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Denkmalsdeutsch
Ein Statement von Uve Schmidt
Seit Bildhauer
und Personenkultbeauftragte kooperieren, gibt es Denkmäler, welche Spott,
Entrüstung oder Hass auf sich ziehen, weil die Standbilder weltlicher
Figuration & Funktion von den Untertanen bezahlt und begrüßt werden mußten,
mehr oder weniger unfreiwillig. Und natürlich boten die lebensgroßen
Herrschaften sich förmlich an, geschmäht oder verunziert zu werden, wenn die
Tabaksteuer erhöht wurde oder Schlimmeres „von oben" kam. Mit dem Ende der
Monarchie fegte freilich kein Denkmalssturm über die deutschen Marktplätze
und Feldherrnhügel, und für eine neue, republikanische Denkmalskultur fand
sich keine Mehrheit. Nur die Kriegerdenkmäler wurden mehr und mehr, bis auf
unsere Tage, wovon ich die Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.
ausdrücklich ausnehme, und daß die jüngsten deutschen Gefallenen in heißen
Ländern keine kolossale Rambo - Statue à la Sankt Michael erhalten (im
Berliner Tiergarten oder am FRAPORT), verbietet noch der gute politische
Geschmack. Gewiß herrschte in der DDR wie in jeder dekorationswütigen
Diktatur die absolute Vollbeschäftigung von Plakatmalern und
Promibüstenplastikern etc., deren allermeiste Hinterlassenschaften den Weg
allen Gipses gegangen sind, doch immerhin ist Deutschland auf diesem
historischen Umwege zu öffentlichem Eigentum an etlichen künstlerisch
gelungenen Metallgüssen und Steinskulpturen gelangt, die sonst in unseren
Grenzen nicht gelitten wären. Soviel zur denkmalsdeutschen Geschichte; eine
andere Sache ist das Problem mit der Kunst am Bau und Kunstwerken im
öffentlichen Raum, Gestaltung ohne politische, religiöse oder sonstwie
weltanschauliche Sinnstiftung. Wie wir wissen, hatten es die meisten
modernen Künstler zu ihrer Zeit nie leicht, aber wo immer sie sich mit ihren
Werken in der Öffentlichkeit bleibend durchsetzten, ist es ihnen sehr gut
gelungen; mit den Zeugnissen der urbanen Nachkriegsmoderne hingegen haben
sich Millionen deutscher Zeitgenossen noch immer nicht versöhnt. Von den
„schöner" gewordenen Dörfern in West und Ost mit ihrem Märchenbrunnenkitsch
in total gänsefreien Gemeinden und den Wanderwegen voller Wurzelbehandlungen
und Motorsägemonstern, möchte man sowieso schweigen, gilt es doch den
Fremdenverkehr zu schonen.
Was sich auf dem Vorfeld der Denkmalsenthüllungen getan hat seit dem letzten
Deutschen Kaiserreich, der denkmalschöpferisch produktivsten Epoche der
Deutschen Geschichte, das wissen wir vor allem dank einer riesigen und
rührigen Presselandschaft, welche alle Facetten des Patriotismus (inklusive
die Interessen nationaler und religiöser Minderheiten im Reich) vertrat. Und
selbstverständlich waren Denkmäler damals nicht bloß die bevorzugten, weil
oft einzigen relevanten Ansichtskartenmotive deutscher Kleinstädte und
Kuhbläken, sondern von Brakelsiek bis Berlin soziale Sammelplätze für alle
Stände, und selbstredend boten das Kaiserreich und die ihm folgenden Reiche
jede Menge Gedenktage, an denen Zehntausende in den Metropolen und Millionen
reichsweit zu klingendem Spiel & Fahnenpracht aufmarschierten, alles Anlässe
der Überzeugungsfeierlichkeit und Lebensfreude. Ob viele nicht und wie viele
überzeugt sind vom Glück & Gewinn unserer 1989 wiedererlangten staatlichen
Einheit, dürfte keine zu klärende Voraussetzung gewesen sein für den
Beschluß, den Deutschen ein zentrales monumentales Einheitsdenkmal zu
errichten. Ob wir es benötigen, ist eine andere Frage, die a) mit Verweisen
auf bestehende authentische Gegebenheiten sich erübrigt und b) davon
abhängt, wie die Findungsgremien und Vorabentscheider nunmehr vorgehen
werden, denn nachdem eine grosse Ausstellung (na, Vorzeigung) der
eingereichten (alle??) Vorschläge in B. zu besichtigen ist (war) und die
Medien einige exemplarische (d.h. subjektiv selektierte) Wettbewerbsbeiträge
vorführten, offenbart sich ein Dilemma grundsätzlicher Natur: Der Urzwist
zwischen Form und Sinn.
