Archiv des Themenkreises ›F-Zeitung‹


Die FAS und der Stauffenberg-Film

Leipzig, 2. September 2007, 23:55 | von Paco

Wer sich heute gefragt hat, warum die FAS schon wieder einen Text zum Stauffenberg-Projekt bringt, schon wieder als Aufmacher und schon wieder von Frank Schirrmacher persönlich verfasst, und warum ihn dann auch noch »Spiegel Online« featuret, der wird endlich mal bitte mitkriegen, dass die bisherige Diskussion um den Film in fast allen Konkurrenzmedien der F-Zeitung in den Orkus des Feuilleton-Jahres gehört.

Es wird also noch einmal deutlich, dass sich die F-Zeitung und besonders Schirrmacher das »Valkyrie«-Filmprojekt äußerst angelegentlich sein lassen. Und zwar auch deshalb, weil wieder mal niemand anderes rafft, worum es hier gehen wird. Schirrmacher wettet:

»Dieser Film wird uns nicht nur eine Saison beschäftigen, er wird das Bild Stauffenbergs für Jahrzehnte und das historische Bild Deutschlands in vielen Ländern prägen.«

Das kann man übertrieben finden, aber nicht als Hype abtun. Der Satz ist der vorläufige Endpunkt der differenzierenden Berichterstattung, die in den letzten Wochen in der F-Zeitung stattgefunden hat.

Oliver Gehrs hat neulich kurz hervorgehoben, wie dankbar man dem FAZ-Herausgeber Schirrmacher dafür sein muss, dass er eben öfters vom Blattmacher-Mainstream wegdriftet, um auch mal andere Themen oder Aspekte ins Blatt zu heben.

Natürlich hat das Feuilleton der F-Zeitung den mit Abstand meisten Platz dafür zur Verfügung. Trotzdem: Die Beleuchtung der verschiedensten Aspekte zum Stauffenberg-Film deckt all das ab, was man VOR der Fertigstellung des Films überhaupt sagen kann.

Zunächst hat die F-Zeitung den unsäglichen Scientology-Thread gekillt, mit einem Artikel von Florian Henckel von Donnersmarck, der als Erster auf die Impact-Dimensionen eines mit Cruise besetzten Films hingewiesen hat.

Und dann gab es noch diesen schönen Artikel von Peter Körte, der die anderen Militärrollen von Cruise rekapituliert. Das war mal ein relevanter filmgeschichtlicher Exkurs, der nebenbei verdeutlicht, woran die Leistung des Schauspielers zu messen sein wird und woran nicht.

Heute nun leitet Schirrmacher die zweite große Wendung der Diskussion ein, indem er auf den Inhalt des Films kommt. Den natürlich noch keiner kennt.

Schirrmacher hat also mit Tom Cruise und Bryan Singer Torte gegessen, wie auch immer, durch sein Treffen mit den beiden kann er jedenfalls ein Dialogbeispiel aus dem Film geben, einen der »ganz alltäglichen und dabei doch brillanten Dialoge«:

»Du machst einen guten Bürokraten, Stauffenberg« – »Das ist der einzige Moment, wo ich mich erholen kann«

Zugegeben, das ist nicht viel, und natürlich weiß niemand, welche dramaturgischen Entscheidungen Singer am Schneidetisch letztlich trifft, ob der Film doch Richtung Klischee neigt, wer historische what-so-ever Gerechtigkeit erfährt und wer vielleicht schlechter dabei wegkommt.

Aber mit diesem einen Dialogfetzen macht Schirrmacher seinen Punkt. Wer jetzt noch mit anderen Dingen als dem Inhalt Stimmung machen will, der hat den Schuss nicht gehört.

Übrigens ist in dem Text ein etwas wohlfeiler, aber doch auch schöner Seitenhieb auf die »Vanity Fair« enthalten. Es geht dabei um Ulf Poschardts Editorials, und wer sich fragt, wie man so eine Passage in diesen Text einbaut, ohne für wahnsinnig gehalten zu werden, der sollte ihn noch mal lesen.


