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Magazin für Literatur und Zeitkritik
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Volk ohne Traum
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Man träumt Deutsch

Ein Statement von Uve Schmidt

Wir auch! So lautet bündig die politisch korrekte, nicht gegen Einwanderer gerichtete Begründung des vom Bundesparteitag der CDU beschlossenen Antrags, Artikel 22 des Grundgesetzes um den Satz »Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch« zu ergänzen, denn man wolle eine Verfassungsbestimmung über die Landessprache, wie sie siebzehn von siebenundzwanzig Staaten der EU bereits haben, nämlich Belgien, Bulgarien, Estland, Finnland, Frankreich, Irland, Lettland, Litauen, Malta, Österreich, Polen, Rumänien, die Slowakei, Slowenien und Zypern! FAZ, Feuilleton, 4.12.08

Soweit die Einleitung des Artikels von Patrick Bahners, der sich im weiteren mit  dem Heiligen Römischen Reich deutscher Zunge befasst und weshalb in fernen Zeiten niemand Probleme hatte, das Selbstverständliche zu betonen, aber nicht extra zu dekretieren veranlasst war. Bahners, der als führender Donaldist natürlich dagegen ist, lässt uns im Unklaren, ob und wie die CDU ihren Vorschlag eigentlich begründete, indes vermeldet er, daß »einhellige Ablehnung dem CDU-Projekt in der Öffentlichkeit entgegenschlägt«, und er vermutet, »daß das einen Grund im Zweifel an der Sprachbeherrschung der politischen Klasse hat«. Meint er etwa, unsere Politiker, Beamten und Deputierten, die Lobbyisten, Manager und sonstigen Demokratieexperten würden sich dem deutschen Volke am liebsten in Denglish erklären, so, wie einst die absolutistischen Landesherren und ihre Hofschranzen bevorzugt Französisch sprachen, weil es beim Adel en vogue und äusserst praktisch war, um von den Leuten nicht verstanden und von den Domestiken nicht belauscht zu werden? Sollten die genannten europäischen Staaten (s.o) die einzige Begründung sein, ließe sich erhellen, was jene für Gründe haben könnten: In erster Linie vermutlich Minderheiten mit dem Hang zur Autonomie. Diesbezüglich plagen Paris mit wechselndem Eifer und unterschiedlicher Gewichtung die Korsen, Basken, Bretonen, Elsässer und Okzitanier, hingegen können fast alle farbigen Immigranten Französisch, auch die Chinesen, da sie mehrheitlich aus Indochina stammen, aber nicht alle Araber und Schwarzafrikaner können’s, wohl aber die meisten Rumänen und Polen und alle Roma und Sinti, wenn sie wollen. Da Frankreichs Erzfeinde – Briten und Deutsche – nie im Sinn hatten, die »Froschfresser« zu germanisieren, dürfte sich die Académie francaise mit Fug nur vor den überseeischen Invasoren und deren Kollaborateuren fürchten. Ich denke, die Franzosen haben ihr Französisch unter Verfassungsschutz gestellt, weil sie ihre Muttersprache als das höchste Kulturgut betrachten, welches mehr noch als das Vaterland (konkret eine Insel im Mittelmeer oder ein paar Pyrenäendörfer) der besonderen staatlichen Obacht und Pflege bedarf: »Die Heimat ist das Nest, der flügge Vogel die Sprache« (Laotse). Wir hingegen haben keine nationalen Minderheiten mit eigenstaatlichen Ambitionen o .ä., aber jede Menge Akademien für Sprache und Dichtung, deren Wirken sich definitiv im Tisch- und Sesselrücken erschöpft; irgendeine kulturpolitische Gestaltungsmacht besitzen sie nicht und beanspruchen sie nicht. Vielleicht, weil wir zwar zwei  Weltkriege und riesige Hoheitsgebiete verloren haben, doch außer den Sprachen der Besatzer im Schulunterricht und dem Verbot von Naziliteratur im öffentlichen Angebot keine mir erinnerbaren unzumutbaren Gängelungen des Muttersprachgebrauchs in Wort und Schrift hinnehmen mußten, etwa derartige, wie Hitler sie für den »Ostraum« vorgesehen hatte, um die besiegten Slawen als Sklaven buchstäblich mundtot zu machen.

