Glanz@Elend |
|
|
|
Preisrätsel Verlage A-Z Medien & Literatur Museen & Kunst Mediadaten Impressum |
|||
|
|||
Schiffsmeldungen
|
Wir wunden Kinder (2) Daß es 45% aller Ossis (laut jüngster Umfrage) in der DDR „besser gefallen hat“, als im neuen Deutschland zu leben, das war als Auskunft zu erwarten; über die Vorzüge unserer Demokratie indes ist man sich in Ost und West beinahe einig: „Gut in guten Zeiten, schlecht für schlechte Zeiten!“ Nach dem eisernen Besen wurde vorsichtshalber nicht gefragt. Ungeachtet, was die Medien und die staatstragenden Interessengruppen daraus machen, müssen wir erkennen, daß kein Dauerthema peinlicher ist, als die Bilanz eines Staatsjubiläums demoskopisch zu hinterfragen, denn was kann man erwarten von alten loyalen Ehepaaren, denen der Volksbefrager ans Unterzeug geht? Natürlich wäre es nicht indezent, nach dem Glück zu fragen, aber saudumm zu glauben, auf diese Weise der Wahrheit näher zu kommen, egal, ob das Interview in der Fußgängerzone oder bei Hempels daheim stattfindet. Und selbstverständlich werden nur jene Umfrageergebnisse, Statistiken und Daten veröffentlicht, welche aktuell etwas beweisen und bewirken sollen im Sinne der Veranlasser. Gleichzeitig wird die Illusion genährt, man könnte zumindest im öffentlichen Raum die Meinungsfreiheit nutzen als Diskutant und Zuhörer, wenn schon nicht als Volksstimmenimitator und Akklamateur von Allgemeinplätzen. Wer jemals in Wahlkampfzeiten erlebt hat, was unter den Sonnenschirmen der Parteien „auf der Gass abgeht“ bzw. nicht abgeht, fragt sich nimmer, weshalb die Inanspruchnahme der Meinungs- und Versammlungsfreiheit derart auffällig vermieden wird, obwohl das Dritte Reich seit 64 Jahren und die DDR seit 20 Jahren erloschen sind. Echt zum Lachen waren diese republikanischen Diktaturen als Vor- und Nebengängerinnen der BRD nur stellenweise und ungeplant, wer jedoch in die Regimes hineingeboren wurde, erlebte das perfide Wesen von Polizeistaaten bereits im Sandkasten, wo das unschuldige Geplapper der kleinen Wichtigtuer die Eltern denunzierte als Bibelforscher und Schwarzschlachter, Feindsenderhörer und Judenverstecker, und leider wurden Kinder auch in der SBZ, bzw. DDR ausgehorcht, doch dienten derlei Informationen in toto der Überwachung, nicht der Planerfüllung des Henkers. Kein Vergleich? Wir müssen die beiden sogenannten Unrechtsstaaten sogar vergleichen, um aufzuzeigen, daß sie nicht gleichzusetzen sind. Die DDR war der totale Wohlfahrtsstaat jakobinischen Geistes, das Großdeutsche Reich der totalitäre Führerstaat schlechthin, beide Gründungen verdankten sich verlorenen Weltkriegen, beider zivile Strukturen waren militaristisch. Wenn es deutsch-deutsche Gemeinsamkeiten gab, so manifestierten sie sich im Vergleich BRD und DDR, vor allem in den Unterschieden; Ähnlichkeiten zwischen dem Reich und der Republik bestanden nur auf dekorationstechnischen und propagandakünstlerischen Feldern, wobei die Nazis durchaus römisches, Format zeigten, die SED Moskauer Maifeiertagsniveau. Bleibt die Frage, ob die derzeitigen Deutschen mit unserer Verfassung glücklich sind, ob sie unsere gesellschaftliche Tagesform als Verfassungswirklichkeit bejahen; an zwangloser Eventkultur herrscht zumindest quantitativ kein Mangel. Normal ist, daß der Mehrheit mißfällt, was für eine stabile Staatsordnung unverzichtbar ist, und das, was vielen Leuten gefällt, weltweit umstritten ist. Was immer das erledigte Deutschland vor Erlangung seiner Semisouveränität ersehnt hatte (Nie wieder Krieg, nie wieder Inflation, nie wieder Staatsterror!!!) erfüllte sich nur insoweit, als der Dritte Weltkrieg unterblieb und wir bis gestern einen zentralen Platz an der Sonne einnahmen. Will man die BRD mit einer 60jährigen Person vergleichen (z.B. Dr. Hans W. wie Western Germany), dann kann man sagen: Ja, Hans W. hat Karriere gemacht, aber seine individuelle Selbstfindung ist irgendwann irgendwo stecken geblieben wie unsere nationalpolitische Selbstbesinnung versackte im märkischen Sand, in der Lüneburger Heide, im sarmatischen Ursumpf oder im Schlick unter Martin Walsers Bootssteg. Und keine Sau traut sich die erlösenden Zauberworte zu, befürchtend , dabei gebrandmarkt zu werden als