Kaffeehaus des Monats (Teil 9)

sine loco, 21. August 2007, 14:14 | von Paco

Wenn du mal richtig Zeitung lesen willst:

Pokatscherl im Európa Kávéház in Budapest

Budapest
Das Európa Kávéház in der Szent István Körut.

(Das Stipendium war mager, aber für den täglichen
Besuch im Európa Kávéház hat es immer noch gereicht,
zumal die aus dem Goethe-Institut geklauten
FAZ-Ausgaben für uns gratis waren. –– Gabriel)


Damals vor 6 Jahren

Leipzig, 9. August 2007, 09:08 | von Paco

Die Jüngeren werden sich nicht daran erinnern, dass die Feuilletons der F- und der S-Zeitung mal ziemlich ausführlich das Personal getauscht haben. Das ist erst 6 Jahre her, und trotzdem habe ich gestern im Institut folgenden Dialogfetzen aufgeschnappt:

-Und Thomas Steinfeld war ja mal bei der FAZ.
-Niemals! Der schreibt doch immer schon so SZ-ig, der war niemals –

Doch. Und dass zum Beispiel Edo Reents (erst SZ, jetzt FAZ) und Franziska Augstein (umgekehrt) auch mal für das andere Team gespielt haben, glaubt einem heute ebenfalls keiner mehr.

Auch, dass es vor 6 Jahren die (überregionale) FAS noch nicht gab. Was müssen das damals für Wams-Bams-Sonntage gewesen sein.

Als ich später den ungläubigen Institutler wiedertraf, wirkte er vergrätzt. Er hatte inzwischen gegoogelt und auf eine dpa-Meldung geklickt und kämpfte nun mit seiner Niederlage.


Stadelmeiers Theaterstadel

Konstanz, 7. August 2007, 19:23 | von Marcuccio

Grundsätzlich finde ich die Idee ja gar nicht schlecht, dass da irgendwo im deutschen Feuilleton jemand sitzt, der auf einem Spiralblock ausrechnet, auf wieviel verschiedenen Bühnen Yasmina Rezas »Gott des Gemetzels« in der kommenden Spielzeit zu sehen sein wird (auf 15) und was generell so angesagt ist auf dem Theater. Denn dafür ist das Feuilleton ja auch da, dass man nicht immer gleich »Theater heute« studieren muss, wenn man solche Dinge mal en bloc wissen will.

Nur: Wenn man sich so durch Stadelmeiers Nicht-Pointen vom letzten Samstag kämpft (Diagnose: fortschreitende »Selbstauflösung der Theater«, massive Repertoire-Vermüllung durch Roman- und Kino-Adaptionen, und erst das »Laienbeitragswesen«!), fragt man sich schon, ob es nicht unverschämt und mindestens mal wieder ein Kündigungsgrund für das F-Zeitungsabo ist, wenn einem der Spiral-Blogwart (haha) dann auch noch diese Blogging-Definition diktiert:

»Leute also, die im Internet zu allem Beliebigen beliebig was zu sagen haben«. Und dass die »Internet-Ergüsse« auch noch »aus Ostblockländern« kommen, ist ja wirklich billigste Kaltkriegsrhetorik gegen die Blogosphäre.

Gibt es denn wirklich niemanden, der das anderswo im Feuilleton nicht noch ein bisschen besser könnte? So eine Schauspiel-Saisonvorschau, meine ich? Und wo bleiben Stücke-Rankings, Bühnen-Charts, tabellarische Aufbereitungen von Theater-Trends, wie sie in anderen Feuilletonsparten längst gang und gäbe sind? Die Literaturkritik macht Buchtipps, Bestseller- und Bestenlisten, die Filmkritik kennt die besten Filme der Woche, der Saison, aller Zeiten. Sogar die Kunstkritik sortiert sich zur Grand Tour 2007. Warum nur klinkt sich die Theaterberichterstattung nicht in die Listen-Formate ein und wartet stattdessen, bis »G.St.« auch den letzten Leser vergrault hat?


