Die Fallen der Vorstellungskraft

Die französische Gegenwartsliteratur verleiht in jüngster Zeit dem Begriff der «autofiction» ein besonderes Gewicht. Was es mit dieser Autofiktion auf sich hat und inwieweit sie überhaupt als Literatur gelten kann, darüber streiten sich die Geister.

Drucken
Teilen

Wie die Mode verändert sich auch die Literatur; jedes Jahrhundert kennt seine Hauptströmungen. Beschränkt man sich auf Frankreich, waren dies die Tragödie im siebzehnten, der philosophische Dialog im achtzehnten, der Roman im neunzehnten Jahrhundert. Und heute? Allem Anschein nach läuft die Autobiographie dem Roman den Rang ab. Von den Bekenntnissen eines Industriellen oder Politikers bis zu den Versuchen anerkannter Schriftsteller: Der Lebensbericht verdrängt die reine Erfindung. «Tout le monde en parle», die Samstagabend-Sendung von Thierry Ardisson auf dem zweiten französischen Kanal, verrät in dieser Hinsicht einiges. Eingeladen werden Meinungsmacher scheinbar verschiedenster Couleur, verbunden allerdings durch ihre Zugehörigkeit zur grossen Familie des Showbusiness. Literarisches ist dabei eher unerheblich. Die Sendung begnügt sich im Allgemeinen damit, jene Autoren zu versammeln, deren mediale Präsenz bereits gesichert ist (Philippe Sollers, Bernard-Henri Lévy, Alain Finkielkraut).