Jakob Arjouni: Der heilige Eddy (Roman) |
Jakob Arjouni: Der heilige Eddy |
Inhaltsangabe:
Der dreiundvierzigjährige Straßenmusiker Eddy Stein lebt unauffällig in einer Wohnung in Berlin-Kreuzberg. Zusammen mit dem jüdischen Russen Arkadi Abramowitsch, mit dem er seit sieben Jahren als Gitarren- und Gesangsduo "Lover's Rock" durch Fußgängerzonen tingelt, träumt er von einem Plattenvertrag. Während Arkadi den Lebensunterhalt für sich, seine Ehefrau Lilly, den Sohn Adam und die Tochter Sally vorwiegend mit seinem Umzugs- und Entrümpelungsdienst verdient, bessert Eddy sein Einkommen als Trickbetrüger auf. Beide trugen verspiegelte Sonnenbrillen, Uhren, mit denen man mittelgroße Tiere erschlagen konnte, und einen Mann-ist-das-öd-hier-wenn-mir-doch-einer-auf-den-Sack-ginge-dann-könnte-ich-ihm-wenigstens-die-Fresse-polieren-Ausdruck im harten, glattrasierten Gesicht. (Seite 39) Im Treppenhaus stößt Eddy auf den Boss der beiden Leibwächter. Der hämmert gegen die Türe mit dem Schild "D. Miller" und ruft: "Romy! Bitte, Romy, mach auf!" Eddy kann es kaum glauben: Es ist Horst König. Statt schweigend vorbeizugehen, spricht Eddy ihn an:
"Oh, unser neuer Nachbar! Herr Miller, nehme ich an, sehr erfreut! Habe mich schon gefragt, ob Sie womöglich mit Horace Miller verwandt sind, dem berühmten walisischen Philosophen und Ruderer ... [...] Horace Miller, der berühmte ..." Der Wortwechsel entwickelt sich rasch zum Streit. Als der Unternehmer Eddy ohrfeigt, rammt dieser ihm die Faust in den Schritt. Daraufhin torkelt Horst König stöhnend und mit den Händen zwischen den Beinen herum. Doch dann geriet König über seine eigenen Beine ins Stolpern und versuchte sich an der Wand abzustützen, als seine Füße plötzlich auf den glatten Ledersohlen seiner handgenähten Schuhe über den hundert Jahre alten, abgetretenen und mindestens ebenso glatten Holzfußboden wie auf einer Eisfläche nach vorne rutschten und König ohne Halt und ohne Zeit, mit den Armen den Sturz abzufangen, nach hinten fiel. (Seite 56)
Der Unternehmer schlägt mit dem Hinterkopf auf die Walfängerharpunenkanone, die sich Ahmed und Rosi an diesem Vormittag von einem Antiquitätenhändler liefern ließen und die noch vor ihrer Türe im Treppenhaus steht. Mit offenen Augen bleibt Horst König liegen. Der Leibwächter stand mit gezogener Pistole vor der Durchfahrt zur Straße, während die sechs Möbelträger die Sofas abgestellt, sich im Halbrund formiert und sich ihm bis auf etwa fünf Meter genähert hatten. Ihren gespannten Körpern, den zum Zupacken bereiten Händen und gesenkten Köpfen war anzusehen: Sie wollten jetzt endlich Action. Jemand musste für diesen Scheißabend büßen [...] (Seite 96f) Der Bodyguard ist völlig verwirrt. Sein Boss verschwindet im Haus, ist telefonisch nicht mehr zu erreichen, und ehe genug Verstärkung eintrifft, um das Haus auf den Kopf zu stellen, werden drei Sofas hinein- und kurz darauf wieder herausgetragen – Sofas, die groß genug sind, um eine Leiche oder einen betäubten Körper darin zu verstecken. (Seite 98f) Während die Situation sich gefährlich zuspitzt, kommen Eddy und Arkadi mit dem alten Sofa aus der Haustüre. Eddy tut so, als halte er die Männer für "Filmtypen" und ruft: "Ist ja 'n Ding! Und bei uns im Haus so 'ne Möbellieferungsnummer abziehen!" (Seite 98)
In dem Durcheinander fällt dem überforderten Leibwächter gar nicht auf, dass Eddy und Arkadi ein Sofa zu einem Lieferwagen tragen und damit losfahren. "Weißt du, was? Ich glaube, das ist genau das Maß an schillernder Underdog-Vergangenheit, das mir zur vollkommenen Authentizität noch fehlt. Exstricher – da bin ich moralisch doch quasi Jesus: Fabian Braake, unser Mann von ganz unten, aus den Abwasserkanälen des Lebens aufgestiegen zum Ankläger der Nation! Einer, der weiß, was Arbeitslosigkeit, Misere, Hunger bedeutet! Der seinen Körper verkaufen musste für einen Bissen Brot!" (Seite 216) Braake durchschaut, dass Eddy der Unbekannte neben Romy König im Hotel Kempinski war. "Wolltest deiner kleinen Freundin helfen, was? Der süßen Romy, der Umweltschützerin. Hast es wahrscheinlich noch nicht mal auf ihr Geld abgesehen. Nur die Liebe zählt. Lover's Rock ..." Braake lachte. "Der heilige Eddy!" (Seite 218) Er bietet nun Eddy seinerseits einen Deal an. Romys Freund soll ihm Insider-Informationen über die Familie König liefern. Dafür ist er bereit, ihn bei der Berichterstattung auszusparen und 3000 Euro pro Monat zu bezahlen. Für den Fall, dass Eddy nicht darauf eingeht, kündigt er an, die Kampagne auf ihn auszudehnen und sein Leben von Profis durchleuchten zu lassen. Zum Schein geht Eddy auf Braakes Angebot ein und erzählt ihm, Romys Schwester Chantal habe zu ihrer Mutter gesagt: "Und wenn es doch Günther war?" Braake ist begeistert. Das gibt eine tolle Story, denn Günther König ist ein Versager, und das erlaubt die Frage, ob er seinen Bruder aus Missgunst ermordet haben könnte.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
Eddy geht zur Polizeiwache und besteht darauf, eine Aussage zu machen, obwohl die Beamten zunächst nicht glauben wollen, dass er etwas mit dem Tod des Spekulanten zu tun hat. Nachdem er zu Protokoll gab, was im Treppenhaus passierte und wie er die Leiche beiseite schaffte, wird er festgenommen. Einige Tage später weist Eddy darauf hin, dass er all das auch bereits seinem früheren Freund Fabian Braake erzählt habe. Dessen Sekretärin Liane könne seinen Besuch bezeugen. Dass der Gesellschaftsreporter nun Angehörige der Familie König weiterhin mit Schmutz bewerfe, wie soeben unter der Schlagzeile "Und wenn es doch Günther war?", sei eine wissentliche Verleumdung. Braake wird daraufhin von seiner Zeitung beurlaubt. |
Buchbesprechung:
Obwohl es in "Der heilige Eddy" um das Beseitigen einer Leiche geht, ist das Buch von Jakob Arjouni mehr Komödie als Kriminalroman. Das erste Kapitel hat mit der Handlung nichts zu tun und dient nur dazu, den Trickbetrüger Eddy vorzustellen. Mit Ausnahme des Protagonisten bleiben die Figuren schemenhaft. Der flott erzählte Plot wirkt an einigen Ecken recht konstruiert. Leser, die sich von solchen formalen Unzulänglichkeiten nicht stören lassen, haben an dem Klamauk in "Der heilige Eddy" viel Spaß. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010
Jakob Arjouni (Kurzbiografie) |