Geschichten aus der Bahn

Hamburg, 2. August 2007, 20:45 | von San Andreas

Ich hatte gerade den IC nach Schwerin bestiegen und auf meinem reservierten Gangplatz im Wagen 23 Stellung bezogen, als ich auf dem leeren Sitz vor mir eine saftige FAZ bemerkte. Bar jedes anderen Lesematerials griff ich erfreut zu und begann, das Konvolut zu sichten.

Während ich mich in einem Artikel über das Billigflieger-Dilemma festlas, bemerkte ich im Augenwinkel einen Mann, der den Gang aus Richtung Zugmitte entlangkam und in der Nähe meines Platzes verharrte. Tatsächlich stand er genau neben mir, wie ich überrascht realisierte, als ich aufschaute.

Er war korrekt gekleidet, älteren Alters, sah mich ausdruckslos an und schnurrte: »Darf ich bitte meine Zeitung wiederhaben?« Ich verstand augenblicklich, faltete die FAZ zügig zusammen und überreichte sie dem Herrn zusammen mit einer Entschuldigung.

Und obwohl ich ein klein wenig das Gefühl hatte, dass er sie mir eher entriss als dass ich sie ihm gab, war ich doch froh, dass sich die Situation auf solch hochzivilisierten Niveau hatte auflösen lassen. Gute Erziehung ist eben alles.


Selten dämliche Untertitel

Leipzig, 19. Juli 2007, 14:39 | von Paco

Heute in der F-Zeitung ein schöner Text von Jochen Schimmang, »Ein Mann von 1914« betitelt. Ein Text wie er so fast nur in der F-Zeitung stehen kann. Es handelt sich eigentlich um eine Besprechung eines Bandes mit Reiseprosa von Curzio Malaparte.

Ein Mann von 1914

Nebenbei ist der Text aber auch Lexikoneintrag, literaturwissenschaftlicher Abstract, Glosse, Anekdotensammlung usw. Es ist diese Mischung aus Bildung und unterhaltsamem Wahnsinn, die den Besprechungsduktus so einzigartig machen, den heute nur noch die FAZ sowie natürlich FAS und SZ, die diesen Band auch schon besprochen haben, hinkriegen.

Darum ging es aber gar nicht, als ich eben mit Gabriel mal wieder in der Mensa war, sondern darum: Der besprochene Band heißt »Zwischen Erdbeben« und trägt nämlich den Untertitel »Streifzüge eines europäischen Exzentrikers«, der sicher verkaufsfördernd ausfallen sollte und den J. S. in der F-Zeitung nun einfach mal treffend als »selten dämlich« bezeichnet, und zwar gleich im ersten Absatz.

Gabriel meinte dann, dass das eine veritable Genrebezeichnung auch für die Ästhetik-Verbrechen der Titelkommission des deutschen Kinos sei: ›selten dämliche Untertitel‹. Das ›selten‹ könne man in diesem Zusammenhang natürlich streichen. Jedenfalls formiere sich jetzt eine Art Unterwanderung, die mit der Arbeit der Titelpolizei zusammenhänge und alle Bereiche der Kulturberichterstattung erfasse. Usw.


Das Mädchen, das die Seiten umblättert

Konstanz, 29. Juni 2007, 00:50 | von Marcuccio

Soeben die Literaturbeilage zur diesjährigen Leipziger Buchmesse ausgelesen, che palle! Aber in diesem Zusammenhang unbedingt noch erwähnenswert: Unsere formidable Johanna Adorján, ihres Zeichens Angehörige der ersten »Girlie«-Staffel im Spiegel (47/1994), an die sich längst keine der damals drei Beteiligten mehr erinnern mag. Naja, gleiches behaupten die Heerscharen der heutigen »Alpha-Mädels« in zehn Jahren wahrscheinlich auch. Aber egal.

