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Heldengedenktag
Ein Statement von Uve Schmidt Ich denke, dass singuläres Heldentum durchaus und eindeutig festzustellen und anzuerkennen ist, und nach militärischen Kriterien auch das heldische Verhalten eines Trüppchens, wobei ja nicht zählt, wer am furchtlosesten stirbt, sondern wer ruhmbedeckt vor dem Feind bleibt oder obsiegt. Wenn ich mich erinnere, wie mutig wir waren als Kinder, wenn uns „Knöpfe“ (zw. 7 und 12 J.) ein großer und starker älterer Junge in den Straßenkampf gegen die Töpfergasse anführte, und was aus circa 25 blutrünstigen Buben wurde, wenn unseren Häuptling (per se ein Held) seine Mutter heimrief zu den Hausaufgaben, dann verdampfte unser Kampfgeist wie ein ausgepisstes Lagerfeuerchen, im Lenz meiner Kindheit wie im Spätherbst der DDR. Was wäre denn gewesen, wenn ein Feuerbefehl ergangen wäre? Man kann das soldatisch konnotierte Hauptwort aber auch weglassen und von Zivilcourage reden – die derzeitige Debatte (drüben!) über Mannesmut & Frauenpower beim Nachtreten gegen einen bankrotten sowjetischen Satellitenstaat, womöglich über die Heldenvolksqualität der Ossis im Vergleich mit uns Wessis, den Flaschenkindern der USA, gleicht eher dem Gezänk unter Hinterbliebenen um eine virtuelle Erbschaft, auf welche anteiligen Anspruch zu erheben von den jeweiligen Verdiensten abhängt, welche den amtlich bescheinigten Tod des Erblassers herbeiführten, eine Auseinandersetzung, die Außenstehende nur dann interessiert, wenn sie als lachende Dritte daraus konkrete Vorteile ziehen. Die reine Schadenfreude wäre kein wirklicher Gewinn, womöglich drohte dann den Wessis zum Soli noch eine Vaterländische Vergnügungssteuer. Womit wir beim Thema des Jahrzehnts wären, „dem fulminanten Streit über das vermeintlich Trennende der Deutschen in Ost und West. Egon Bahr beharrt auf der anderen Mentalität der Beigetretenen, Jens Reich hält dagegen die lange historische Strecke der Trennung bis zum Ende einer unerträgliche Anomalie, und der tote Ehrengast Günter Gaus empfand die Wiedervereinigung als den eigentlichen Bruch“, wie Regina Mönch in der FAZ über eine TV- Diskussion zur Sache schrieb. Wer, beim Teutonicus, redet da über uns, aus tiefer Sorge, wie wir vermuten dürfen?! Außer Journalisten vornehmlich Politiker, insbesondere die Dabeigewesenen, welche entweder des Lobes voll sind oder voller Verachtung wie Egon Krenz in seinem neuesten Buch, voller Vorsicht wie Günter Grass während des Wahlkampfes, voll Optimismus (38% Vol.) wie ein Drittel aller Gleichgültigen und völlig realistisch jene Mehrheit der Deutschen, für die Thilo Sarrazins Berliner Bestandsaufnahmen allemal mehr Relevanz haben als der gesamte Geschwisterknatsch im Deutschen Haus, de facto keine wirklich freie Aussprache und kein wirklich wünschenswerter Dauerdiskurs, sondern ein uraltes Gemütsleiden. Man lese nur Heinrich Heines DEUTSCHLAND, Ein Wintermärchen, ein Werk, das auch nach der Bismarckschen Reichsgründung, nach 1918, 1933, 1945 und 1989 in großen Teilen und in vielen Einzelheiten uns das vielgesichtige und vielgestaltige Vaterland trotz gravierender Verwerfungen und Veränderungen im Erscheinungsbild der Nation erkennen lässt als „ewiges Deutschland“. Heines Resümee war die Revolution als Geburtsstunde der staatlichen, sozialen und damit nationalen Neuordnung des Kleinstaatenidylls, und was nach 1848 daraus wurde, war auf alle Fälle ein unaufhaltsamer Fortschritt; gewarnt vor einer geeinten deutschen Großmacht hat Heine nicht und wenn schon, hätte man dem Verfasser des Buch der Lieder einfach ein Auge blaugedrückt. Heute bereist Wladimir Kaminer die Republik für seine begeisterten deutschen Leser diesseits und jenseits der Schrebergartenhecken. Wer also hat noch ein Problem mit uns außer den Engländern? De