Tom Coraghessan Boyle: Zähne und Klauen (Erzählungen) |
Kritik: Die 14 Erzählungen, die T. C. Boyle unter dem Titel "Zähne und Klauen" zusammengefasst hat, sind eine Satire auf die US-Gesellschaft. Aberwitzige und komische Szenen sorgen für Unterhaltung. ![]() |
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T. C. Boyle: |
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Inhalt: Als ich heute morgen aufwachte, war alles weg, was ich mal hatte – Windsbraut – Hundologie – Der freundliche Mörder – Vom raschen Aussterben der Tiere – Jubilation – Rastrow's Island – Chicxulub – Hier kommt – Alle meine Schiffbrüche – Geblendet – Zähne und Klauen – Die Unwägbarkeit des Wassers: Madam Knights Reise nach New York – Gegen die Wand ![]() |
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Tom Coraghessan Boyle: Zähne und Klauen |
InhaltsangabeAls ich heute morgen aufwachte, war alles weg, was ich mal hatteBei einer Sauftour lernt der Ich-Erzähler an der Bar von Jimmy's Steak House einen Mann in den Vierzigern kennen, der nach einem Blick auf das Neonzeichen hinter der Theke behauptet, Jimmy zu heißen. Er sei früher Geschichtslehrer an einer High School gewesen, behauptet er. Sein Sohn Chris starb im Alter von achtzehn Jahren während des Aufnahmerituals in eine Studentenverbindung. Chris und sein ein Jahr jüngerer Kommilitone Benny Chung hatten als Erste nicht mehr weitertrinken können und waren von den anderen halb bewusstlos auf ein Bett gelegt worden. Als jemand nach einer halben Stunde nachgeschaut hatte, war Chris an Erbrochenem erstickt. Der Verlust des Sohnes brachte Jimmys Ehe zum Scheitern. Ich sagte ihm nicht, dass das Leben ein einziger Kampf gegen die Schwäche ist, der nicht im Kopf oder mit dem Willen ausgefochten wird, sondern in den Zellen, in den Enzymen, in der DNA, die mit ihrem Schlüssel in den Mechanismus unserer Persönlichkeit eingreift. (Seite 28) Nach Jimmys Monolog erinnert sich der Ich-Erzähler, wie verärgert er als Vierundzwanzigjähriger über die ungewollte Schwangerschaft seiner Frau war. Er wollte das Kind nicht, aber sie trug es aus. Er stellt sich vor, wie er mit anderen Männern am Strand herumtollt und sie sich den Säugling gegenseitig zuwerfen – bis er ihn versehentlich fallen lässt und das Baby auf einen Felsen aufschlägt. Doch so geschah es nicht. Ich fing ihn auf und hielt ihn fest und ließ ihn nie mehr los. (Seite 29) Windsbraut
Die amerikanische Ornithologin Junie Ooley mietet über der Metzgerei in einem Dorf auf den schottischen Shetlandinseln ein Zimmer. Sie will Vögel beobachten. "Habt ihr gesehen, was dieser große Trottel da draußen mit mir gemacht hat?" (Seite 34) Einer der Anwesenden antwortet: "Der Mann hat Ihnen eigentlich bloß das Leben gerettet." (Seite 34)
Damit beginnt eine Liebesgeschichte. Robbie vernachlässigt seine Schafe, schleppt der Vogelfrau die Ausrüstung, und sie nimmt ihn verbotenerweise mit in ihr Zimmer. Als er sie jedoch fragt, ob sie seine Frau werden möchte, weist sie ihn darauf hin, dass er ein Schafzüchter auf den Shetlandinseln sei, sie dagegen eine Amerikanerin mit Universitätsabschluss und unsteter Lebensweise. Ihre Frage, ob er denn bereit sei, sie überall hin zu begleiten, beantwortet er mit "ja". Daraufhin schimpft sie ihn einen Lügner, und es kommt zum Streit. Wütend lässt sie ihn stehen und klettert das Kliff hinunter. Robbie Baikie überlebte die Nacht und auch seine Trauer um sie. (Seite 42) Rastrow's Island
Weil Ruth, die Ehefrau des Ich-Erzählers schwer krank ist und er die Rechnungen für die Behandlung und die Medikamente nicht mehr bezahlen kann, will er sein leer stehendes Elternhaus verkaufen. Er fährt von Boston aus hin und sucht die Nachbarin Alice Rastrow auf, die achtzigjährige Witwe des Holzbarons Julius Rastrow, mit der er sich telefonisch verabredet hat. Eine junge Asiatin namens Rose öffnet ihm. Chicxulub
Es ist kurz nach Mitternacht. Ich liege mit einem Buch im Bett, nackt und kaum imstande, mich auf die Wortgruppen und säuberlich gegliederten Sätze zu konzentrieren, denn Maureen ist im Badezimmer und zieht das schwarze Negligé von Victoria's Secrets an, das ich ihr zum Geburtstag geschenkt habe [...]