Weltfriedensstörer, ein Schaden, den Hans W. ärgstenfalls mit materiellen Einbußen und dem Verlust unrentabler Freunde begliche, Deutschland hingegen verrenkt sich seit sechzig Jahren im Spagat zwischen Walhalla und Wallstreet… Als ich im Jünglingsalter mal meine Eltern fragte, ob sie seinerzeit erörtert hätten, Juden zu helfen, gestanden sie freimütig, daß sie genug gezittert haben unter dem Ermittlungsdruck (etc.) einer bei der Gestapo eingegangenen Anzeige, derzufolge mein Vater die mosaische Frucht eines Ehebruches wäre. Da mein alter Herr seinem amtlichen Erzeuger nicht eben aus dem Gesicht geschnitten war und meine Oma einen entsprechenden Leumund hatte, schien es mir wenig sinnvoll, die Problematik zu vertiefen, eher schon das Thema anzusprechen, weshalb man nicht „rübergemacht“ sei, als es noch Gelegenheiten gab, wobei mir die Flucht in den Westen nicht als Abenteuer vorschwebte, sondern als organisierte Auswanderung in ein deutschsprachiges Land recte Region, als welche nicht nur die Schweiz infrage kam, sondern alle artverwandten Nachbarn mit namhafter Naschwerkherstellung, wie ich es als Fünfjähriger gefordert hatte, notfalls auf einem Schilffloß über den Bodensee. Daß die sogenannte “Abstimmung mit den Füssen“ (das Delikt Republikflucht) längstens ein Votum für den SED-Staat ergab, verhinderte zwar nicht den Mauerbau, erklärt jedoch, daß es nicht nur ein klares oder diffuses Feiheitsverlangen gab, sondern auch jede Menge Gründe, um zu bleiben, in erster Linie Heimattreue, ein sozialromantisches Hauptwort, hinter dem sich vor allem die faulen, furchtsamen und fortschrittsfeindlichen (in kapitalistischer Sicht!) Naturen verschanzten, und natürlich gab es ebensoviele Menschen, die im realen Sozialismus ihre ganz persönliche Chance oder die große historische Perspektive sahen: Jedem das Seine und allen ein Gemeinschaftserlebnis, und deshalb klebt Deutschland am Boden der Tatsachen wie die Vogelschar auf der Leimrute, dicht über uns die Ebereschenbeeren… Zurück zum Kindskopf: Wenn unsere Eltern in unseren entzündeten Augen versagt hatten, weil sie weder Hitler verhinderten, noch den Holocaust behinderten, weil sie sich von ihren Feinden wiederbewaffnen ließen im Rahmen eines nuklearen Bruderkriegskonzeptes, weil sie jede präventive Einwanderungs- und Fremdenpolitik unterließen und trotz frühzeitiger wissenschaftlicher Warnungen die alternative Energie- und Umweltschutzpolitik sträflichst vernachlässigten, dann müssen wir – die Söhne, Töchter und wahlberechtigten Enkelkinder – uns fragen lassen, weshalb wir extra und einspruchslos das Grundgesetz feiern (im Mai d. J.), jenes verfassungsrechtliche Stahlkorsett, an dem allweil gefeilt, geschraubt und gelötet wird, doch weiterhin der Volksentscheid auf Bundesebene per GG uns versagt bleibt, es sei denn, aus den deutschen Küstenländern solle ein Nordland entstehen und die Türken verlangten ein autonomes Gebiet. Logisch, daß in einem vegetarischen Haushalt nicht über die Fleisch- und Wurstpalette abgestimmt werden muß, aber unter Allesfressern sollte sich etwas plebiszitäre Demokratie von selbst verstehen. Die Tatsache, daß die NSDAP legal an die Macht gelangte, hat den Deutschen noch keine Weltzeitsekunde lang die Anschuldigung erspart, Hitler gewählt und somit sein mörderisches Programm gewollt zu haben, ein Vorwurf, der künftig Millionen unschuldige Opfer bzw. unmittelbar Geschädigte der Finanzkrise (was für ein Euphemismus!) zu Mitschuldigen macht, da sie dem bargeldlosen Verkehr und ihren Banken bzw. Beratern vertrauten. Nachdem sich in Italien die Linke quasi von selbst aufgelöst hat und in Frankreich die Negritude der Straße und eine frisch formierte Antikapitalistische Partei aufmarschieren, sollte auch bei uns ein neuer Akzent gesetzt werden, eine Initiative, die ehrlich ans Eingemachte geht, nämlich an unsere heißen Herzen im Schwarzwaldtresor des Holländer Michel. Gründen wir einfach einen DEUTSCHEN VOLKSWAHLVEREIN, dessen Programmpunkt Nr. 2 lautet: „Der Deutsche Volkswahlverein erarbeitet bis zur Erreichung seines Wahlzieles keinerlei Vorschläge für Gesetzesänderungen oder neue Verfassungsrichtlinien.“ Das müßte doch klappen, oder wie? |
Abendlanddämmerung |
|
|
|||