Der Mauerfall vor 30 Jahren bedeutete eine gewaltvolle Zäsur für migrantisches und jüdisches Leben in Ost und West. Während die einen vereinigt wurden, wurden die anderen ausgeschlossen. Das vorliegende Buch möchte ausgegrenzte Perspektiven auf die deutsch-deutsche Vereinigung wieder sichtbar machen und an die Kämpfe um Teilhabe in den 1980er Jahren, einschneidende Erlebnisse um die Wende und die Selbstbehauptung gegen den Rassismus der 1990er Jahre erinnern. So beinhaltet der Band Geschichten von Bürgerrechts- und Asylkämpfen ehemaliger Gastarbeiter*innen, von Geflüchteten in BRD und DDR, Beiträge über den Eigensinn von Vertragsarbeiter*innen, von damaligen internationalen Studierenden, über jüdisches Leben in Ost und West sowie über die Kämpfe von Sinti und Roma im geteilten Deutschland.
Mit Beiträgen von Sharon Adler, Emmanuel Adu Agyeman, Pablo Dominguez Andersen, Felix Axster, Mathias Berek, Gabriel Berger, Róza Berger-Fiedler, Hamze Bytyçi, Leah Carola Czollek, Max Czollek, Nuray Demir, Dostluk Sineması, Gülriz Egilmez, Naika Foroutan, Mirna Funk, Elisa Gutsche, Kathleen Heft, Initiative 12. August, Anetta Kahane, Dmitrij Kapitelman, Kadriye Karcı, Andrea Caroline Keppler, Evrim Efsun Kızılay, Jana König, David Kowalski, Janko Lauenberger, Lydia Lierke, Jessica Massochua, Paulino Miguel, Dan Thy Nguyen, Hannah Peaceman, Massimo Perinelli, Patrice G. Poutrus, Sabuha, Elisabeth Steffen, Ceren Türkmen, Nea Weissberg, Alexandra Weltz-Rombach und Cynthia Zimmermann.
Mit Illustrationen von Nino Paula Bulling und Burcu Türker.
„Erinnern stören“ unternimmt also nicht nur eine Vermessung der problematischen Gedächtniskultur der deutsch-deutschen Geschichte, sondern ist vor allem ein Plädoyer für einen selbstbewussten antinationalen Aktivismus.
Björn Hayer / konkret (Buch des Monats)
Viele der gegenwärtigen gesellschaftlichen Probleme resultieren aus der jüngeren deutschen Vergangenheit. Aus einer Zeit, die zu wenig und zu einseitig aufgearbeitet wurde. Das zeige sich auch in der Verleugnung der Gefahr eines organisierten Neonazismus, die es seit 40 Jahren in der Bundesrepublik gebe. […] Deshalb sei es an der Zeit, eine inklusive Erinnerungskultur an den Mauerfall unter Berücksichtigung der migrantischen Perspektive zu etablieren. Mit ihrem Projekt will Eğilmez dazu beitragen, den Kanon deutscher Nachwende-Erinnerung zu verändern. Ein Text zum Projekt erscheint am 3. Oktober im Sammelband »Erinnern stören - Der Mauerfall aus migrantischer und jüdischer Perspektive«
Josefine Körmeling / neues deutschland
500 Seiten deutsche Geschichte – mal anders erzählt
Lydia Lierke und Neco Celik im Interview mit dem WDR 5
Die Wende hat auch die Nazis wiedervereinigt.
Dmitrij Kapitelman im Interview mit Susanne Lenz in der Berliner Zeitung
["Erinnern stören"] versammelt, was im Jubiläum des nationalen Jubels nicht untergehen sollte: der jüdische oder migrantische Blick, die Perspektiven jener Menschen, die im schwarzrotgoldenen Wir nicht mitgemeint sind. Rund 40 Autor*innen erinnern sich an die große deutsch-deutsche Party als Zäsur – und als Beginn neuer Kämpfe um Teilhabe und gegen Rassismus.
Es gelingt Lierke und Perinelli die vielen Stimmen in einem überzeugenden Kanon zu arrangieren, der ihre These unterstreicht: Der Zusammenhalt in der Mehrheitsgesellschaft wurde angesichts der Turbulenzen der deutsch-deutschen Vereinigung durch den Ausschluss so betrachteter „Nicht-Deutscher“ erzielt.
Frederik Richthofen / Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien
Nach der Lektüre der 500 Seiten wird klar, das es sich im Gedenken, beim offiziellen Erinnern an den Mauerfall um eine rein deutsche Angelegenheit handelt, daß viele Menschen und Schicksale darin nicht vorkommen – gestrichen, getilgt vergessen sind. Das zu ändern, das gängige Erinnern stören gelingt den vielen Texten.
Michael Banos / labournet.de
Mit einer Vielfalt an biographischen Erzählungen geht "Erinnern stören" gegen das schlichte und beschönigende Denken von gesellschaftlichen Verhältnissen vor. Im Sinne der Aufklärung versammelt das Buch politisch argumentierende Zeitzeug*innen, die auf die Kontinuität von Rassismus und Antisemitismus in der deutschen Staatsgeschichte verweisen, aber auch über die Kämpfe dagegen berichten. Das neue Standardwerk zum Mauerfall.
Helga Egetenmeier / AVIVA-Berlin
Der Oral-History-Ansatz inkludiert eine Vielzahl migrantisierter und jüdischer Stimmen. Sie fordern die hegemoniale Erzählung vom Mauerfall als erfreuliches Ereignis für ganz Deutschland heraus und stören die "Vereinigung als deutsche Homogenisierungsgeschichte". Im Zentrum stehen Allianzen zwischen von Rassismus und Antisemitismus betroffenen Menschen und deren Empowerment durch die Wiedergabe von Wissen.
Patrick Helber / iz3w