Seit „Ausbruch der Moderne als Staatsästhetik des Kapitals" (Bazon Brock)
hat sich die Formfindung als Design etabliert, um realistische Innerlichkeit
und Informell zu arrangieren recte beides zu ersetzen durch nonerogenen
Materialfetischismus und technologisches Gehabe. Und solange wir noch als
Exportweltmeister hochgejubelt werden von der Politik, halten unsere
beamteten Beweger die Kunst im öffentlichen Raum, speziell die gestalteten
Panzersperren vor Regierungsbauten und die sogenannten Kranzabwurfstellen in
erster Linie für Arbeitsproben unseres ingeniösen Industrieschaffens. Was
den Volkshumor betrifft, sei er der federführenden Journaille geschenkt, und
ob das Rostgetüm vor der Bundeskanzlerei einem Ölsardinendosenschlüsselbund
ähnelt oder den eisernen Willen vorausgegangener Kanzler versinnbildlicht,
ist allen Involvierten wirklich wurscht. Hauptsache ist, ob die Grosse
Koalition das Einheitsobjekt zur Hauptstadtsache macht oder das Denkmal an einem idealen,
d.h. historisch relevanten, schönen und verkehrsgünstig gelegenen Punkt der
einstigen Demarkationslinie erwägt, wofür sich Gemeinden empfehlen, die
besonders deutlich und schmerzhaft getrennt waren. Da solche Örtlichkeiten
vom öffentlichen Fernverkehr gewöhnlich nicht mehr berührt und bedient
werden, würden die vielen von Behörden, Massenorganisationen und Parteien
gecharterten Busse nicht die Schmährede provozieren, die politisch
Herrschenden feierten sich selbst und das Volk bleibe fern, wenn man es
nicht für Freibierversprechen ankarrt. Wie sonst als auf privaten Pneus
sollten die Leute dorthin kommen? Daß das großberliner Prekariat und die
Neudeutschen aller Länder sich vereinigen und irgendwann irgendwo zu
irgendeinem Denkmal der Deutschen Einheit fänden, mit oder ohne
Fähnchen, scheint mir weder wahrscheinlich, noch wirklich wünschenswert.
Doch all das darf kein Problem sein, quälte nicht fortdauernd die
Geschmacksfrage: Eine halbnackte Germania mit hochgestreckter Banane oder
Rotkäppchen mit vollem Warenkorb und einem Fuße auf dem Wolfskadaver oder
ein Zwitter aus Trabi und Golf (bzw. Kadett) in Edelstahl & Plaste???
Seit Obama das Auto als amerikanische Erfindung
reklamierte, wissen wir, daß die Welt uns niemals für irgendetwas feiern
wird, was wir zwar nachweislich entdeckt, erfunden oder entscheidend
entwickelt haben, das vor 2000 Jahren aber bereits entworfen wurde oder nach
amerikanischen Maßstäben (Marktpräsenz, Produktionszahlen, Imagelegende) Made
in USA sei. Daß die Sehnsucht der Mitteldeutschen nach grenzenloser
Fortbewegung auf eigenen vier Rädern gleichsam die Hauptantriebskraft der
meisten Republikflüchtlinge und Montagsdemonstranten war, wird nur von den
Weichzeichnern der Freiheitsliebe bestritten. Man/frau wollte von
Deutschland nach Deutschland und weiter nach Italien, aber nicht
schnurstracks von Tempelhof nach Detroit und Hawai. Dennoch wird man eher im
Schwäbischen eine Gedenkstätte für den unbekannten Automobilwerker schaffen
(nachdem die Betriebe längst den Scheichs gehören), als daß unserm Heilig
Blechle irgendwoanders eine Wallfahrtsgarage geweiht würde, meinetwegen
unter dem Pontifikat von Hochwürden Hundt. Im Ernst: Was wäre ein
aufgesockelter bemannter Kraftwagen anderes als ein zeitgenössisches
Reiterstandbild? Die letzten martialischen Mahnmale in Gestalt echter
(gebrauchter) Waffen hatten sich unsere Besieger aufgestellt; sie halten
immer noch ihre Stellungen. Gerade weil Mauer und Minenstreifen die Gewalt als
solche verdinglichten, sollten sie nicht als Basis und/oder herausragende
Bestandteile des neuen Deutschlanddenkmals dienen. Zwar bewegte der Gedanke
an ein zentrales Mahnmal der Einigkeit in Recht und Freiheit vom Augenblick
der Maueröffnung an jeden dritten Kulturreferenten und alle ambitionierten
Steinmetze, doch offensichtlich sind im andauernden Für & Wider über
Standort und Gestaltung tausend Argumente und Entwürfe abgeschmettert
worden, ohne auf das Ei des Kolumbus zu kommen: Eine nationale Ausschreibung
zu einem vorgegebenen Motiv, welches ich hiermit als die optimale Idee
anbiete, Mann und Frau, zwischen 40 und 50 Jahren, überlebensgroß,
bekleidet, ansehnlich, vereinigt. Deutsche BildhauerInnen, ans Werk!
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