jure ein Großdeutscher (*1939) mit schlesischer Mutter und märkischem Vater, Preuße und Protestant, kann ich (1955 aus der DDR geflohen und in allen kulturschaffenden Branchen nützlich bis wirksam gewesen) nur die Urgrunderfahrung übermitteln, dass meine Landsleute damals wie heute keine Homunkuli sind, aber wie alle Untertanen auf Erden von den jeweils herrschenden Doktrinen (Regenwaldzauber oder Hegelsche Dialektik) mehr oder weniger beeinflusst und geprägt worden sind. Und so, wie es p.e. die schwäbischen Spießbürger gibt und den weltoffenen Ulmer Patrizier, gibt es zwischen Kap Arkona und Saale, zwischen Weser und Warthe solche und solche, vor allem aber preußisch-protestantische Provinzler und Proleten, denn Mitteldeutschland und der verlorene Osten waren einst die größten und bestentwickelten Industrie- und Ackerbaugebiete des Reiches und von Königsberg bis Helmstedt eine Trasse universitären Geisteslebens samt dessen Segnungen bis ins letzte hinterpommersche oder fränkische Schulhaus. Doch wir sind nicht das Volk, sondern die deutschstämmige deutschsprachige Bevölkerung, deren mündige Bestandteile mehrheitlich Deutsch denken beim Umgang mit Türklinken, Fußmatten und Mülltonnen und deren Entwicklung zu Staatsbürgern weitgehend von den Medien bestimmt wird, mitnichten von Ammenmärchen. Die Bevölkerung der DDR rezipierte via Funk & Fernsehen gewissermaßen gleichzeitig zwei Weltanschauungen; kein Ostblockland hatte einen derart konstanten und facettenreichen Einblick in den realen Westen, den bis zum Mauerbau 85 % der Ossis aus eigener Anschauung kannten. Dennoch war dieser Informationsvorsprung nur eine theoretische Reisevorbereitung ins gelobte Land und leider hatten die meisten Ossis nur Augen & Ohren für die Annehmlichkeiten des Kapitalismus und die Reize fremder Umgebungen, nicht für deren Risiken und Rauheiten. Letztlich haben sowohl Bahr wie Reich recht: Mitteldeutsche Mentalität plus diktatorische Langzeitdressur in Gefolgschaftsgeist (mit Nebenwirkungen wie Opportunismus, Illoyalität und notorische Querulanz) erschaffen mitnichten den neuen Menschen, und natürlich fördern Diktaturen weder die Toleranz, noch den guten Geschmack. Letzteres haben Bahr und Reich nicht gesagt, weil sie als Personen der Zeitgeschichte in der Öffentlichkeit erkannt und beschädigt werden könnten, und Briefkästen voller Beleidigungen ehren die Adressaten nur im Coloniakübel. Aus der Bundesrepublik Deutschland austreten können die Ossis nicht, autonomistische Bestrebungen wie etwa die der Bayernpartei bestehen keine. Was also soll das Gedöns um die noch nicht wirklich vollzogenen Einheit Deutschlands? Soll damit DIE LINKE abgedrängt werden, da ihre Stammwähler mehrheitlich Ossis sind? Geht’s um Geld oder um Ehre, z.B. auf den diversen Sportplätzen? Als junger Sachse würde auch ich lieber in Kitzbühl oder Sankt Moritz kellnern als hierzulande, aber auch die Wessis sind „von hier“. Wer die deutsche Volksgemeinschaft (33 bis 45) erinnert, wie sie die ersten Ausgebombten aufnahm und später die ersten Flüchtlinge, darf nicht nur die administratorischen Leistungen hervorheben, da man sich totschämen müsste eingedenk des unverhüllten Widerwillens, ja, des Hasses auf alle Landsleute, die nicht zur engeren Familie gehörten und Beistand benötigten. Komme, was wolle – einig und selig werden wir niemals sein, aber vielleicht lernen wir’s langsam, dass nirgendwo auf der Welt die Eintracht regiert und Notgemeinschaften nicht die höchste Entwicklungsstufe der Solidarität verkörpern, eher die des Freiwilligen Feuerwehrwesens. „Missgunst ist der Humus gedeihlicher Beziehungen“, meinte Bismarck als zwangspensionierter Kanzler, „nur stinknormale Staaten funktionieren dauerhaft.“ Es lebe die Normaluhr!
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