Glanz@Elend |
Volk ohne Traum
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Als Nicolas et Carla ihren ersten Staatsfeiertag im Amte feierten (u.a. als Gastgeber der UNO, der EU und Sarkosys neuem Mittelmeerclub) beim Defilee auf den Champs Elyseés, da war das wie an jedem 14. Juli eine Militärparade, im Prinzip, und wenn ich nicht in Frankfurt-Eschersheim französische Sender empfangen könnte, wär ich wiedermal nicht dabei gewesen. Wieso verstopfen wochenlang die Tour de France und tagelang die Berlinale unsere Kanäle, versaut der Karneval mir die Feierabende und der Skizirkus uns die Weihnachtszeit bis zur Firnschmelze, weshalb ist auch ohne das Zutun von Daniel Kübelböck jeder umgekippte Gurkenlaster gut für eine Reportage in Fortsetzungen, aber die Bundeswehr niemals eine klingende Feldpostkarte wert? Alle Stände (die Plebejer füllen ganze Sender) gehen im Fernsehen auf Frauenfang, aber kein „Soldat sucht Kameradin“, keine musikalischen „Manövergrüsse“ erschallen, keine Sportfestberichte aus den Standorten erfolgen, geschweige eigene Sendungen. Zwar wird zuweilen ein Grosser Zapfenstreich geboten zur Verabschiedung eines Amtsinhabers, in voller Länge, doch dieses Bukett aus Geburtstagsständchen, Requiem und Wunschkonzert zündet trotz Fackelzug bei niemandem so recht, denn es ist ein steifes und störanfälliges Gedenken und deshalb, so scheint mir, wird es ausgestrahlt. Natürlich gibt es ein paar Mal pro anno Internationale Meetings von Militärkapellen, doch besteht die Teilnehmerschaft zunehmend aus Feuerwehr-, Polizei- und Stadtmusikanten aller Herren Entwicklungsländer, die auch beim Fasching in Rosenheim aufspielen, wenn man sie bezahlt. Nein, es ist nicht unsere Weise, solange das Grundgefühl unter scheppernden Blechdeckeln mit allen Kräften niedergehalten wird von den Manipulatoren der Volksmusik, der Jugendkultur und der Massenunterhaltung. Zwar zahlen die Leute gutes Geld dafür, doch sitzen sie längstens im Römischen Circus und in der Kaiserloge schalten die Stadionsprecher der Plutokratie.
Zugegeben: Das
militaristische Deutsche Kaiserreich und das kriegswütige Naziregime wären
falsche Maßstäbe, und was im übrigen Europa an militärischer
Traditionspflege sichtbar wird, sind mehr Veteranenumzüge und Garnisonsfeste
als Protzparaden in der Hauptstadt, aber einen (1) grossen Auftritt im Jahr
haben sie fast alle, und den sollte auch Deutschland sich gestatten. Nur
wann, da allen anderswo veranstalteten grossen Aufmärschen der Streitkräfte
eine martialische Geschichtsstunde vorausging: Ein militärischer Sieg über
den Erzfeind, die gewaltsame Geburt einer Nation, deren blutige Befreiung
oder die Bildung eines neuen Staates unter Waffen. Nach dem Hickhack um
einen deutschen Staatsfeiertag unter Zugrundelegung der Wiedervereinigung
Deutschlands durch Mahatma Schorlemmer kann es nur eine Lösung geben: Den
einzuführenden schulfreien Tag der Bundeswehr. Vermutlich sind
erfolgreiche Fußballer beliebter als Soldaten, auch deshalb, weil sie
unvergleichlich mehr verdienen können bei erheblich geringerer Lebensgefahr,
aber verhasst ist das Militär nicht. Das Affentheater um einen
Kriegsverdienstorden für die Bundeswehr hat in der Öffentlichkeit vor allem
Verwunderung ausgelöst: Bislang glaubte man, es habe nur an Gelegenheiten
gemangelt, nicht am Klimbim. Zentraler Zankapfel war die Wiederverwendung
des Eisernen Kreuzes als Grundform; über andere Orden wurde coram publico
gar nicht gesprochen, dabei liegt es auf der Hand, daß spezielle und ganz
besondere soldatische Leistungen unterschiedlich dekoriert gehören. Und echt
rührend war es, wie Altkanzler Helmut Schmidt ohne Zigarettenpause seine
Gedanken zum Gelöbnis der Bundeswehr am 20. Juli vor dem Reichstagsgebäude
in das Schlußversprechen fasste: „ Dieser Staat wird Euch nicht
mißbrauchen!“ Wie will er verhindern, daß Vorgesetzte sich ihrer
Untergebenen bedienen? Was, wenn ein national gemischter Verband bei einem
Einsatz in Kriegsverbrechen verstrickt wird, für die üblicherweise niemand
Verantwortung übernimmt, noch zu der Einsicht sich bequemt, es sei ein
Kriegsverbrechen begangen worden? Wieso stehen vor Gericht immer nur die
gesellschaftlichen Versager und die militärischen Verlierer? Vielleicht war
das Berliner Grünflächenamt so falsch nicht beraten, als es dem
Verteidigungsministerium verbieten wollte, die Rekrutenvereidigung auf
städtischem Rasen zu zelebrieren, und es dürfte auch nicht nur um ein paar
Bäume gehen, welche die Erbauer des Ehrenmals der Bundeswehr nicht
fällen dürfen, obwohl die den Fernblick auf die Gedenkstätte verstellen.
Der Gärtner als Wehrkraftzersetzer erscheint mir zwischen Olivenzweigen und
Eichenlaub als eine eher schelmische Figur – wie aber will man ohne feste
Haltung und deutliche Ziele über Krieg und Frieden befinden? Die Pazifisten
und die Antideutschen wissen, was sie wollen, die regierenden
Landschaftsgestalter denken an eine Silberne Pflugschar für
Rüstungslobbyisten... |
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