wer sich Roberto Blanco als ersten Ehrenbürger Deutschlands vorstellt. Tatsächlich wird selten des beste Mann, die beste Frau gewählt, sondern eine geeignete Person, d.h. das mehrheitsfähigste Schlitzohr mit möglichst gewinnendem Gesichtsschädel, und de facto waren bis auf Adenauer und Erhard alle folgenden Kanzler fotogene Männer mit Sex-Appeal, die auch von jüngeren Frauen gewählt wurden. Es wäre ungalant, über die Anziehungskraft Angela Merkels im Hinblick auf die männliche Wählerschaft zu spekulieren; auf Stimmberechtigte, denen Style und Schönheit schnuppe sind, kann die amtierende Kanzlerin nur vertrauenserweckend wirken als getreuliches Abbild ihrer bemerkenswerten Lebensgeschichte, einer Karriere wie im Volksmärchenbuch. Während ein Roma oder eine Sinti als BundeskanzlerIn erst infrage käme, nachdem der erste ziganische Generalmusikdirektor der Erde seine Memoiren verfasst hat (dito die erste ziganische Kreisschulrätin, Medizinprofessorin oder Generalstaatsanwältin) oder einfach nur ein ganzer Jahrgang Nomaden das Abitur oder den Facharbeiterbrief gemacht hat, bleiben nicht wenige ehrgeizige Talente völlig chancenlos, sofern ihnen das Innenministerium nicht frühzeitig zu einer neuen Identität verhülfe. Zwar sind sie meisten weiblichen Pornostars kinderlos geblieben und die wenigen Enkel deutscher RAF-Prominenz bislang nicht durch staatsmännisches Profil aufgefallen, doch es gibt weiterhin deutsche Herrscherhäuser und Kindeskinder von Nazigrößen, wozu die ähnlich kompromittierte Generalskaste nicht rechnet, desgleichen der Nachwuchs von Kriegshelden des WK II, zumeist Personen, die ihre seinerzeit berühmten Ahnen nie kennen lernten. Es konnte „d’r Kloine vom Rommel“ zwar Oberbürgermeister von Stuttgart werden, aber in einer unserer größeren Metropolen hätte ein ortsansässiger Generalfeldmarschallssohn keine stadtväterliche Perspektive gehabt, und die zahlreich überlebenden Ritterkreuzträger vermochten zwar ihre Söhne zu protegieren, doch deren Wahlkämpfe nur durchs Fernbleiben zu fördern. Beim Hochadel liegen die Dinge anders: Schwarze Schafe werden nur von der Boulevardpresse geschätzt, geachtete und erfolgreiche Fürstensprosse machen es nicht unter dem Schloss Bellevue als avisiertem Amtssitz: So kann man jederzeit mit der regierenden aristokratischen Mischpoke tafeln, muß aber nicht jeden Strauchritter empfangen. Natürlich wurde in 60 Jahren Bundesrepublik diskret erwogen, unbelastete Hoheiten oder international renommierte Nobelpreisträger (Wissenschaftler!!!) ins höchste Amt zu lotsen, wenn die Parteien sich nicht arrangieren konnten oder die Öffentlichkeit nach einem überparteilichen Hausherrn rief, doch stets obsiegte das Proporzdenken. Die Kanzlerin verdankt sich letztlich Alice Schwarzer, d.h. der politischen Gelegenheit zufolge einer personalen Verlegenheit. Bevor Merkel mit dem Wahlverlierer Stoiber frühstückte, hatte sie mit der EMMA-Chefin genachtmahlt. Seither führt sie mit eiserner Hand und trotz vieler Versprecher hat sie sich noch nie verplappert.
Es waren unsere dümmsten Parlamentarier und Politiker nicht, die ihre Ämter
abgeben mußten ohne Aussicht auf Rehabilitierung wegen verbalen Vertuns;
zumeist stolperten sie über Worte zur Reflektion des Dritten Reiches, in
aller Unschuld, aber im Radar des Zentralrats. Als neulich ruchbar wurde,
daß die Datschenbesitzerin Merkel sich das alte Kopfsteinpflaster ihres
Zuweges asphaltieren ließ (auf eigene Veranlassung und Kosten), assoziierte
ich sofort Stolpersteine und die Überlegung, daß dieses Stück
Feldstrasse womöglich ein Abschnitt des jüdischen Leidensweges gewesen sein
könnte, was theoretisch ja nicht auszuschließen ist, falls sich vor Ort
Zeugen der Deportierung oder eines Todesmarsches fänden, oder ärger noch,
daß das Pflastermaterial aus einem antiken jüdischen Friedhof stammt. Wir
erkennen: Das politische Überleben unserer Politiker hängt nicht allein von
den Leibwachen ab, es ist in der Bundesrepublik Deutschland gefährdeter als
anderswo. Und der Bürger lernt, daß seine gewählten, sehr gut bezahlten und
versicherten Volksvertreter es nicht nötig haben, silbrige Löffel zu stehlen
aus der Kanzleramtsküche oder geheime Kanzlertortenrezepte an die
Vereinigten Emirate zu verticken. Auch die in den obersten Etagen der
deutschen Politik grassierende Lockerung der sexuellen Sitten legt dem
Wahlvolk den Verdacht nahe, daß unsere Obrigkeiten sich beim Regieren und
sonstigen politischen Tagewerken keinen libidinösen Zwang mehr antun, was
erheblich gesünder ist als asexuelle Herrschsucht. Und wenn wir genau
hinschauen, werden wir feststellen, daß die Herren und Damen täglich gar
nicht anders können, als ihre Arbeitszeit bei Friseuren, Masseuren, Hand-
und Fußpflegerinnen, bei Maßschneidern und Zahnärzten und anderen
Medizinern, Wahrsagern, Ernährungsberatern, Fitnesstrainern, Sprachlehrern,
Innenarchitekten, Barkeepern und Journalisten zu verbringen, ungeachtet
aller anderen Erledigungen, die man/frau nicht delegieren oder schwänzen,
bzw. sein lassen könnte. Sie können schon deshalb nicht, weil sie all das
brauchen, um in der ihnen verbleibenden Zeit Politik zu machen, selbst wenn
ihnen der Job von Assistenten und Praktikantinnen erleichtert wird. Da in
solch einem Arbeitsalltag derzeit der wirtschaftliche Weltuntergang
geschaukelt werden muß nach alter Hausmuttermanier, dünkt mich die
nordostelbische Physikerin – herausgetreten aus dem langen Schatten der
unbekannten Trümmerfrau – nachgerade eine Lichtgestalt am Anfang des
Tunnels… |
Abendlanddämmerung |
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