Dem Umblätterer ist das Ex-Spiegel-Girlie, das es zum Alpha-Mädel der FAS gebracht hat, schon allein deshalb sympathisch, weil es das Umblättern besser beherrscht als jede andere ihrer Zunft. Wie Johanna Adorján in der besagten und eben bewältigten FAZ-Literaturbeilage vom 21. März ihren Uli Wickert durchblättert, überblättert und wegblättert, das hat trotz – oder gerade wegen – der völligen Irrelevanz des rezensierten Objekts bleibenden Witz und Charme:

»Das Buch heißt ›Gauner muss man Gauner nennen‹, und es handelt, so zumindest der Untertitel, ›von der Sehnsucht nach verlässlichen Werten‹. Ja, schon auf Seite 4 sehne ich mich nach verlässlichen Werten! Nach Werten wie Klarheit und Logik.«

Ab Seite 16 »schwirrt der Kopf«.

»Auf Seite 140 merkt man, dass Wickert bereits zwei Bücher zum Thema Werte geschrieben hat, denn langsam gehen ihm die Anekdötchen aus.«

Und so weiter und so fort – mit zunehmender Langeweile an Weinonkel Wickerts Weisheiten legt Adorjáns »Live-Rezension« einen Zahn zu. Am Ende gibt sie gar nichts anderes mehr vor, als so ein Buch überhaupt nur hastig blätternd rezipieren und rezensieren zu können. Ein Best-Practice-Beispiel für die bereits eingeleitete freundliche Übernahme der FAZ durch die FAS. Und irgendwie auch ein heimlicher Favorit für die Jahresendwahl, denn brächte weiteres Durch- und Wegblättern nicht allemal mehr Abwechslung in die Rezensionswüsten dieser Feuilletons?


Action Replay: FAZ vs. SZ

Leipzig, 27. Juni 2007, 09:09 | von Paco

Claudia Leyendecker hat für ihre Dissertation über die Musikkritik in den überregionalen Feuilletons hervorragenderweise einmal ein Jahr lang die Artikel in FAZ und SZ gezählt:

FAZ vom 24. 1. 2001 – 23. 1. 2002:

307 Ausgaben, 2.328 Feuilleton-Seiten, 9.371 Feuilleton-Artikel.

vs.

SZ vom 25. 1. 2001 – 24. 1. 2002:

303 Ausgaben, 1.088 Feuilleton-Seiten, 4.964 Feuilleton-Artikel.

C. L.: Aspekte der Musikkritik in überregionalen Tageszeitungen. Analyse von FAZ und SZ. Frankfurt/M. usw. usw. usw.: Peter Lang 2003. S. 79.


Rezensenten, die sich den Spiralblock teilen

Konstanz, 1. Juni 2007, 18:47 | von Marcuccio

Vgl. die heutigen Resümees zu Luc Bondys Burgtheater-Inszenierung »König Lear« bei

Barbara Villiger-Heilig (NZZ): »Kann Theater mehr?«

und

Gerhard Stadelmaier (FAZ): »Mehr eigentlich muss Theater gar nicht können. Jubel.«

Das Monitoring wird fortgesetzt.


Epocalypse

Leipzig, 25. Mai 2007, 13:37 | von Paco

Ich hatte gerade die TV-Geständnisse von Aldag & Zabel kurz wahrgenommen, dann war ich gestern abend noch kurz bei Gabriel, um einen Stoß alter Economist- und Paris Match-Ausgaben abzuliefern (Februar bis März 2007). Gabriels Handy schellte, der Agent brauchte dringendst eine Überschrift oder Tagline zum Epo-Skandal, offenbar für die S-Zeitung. Die F-Zeitung würde das Ganze morgen »Epocalpyse« nennen, offenbar haben die einen neuen Informanten. Gabriel war vor Wochen auch schon auf diese Idee gekommen, hatte sie aber nicht zu seinem Kontaktmann bei der S-Zeitung gepitcht, da das Thema noch nicht genug hochgekocht war. Er rechnete jetzt kurz alle Alternativen durch, fand aber nichts Besseres. So musste sich die Redaktion heute auf sich selbst verlassen. Etappensieg für die F-Zeitung.