Für alle Welt waren wir nicht die Geißel: Die Finnen z.B. darbten die längste Zeit als unfreiwillige Untertanen der schwedischen Krone, später des Zaren. Slowenen, Slowaken, Polen und Balten wurden durch Jahrhunderte die Opfer ihrer jeweils stärksten Nachbarn; Rumänien, Bulgarien und das griechische Zypern waren jahrhundertelang türkisch besetzt oder bedrängt, Spanien wurde permanent von seefahrenden Nachbarn bedroht und ist bis heute im Inneren vom Separatismus  erschüttert. Malta war Kronkolonie und Belgien ist ein dreigeteiltes Zweisprachengebilde ohne wirkliche Eintracht. Allein Österreich sollte uns wahrhaftig Vorbild sein, da es nach den Kinderjahren seiner Zweiten Republik schulamtlich zum Deutsch zurückgefunden hat, während wir auf dem Wege zur globalen Lingua franca den Idiotenhügel der Amerikanisierung hinabschlittern: Quietschvergnügt und unaufhaltsam selbstzerstörerisch. Wem schadete es denn, wenn jener  Kernsatz im Grundgesetz stünde? Wenn wir das Deutschdilemma unter in Deutschland lebenden genuinen Ausländern beklagen, dann reden wir zuerst von den Türken, weil sie die mit Abstand größte Volksgruppe bilden, weil sie eine besondere historische Beziehung zu uns zu haben behaupten und weil die moderne Türkei sich der sinnreichsten und effizientesten Kulturrevolution aller Zeiten verdankt, der Nationalstaatsschöpfung des Atatürk. Wir ignorieren, daß Atatürk am 10. November 1938 starb und die Kemalisten heute in der schwächsten Phase ihrer politischen Geschichte stehen, daß die Deutsch-Türkische Freundschaft ein Militärbündnis zwischen imperialistischen Monarchien war, und je größer eine nationalistische Diaspora ist, umso geringer ihre Integrationskräfte. Außer der Türkei gibt es keine ausländische Macht, welche die stupende Arroganz ihrer Millionen Landsleute gegenüber der Sprache des Gastlandes und dessen  diversen Offerten zum Erlernen bzw. Verbessern des Deutschen derart gleichmütig zur Kenntnis nimmt und die kontraproduktiven Positionen der Elternhäuser und türkischen Kultusbeauftragten bestenfalls belächelt, die Opposition der Moscheen und Mutterlandsvereine sowie die Hetze türkischer Medien jedoch stiekum unterstützt. Ich bezweifle dennoch, daß die Hohe Pforte die Dardanellen sperrte für unsere Ausflugsflotte und in Kleinasien die deutschen Datschen brennen, falls wir ins Grundgesetz schrieben, unser Nationalgericht sei Schweineschnitzel mit Kartoffelsalat. Natürlich ist auch der Zentralrat kein Freundeskreis deutscher Lippenbekenntnisse (schon gar nicht beim Bier!), aber gegen den Schutz der Sprache von Marx und Freud, Kafka und Maxim Biller kann man bzw. frau schlecht motzen. Wer oder was bleibt dann an »Öffentlichkeit«, von der »einhellige Ablehnung ausgeht«? Daß  deutschschreibende freie Journalisten und die Pressestellen der politischen Parteien und Körperschaften sich überwiegend dagegen aussprachen, sei zunächst dem angefangenen Wahlkampf geschuldet; sollte es in diesen Wochen einem sozialdemokratischen Apotheker gelingen, mit einem Extrakt aus versteinerten Lebkuchen eine weltbekannte, noch unheilbare Krankheit zu heilen, müßte er seine Mitgliedschaft verschweigen oder austreten; andersrum könnte die BILD-Headline »CDU: Wir können den Krebs besiegen!« der Partei die Alleinregierung für hundert Jahre bescheren oder eine Mordsanklage vor dem Bundesverfassungsgericht, während die FDP sich des Universalarztes Grönemeyer als Kanzlerkandidat versichert und DIE LINKE eine renommierte Wunderheilerin aus Nishni Nowgorod mit eigenem Ordinations-Zelt über die westdeutschen Marktplätze ziehen läßt. Wem also soll der vorauseilende Opportunismus, die präventive Fremdenfreundlichkeit nützen? Den Illegalen, den Faulpelzen, den Dummköpfen, den Etikettenschwindlern und den Antideutschen, der GEW und dem Wahlkreis Ströbele?

Fast wäre ich  der Schwiegervater von Adnan Maral (Türkisch für Anfänger) geworden – an mir und am Deutsch scheiterte es nicht. Wenn es darum geht, geht das nicht ohne die besser Deutsch als viele Deutsche deutschsprechenden Ausländer, und zwar ehrenamtlich und ohne den Stimmungsaufheller Fernsehkamera und ohne Promibonus. Sollen doch mal die Dönerbudenbetreiber, die Änderungsschneiderinnungsmeister und die Frisiersalonsuleykas dartun, wieweit sie ihr ausreichendes bis tadelloses Deutsch geführt hat auf der Karriereleiter – wir müssen uns eingestehen, daß besonders gut Deutsch sprechende Zeitgenossen jeglicher Provenienz richtige Großverdiener und Publikumslieblinge nur als künstlerische Mundwerker werden können, und um das zu werden, muß man  vor allem noch Grips, Glück & Talent haben. Auch wenn wir neben jede Ladenkasse, über alle Schulwandtafeln, Bank-, Bahn- und Behördenschalter und überall dort, wo »südländische Teenager« rumhängen, statt den Erlkönig auswendig zu lernen, wenn also die ganze Republik zugeschildert würde mit der geschmähten Grundgesetzergänzung: Was, wenn dann übers Jahr Abertausende perfekt Deutsch (mittlerer Wortschatzbestand) sprechende Nichtdeutsche ihre Ausbildungsplätze als Stadionsprecher, Oberkellner, Fernsehansager und Talkmaster einfordern, den Job beim Regionalradio oder eine Nebenrolle im nächsten 007? Entweder war etwas ganz anderes gemeint oder der Text ist unvollständig, denn es fehlt der Zusatz: »Die Bundesrepublik Deutschland ist das erheblich reduzierte historische Stammesgebiet der Deutschen. Stammesfremde Personen werden deutsche Staatsbürger nur auf dem Dienstwege durch eine Entscheidung der örtlichen Ältestenräte; den Ältestenräten gehören nur Deutsche an, deren Urgroßeltern bereits Deutsche waren.« Oder so ähnlich. Über den »Dienstweg« und gewisse Ausnahmeregelungen muß noch diskutiert werden, aber wen interessiert das schon?  Die, die es angeht, lesen heuer höchstens Horoskope unchristlicher Kalender oder aus der Mokkatasse. Happy New Year!
 

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