Sibylle Berg: Der Tag, als meine Frau einen Mann fand (Roman) |
Sibylle Berg:
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Inhaltsangabe:Chloe und Rasmus waren Mitte 20, als sie sich vor 20 Jahren begegneten. Seither sind sie ein Paar. Rasmus ist Finne. Er arbeitete als Regisseur an einem unbedeutenden Stadttheater in Deutschland, als Chloe ihn kennenlernte. Zehn Jahre lang ging es mit ihm bergauf. Dann überschritt er den Zenit seiner Karriere und erhielt nur noch Engagements in der Provinz, wobei er sich anfangs einredete, das sei wegen des kulturell noch nicht übersättigten Publikums gut so. Chloe übernahm vor zehn Jahren ein Antiquariat, um nicht nur die Frau des Regisseurs zu sein, aber mehr Geld verdient sie mit Börsenspekulationen. Ohne finanzielle Unterstützung durch ihre Schwiegermutter Lumi würden sie und Rasmus allerdings nur schwer über die Runden kommen. Auch die Drei-Zimmer-Wohnung wurde von Lumi gekauft und läuft auf deren Namen. Alle zwei Monate kommt sie zu Besuch. Geschwängert hatte sie ein mit einer anderen Frau verheirateter Ingenieur, der sie sitzen ließ, als sie schwanger war. Lumi zog ihren Sohn allein auf, studierte Kunst, gehörte der Studentenbewegung an, engagierte sich als Feministin und Terroristin. In Finnland betreibt sie eine kleine Galerie und lehrt an der Kunstakademie. [Chloe:] Ich wache gegen drei Uhr auf, um ein wenig Ruhe vor Rasmus zu haben und um an etwas anderes zu denken als an das Theater. Aber es fällt mir nichts ein. Rasmus' Probleme haben jeden Millimeter unserer Hirne besetzt. Also denke ich jeden Morgen zwischen drei und vier in Ermanglung eigener Probleme über Rasmus' Scheitern nach [...] Sex haben Chloe und Rasmus eigentlich nur, wenn er morgens aufwacht und der Druck der gefüllten Blase auf die Prostata eine Erektion bewirkt. An den letzten leidenschaftlichen Sex kann Chloe sich zwar noch erinnern, aber damals war sie 17. Ich hatte früher nichts gegen Sex. Falls es rhetorisch korrekt ist, würde ich sagen, dass ich theoretisch gerne ficke. Aber nicht mit Rasmus. [...] Ich habe mich von der ersten Sekunde mit ihm wohlgefühlt, bin gerne neben ihm gelaufen und hatte keine Angst vor ihm. Aber erregt hat er mich nicht. Vermutlich schließt eine Behaglichkeit Ekstase aus. Nun halten sich Chloe und Rasmus seit sieben Wochen in einem Strandhotel in der sogenannten "Dritten Welt" auf, weil Rasmus glaubt, den Menschen hier etwas von der abendländischen Hochkultur vermitteln zu müssen. Die meisten Touristen – es sind überhaupt nur wenige – machen in dem Küstenort nur einen kurzen Zwischenstopp auf einer größeren Reise. Der Strand ist vermüllt, im Wasser treiben mitunter Schlachtabfälle und es riecht überall nach dem Schlachthof, in dem die meisten Bewohner arbeiten. Rasmus scheitert mit seinem Vorhaben, denn die jungen Menschen, die bei seinem Theaterprojekt als Laiendarsteller mitmachen sollen, warten lediglich auf das Bier, das es nach den Proben gibt. Die meisten, ich korrigiere: alle sind nur bei den Proben, weil sie dadurch nicht in die Schule müssen oder ihren Eltern nicht im Schlachthaus helfen.
In eineinhalb Wochen wollte Rasmus eigentlich mit Chloe nur nach Deutschland zurückfliegen, um neue Gelder zu beschaffen und die Medien auf das Projekt aufmerksam zu machen, aber inzwischen ist ihm die Lust zum Weitermachen vergangen. Der Behandlungsraum wird hergerichtet, was vermutlich meint, dass zwei dreckige Handtücher gegen weniger dreckige Handtücher ausgetauscht werden. Rasmus wird von einer Frau mit großen Füßen massiert, Chloe von einem rothaarigen Mann Ende 20. Später wird sie erfahren, dass er Benny heißt. Er massiert ihre Waden, ihren Po – und penetriert sie mit einem Finger. Der Orgasmus geht in dem Rest meines Wohlgefühls fast unter. Dieser kleine Moment des Blutes in den Gliedmaßen, des Zuckens, löst sich auf in dem umfassenden Glück, am Leben zu sein. hier in dem Raum, auf dieser Welt.
Im Hotel packt Chloe ihre Sachen. Sie möchte Rasmus erst am Flughafen wiedersehen. Meine Grenzenlosigkeit erregt mich, macht mich stolz.
Rasmus ist erleichtert, als sie rechtzeitig zum Flugzeug kommt, aber sie redet kein Wort mit ihm, und er gewinnt den Eindruck, dass sie gar nicht in ihrem Körper sei. So würde ich aussehen, wenn ich Frau und Nutte wäre.
