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Tschingderassassabumbum
Ein Statement von Uve Schmidt

KRIEG! titelte BILD, als russische Panzer neulich in Georgien feuerten, nachdem Saakaschwili den Einmarsch seiner Soldaten in Südossetien befohlen hatte. Obwohl viele Regionen der Erde sich quasi im Kriegszustand  befinden und BILD das Substantiv nicht selten in anderen Kontexten benutzt (Fußball, Wirtschaft, Eheaffären) und ich über andere Ereignisse by BILD unter noch größeren Lettern las, ließ mich der Aufmacher sofort an Extrablätter in unseligen Zeiten denken. Früher (zuletzt 1939) wären solche Schlagzeilen in Deutschland freilich unterblieben, denn gerade ein hochgerüsteter Aggressor haut wörtlich nicht auf die Pauke; er schlägt die Trommel und stößt ins Horn. Dennoch fragte ich mich, ob nur die aktiven und passiven  Kriegsteilnehmer von damals derlei assoziieren oder jedermann, der Geschichte kennt und Nachrichten hört, beim bloßen Erkennen der Vokabel KRIEG als Headline nicht auch denken könnte, daß parallel zum russischen Vormarsch im Kaukasus russische Marineverbände in die westliche Ostsee eingelaufen seien, um hier wie da die Pipelines zu sichern, während auf den deutschen Marktplätzen bereits Freiwillige für den Zivilschutz formiert würden. Tatsächlich sind die Verhältnisse derart friedlich hierzulande, daß es einen graust: „Bundeswehr nur bedingt einsetzbar“, meldete am 11.08.08 DER SPIEGEL, denn „schlechte Ausrüstung und altes Gerät gefährden die Sicherheit der Truppe“. Unterdessen steigt zwischen Armenien und den Azoren die Flüchtlingsflut aus Asien und Afrika, hauptsächlich aus Krisengebieten. Als daraufhin in Italien der nationale Notstand ausgerufen wurde und zur Verstärkung der Exekutive das Militär im Strassenbild erschien, wurde in Berlin und Brüssel lamentiert, Berlusconi probe den Staatsstreich  und überhaupt seien solche „militanten Überreaktionen völlig unangebracht in humanitären Härtefällen“ (DIE GRÜNEN), aber die massenhafte illegale Einwanderung gestaltet sich längst mit allen Mitteln und in allen Techniken antiker Belagerungen und wenn uns auch noch keine Felsbrocken und Feuertöpfe über die Stadttore geschleudert wurden, so doch Kinder und Koffer und der Müll intra muros. Bevor jedoch die ersten illegalen Immigranten ihre  Suppe unter dem Schutz von Bundeswehrbajonetten entgegennehmen, müßte geklärt werden, weshalb die Präsenz der Bundeswehr im öffentlichen Raum und ihre Selbstdarstellung im eigenen Rahmen einen  Dauerkonflikt mobilisiert mit Personen und Institutionen, welche  weder grössere Bevölkerungsteile, noch Mehrheiten in ihren eigenen Reihen (DGB, Kirchen, Kultusgemeinden) vertreten. Da die hartnäckigste Gegnerschaft pazifistischen, antifaschistischen und antideutschen Idiosynkrasien entspringt, erübrigen sich rationale Klärungsversuche, doch die diesbezüglichen Eiertänze und Verdrückungen unserer „Volksvertreter“ als politischen Gestaltern unserer Souveränität müssen aufgezeigt und hinterfragt werden.