Beim Anblick dieser abgetakelten Frau vergeht Rasmus jede sexuelle Erregung, aber er hat sich "aus beschämend einfachen Gründen" vorgenommen, eine Frau zu erniedrigen und zieht das jetzt durch, auch wenn die Fellatio mühsam ist.
Wir umarmen uns wie Politiker. Es fühlt sich nicht gut an. [...] Was machen wir jetzt? Meine Güte, denke ich, was werden wir schon machen? In meine Wohnung gehen und Rasmus demütigen. Was sonst.
Nachdem Chloe die Haustüre aufgesperrt hat, zieht sie Benny in den Waschraum im Keller und reißt ihm die Hose herunter. Sie macht sich mit dem Mund an seinem Penis zu schaffen, aber er setzt sie auf die Waschmaschine, stößt ein paar Mal in sie hinein und ejakuliert dann über ihre Beine auf den Boden. Nachdem sie sich wieder angezogen haben, gehen sie in die Wohnung, wo Rasmus im Unterhemd vor dem Fernsehgerät sitzt und sich nicht einmal umdreht, als sie hereingekommen. Chloe sucht das Bad auf, um das Sperma von ihren Beinen zu wischen. Dass meine Mutter betrunken, oder sagen wir, dem Stand unserer Blutsverwandtschaft angemessen: erheitert mit dem Liebhaber der Gattin, oder sagen wir versöhnlich: dem Hausfreund, flirtet, ist eine überraschende Wendung des Tages.
In der ersten Zeit bleibt Benny allein in der Wohnung, während Rasmus im Theater und Chloe im Antiquariat zu tun haben. Nach einer Weile freundet er sich mit zwei offensichtlich alkoholkranken Osteuropäern an, mit denen er nun jeden Tag in der Wohnung trinkt und Joints raucht. Das weiße Sofa verdreckt zunehmend, und im 5000 Euro teuren Teppich entdeckt Chloe ein Brandloch. Es ist das erste Mal, dass ich einen Penis anfasse, der nicht an mir befestigt ist. Die Männer trinken Grappa. Wir haben es gut zusammen, und Chloe weiß nicht richtig weiter. Ich spüre, dass sie schlechte Laune bekommt, dass sie es nicht erträgt, uns so entspannt zu sehen, meine Hand am Schwanz ihres Freundes, friedlich besoffen und sie nicht beachtend, das gefällt Chloe nicht, sie steht ein wenig ratlos neben uns. Rasmus löst Bennys Fesseln. An seiner Stelle fesseln sie Chloe aufs Bett. Benny übergießt sie mit kaltgepresstem Olivenöl und beginnt, sie zu massieren. Beide Männer matschen an ihrem Genital herum. Rasmus fällt das stellenweise grau gewordene Schamhaar seiner Frau auf, die Cellulite und die zu beiden Seiten hängenden Brüste. Ich will das nicht ficken. Meine Hand schließt sich um Bennys Schwanz. Nur so, nur schnell, nur einmal anfassen dieses Ding, das sichelförmig im Raum steht. Benny dreht sich zu mir und küsst mich. Seine Zunge ist schnell, hart und fast aggressiv. Mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung schiebt Benny seinen Schwanz in Chloe, ohne seine Zunge aus meinem Mund zu nehmen, stattdessen greift er nach meinem Schwanz und beginnt mich zu wichsen. [...] Chloe kommt. Benny zieht sich aus ihr, und ehe ich denken kann, habe ich seinen nassen Schwanz in meinem Anus. [...]
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
Die Arbeitsagentur vermittelt Rasmus einen neuen Job: Er soll Rollenspiele mit Patienten einer Anti-Aggressions-Therapiegruppe inszenieren. Das erträgt er nicht lange. Freunde aus einem anderen Leben. Aus einem Leben, in dem sich Paare nett besuchen, um im Anschluss schlecht über das andere Paar zu reden.
Als die beiden gegangen sind, konfrontiert Chloe ihren Liebhaber mit dem nach Sperma riechenden Höschen, das sie im Bad fand und stellt ihn zur Rede. Er leugnet gar nichts, meint nur, er habe sich bemüht, die Situation zu entspannen. |
Buchbesprechung:
Der Roman mit dem originellen Titel "Der Tag, als meine Frau einen Mann fand" handelt von einem Paar Mitte 40. Rasmus ist Regisseur, und Chloe betreibt ein Antiquariat, um nicht nur die Frau des Regisseurs zu sein. Nach 20 Jahren mit Rasmus wirft sich Chloe sich in eine unvernünftige, leidenschaftliche Affäre mit dem Masseur Benny, will aber auch nicht auf Rasmus verzichten – und der findet durchaus Gefallen an Benny. Der einzige Grund, warum Frauen nicht schon längst die Welt beherrschen, ist ihre Faulheit. Die meisten, die ich kenne, sind zu träge, um einen Gedanken zu Ende zu bringen. Und immer ein wenig beleidigt, weil sie ahnen, dass sie mehr hätten leisten können, als die Frau eines mittelmäßigen Arschlochs zu sein. Den Roman "Der Tag, als meine Frau einen Mann fand" von Sibylle Berg gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Katja Riemann und August Zirner (Regie: Stephanie Mende, Sabine Stiepani, ISBN 978-3-95639-012-8). |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2015
Sibylle Berg (Kurzbiografie / Bibliografie) |