Als Nicolas et Carla ihren ersten Staatsfeiertag im Amte feierten (u.a. als Gastgeber der UNO, der EU und Sarkosys neuem Mittelmeerclub) beim Defilee auf den Champs Elyseés, da war das wie an jedem 14. Juli eine Militärparade, im Prinzip, und wenn ich nicht in Frankfurt-Eschersheim französische Sender empfangen könnte, wär ich wiedermal nicht dabei gewesen. Wieso verstopfen  wochenlang die Tour de France und tagelang die Berlinale unsere Kanäle, versaut der Karneval mir die Feierabende und der Skizirkus uns die Weihnachtszeit bis zur Firnschmelze, weshalb ist auch ohne das Zutun von Daniel Kübelböck jeder umgekippte Gurkenlaster gut für eine Reportage in Fortsetzungen, aber die Bundeswehr niemals eine klingende Feldpostkarte wert? Alle Stände (die Plebejer füllen ganze Sender) gehen im Fernsehen auf Frauenfang, aber kein „Soldat sucht Kameradin“, keine musikalischen „Manövergrüsse“ erschallen, keine Sportfestberichte aus den Standorten erfolgen, geschweige eigene Sendungen. Zwar wird zuweilen ein Grosser Zapfenstreich geboten zur Verabschiedung eines Amtsinhabers, in voller Länge, doch dieses Bukett aus Geburtstagsständchen, Requiem und Wunschkonzert zündet trotz Fackelzug bei niemandem so recht, denn es ist ein steifes und störanfälliges Gedenken und deshalb, so scheint mir, wird es ausgestrahlt. Natürlich gibt es ein paar Mal pro anno Internationale Meetings von Militärkapellen, doch besteht die Teilnehmerschaft  zunehmend  aus Feuerwehr-, Polizei- und Stadtmusikanten aller Herren Entwicklungsländer, die auch beim Fasching in Rosenheim aufspielen, wenn man sie bezahlt. Nein, es ist nicht unsere Weise, solange das Grundgefühl unter scheppernden Blechdeckeln mit allen Kräften niedergehalten wird von den Manipulatoren der Volksmusik, der Jugendkultur und der Massenunterhaltung. Zwar zahlen die Leute gutes Geld dafür, doch sitzen sie längstens im Römischen Circus und in der Kaiserloge schalten die Stadionsprecher der Plutokratie.

Zugegeben: Das militaristische Deutsche Kaiserreich und das kriegswütige Naziregime wären falsche Maßstäbe, und was im übrigen Europa an militärischer Traditionspflege sichtbar wird, sind mehr Veteranenumzüge und Garnisonsfeste als Protzparaden in der Hauptstadt, aber einen (1) grossen Auftritt im Jahr haben sie fast alle, und den sollte auch Deutschland sich gestatten. Nur wann, da allen anderswo veranstalteten grossen Aufmärschen der Streitkräfte eine martialische Geschichtsstunde vorausging: Ein militärischer Sieg über den Erzfeind, die gewaltsame Geburt einer Nation, deren blutige Befreiung oder die Bildung eines neuen Staates unter Waffen. Nach dem Hickhack um einen deutschen Staatsfeiertag  unter Zugrundelegung der Wiedervereinigung Deutschlands durch Mahatma Schorlemmer kann es nur eine Lösung geben: Den einzuführenden schulfreien Tag der Bundeswehr. Vermutlich sind erfolgreiche Fußballer beliebter als Soldaten, auch deshalb, weil sie unvergleichlich mehr verdienen können bei erheblich geringerer Lebensgefahr, aber verhasst ist das Militär nicht. Das Affentheater um einen Kriegsverdienstorden für die Bundeswehr hat in der Öffentlichkeit vor allem Verwunderung ausgelöst: Bislang glaubte man, es habe nur an Gelegenheiten gemangelt, nicht am Klimbim. Zentraler Zankapfel war die Wiederverwendung des Eisernen Kreuzes als Grundform; über andere Orden wurde coram publico gar nicht gesprochen, dabei liegt es auf der Hand, daß spezielle und ganz besondere soldatische Leistungen unterschiedlich dekoriert gehören. Und echt rührend war es, wie Altkanzler Helmut Schmidt ohne Zigarettenpause seine Gedanken zum Gelöbnis der Bundeswehr am 20. Juli vor dem Reichstagsgebäude in das Schlußversprechen fasste: „ Dieser Staat wird Euch nicht mißbrauchen!“ Wie will er verhindern, daß Vorgesetzte sich ihrer Untergebenen bedienen? Was, wenn ein national gemischter Verband bei einem Einsatz in Kriegsverbrechen verstrickt wird, für die üblicherweise niemand Verantwortung übernimmt, noch zu der Einsicht sich bequemt, es sei ein Kriegsverbrechen begangen worden? Wieso stehen vor Gericht immer nur die gesellschaftlichen Versager und die militärischen Verlierer? Vielleicht war das Berliner Grünflächenamt so falsch nicht beraten, als es dem Verteidigungsministerium verbieten wollte, die Rekrutenvereidigung auf städtischem Rasen zu zelebrieren, und es dürfte auch nicht nur um ein paar Bäume gehen, welche die Erbauer des Ehrenmals der Bundeswehr nicht fällen dürfen, obwohl die  den Fernblick auf die Gedenkstätte verstellen. Der Gärtner als Wehrkraftzersetzer erscheint mir zwischen Olivenzweigen und Eichenlaub als eine eher schelmische Figur – wie aber will man ohne feste Haltung und deutliche Ziele über Krieg und Frieden befinden? Die Pazifisten und die Antideutschen wissen, was sie wollen, die regierenden Landschaftsgestalter denken an eine Silberne Pflugschar für Rüstungslobbyisten...  
                                                                       

 


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