Der Anruf kommt vom Krankenhaus: Madeleine ("Maddy"), die siebzehnjährige Tochter des Ehepaars Ted und Maureen Biehn, hatte einen Unfall. In der Aufregung finden Ted und Maureen ihre Schuhe nicht. Barfuß fahren sie zum Krankenhaus und fragen nach Maddy. Die sei noch im OP, heißt es, und die Schwestern sind nicht befugt, weitere Auskünfte zu geben. Um Viertel nach zwei taucht endlich ein Arzt auf, doch nur, um den Eltern zum Tod ihrer Tochter zu kondolieren. Sie wollen es nicht wahrhaben. Hier kommt
Raymond Leitner ist dreiunddreißig. Gerade verlor er seinen Job, seine Freundin und das Dach über dem Kopf. Der Chef kündigte ihm, und Dana warf ihn aus dem Haus. Am Morgen wacht er auf dem Gehsteig vor dem Postamt auf. Zum Glück ist es warm, denn es ist Juli, und er befindet sich in einer kalifornischen Küstenstadt.
Er war kein Penner, und er war kein Säufer, nicht so wie die anderen es waren, und das sagte er sich immer wieder. (Seite 182)
Am nächsten Tag fragt der Penner Dougie, der ein Metallrohr in der Hand hält, Raymond nach Knitsy und Sky. Er wolle die Schlampe und das Arschloch totschlagen, erklärt er. Am späten Abend hört Raymond Pal bellen, dann einen dumpfen Schlag, und der Hund verstummt. Er stolpert in der Dunkelheit über Knitsy, die leblos am Boden liegt. Wieder sind Schläge mit dem Metallrohr zu hören. Aber Raymond kommt Sky nicht zu Hilfe und alarmiert auch nicht die Polizei. Geblendet
Der dreiundfünfzigjährige Erzähler Bob Fernando Castillo besitzt südlich der chilenischen Stadt Punta Arenas eine von seinem Vater geerbte Estancia mit neuntausend Schafen. Sieben Kinder haben er und seine Ehefrau Isabela. Ich stellte bald fest, dass es nur ein einziges Gesprächsthema gab, und das galt nicht nur für das Abendessen, sondern für die ganzen drei Tage der Fiesta, wo und wann immer Dr. John Longworth Gelegenheit fand, sich in ein Gespräch einzumischen – und er besaß eine beinahe übernatürliche Fähigkeit, überall zugleich zu sein. Er war so allgegenwärtig wie ein Kakerlak. Und was war dieses penetrante, unerschöpfliche Thema? Der Himmel. Oder vielmehr das Loch im Himmel, das er über Magellanes, Tierra del Fuego und der Antarktis ausgemacht hatte, ein Loch, durch das alle Gifte des Universums Einlass finden würden, was schließlich zur Auslöschung allen Lebens führen werde. Er sprach von Algen und Krill, von saurem Regen, Kohlendioxid und Stürmen, die mit nie gekannter Gewalt über die Erde fegen würden. Für mich war er bestenfalls ein Enthusiast, aber insgeheim fragte ich mich doch, aus welcher Irrenanstalt er wohl ausgerissen war und wann man kommen würde, um ihn wieder einzufangen. (Seite 220)
Drei Wochen nach der Fiesta landet Don Pablo mit seiner kleinen Privatmaschine auf der Estancia Castillo. Er bringt Longworth mit, der auch hier einige Zeit den Himmel studieren will. Und weil es im ganzen Umkreis kein Hotel gibt, gebietet es die Gastfreundschaft den Castillos, den Amerikaner bei sich aufzunehmen. Zähne und KlauenDer dreiundzwanzigjährige Erzähler James Jr. Turner ("Junior") hängt an einer Theke herum. Ein Fremder betritt die Kneipe und bestellt ein Bier vom Fass, ein Schnapsglas Tomatensaft und zwei rohe Eier.
"Rohe Eier?", wiederholte der Barkeeper, als hätte er nicht richtig verstanden.
Alle warten darauf, dass der Fremde die Eier über dem Bier zerschlägt, aber er lässt sie stehen und kippt nur den Tomatensaft ins Bier. Er heiße Ludwig, antwortet er auf Darias Frage nach seinem Namen. Und sie erzählt ihm, dass sie aufs College geht und nebenbei kellnert.
"Klar", sagte ich. "Ja. Worum spielen wir – um Drinks, oder?" Ich kramte in meinen Taschen, ungeschickt, mit hängenden Schultern – ich war betrunken, das spürte ich. "Weil ich nicht viel, vielleicht zehn Dollar –"
Er verlässt das Lokal und kommt kurz darauf mit einem Käfig zurück, in dem eine Wildkatze eingesperrt ist, ein Serval aus Afrika, wie er erklärt. Den gewann er vor zwei Jahren in einer Bar in Arizona beim Würfelspiel, und weil er in Kürze einen neuen Job in Übersee antreten wird, kann er ihn nicht länger behalten. Er setzt die Katze gegen Juniors 10 Dollar, verliert und geht. Ein Kreischen zerriss das Zimmer, die Käfigtür flog auf, und das Tier sprang verwischt durch die Luft und knallte gegen das billige Sperrholz der Schlafzimmertür, als Daria und ich sie gerade geschlossen hatten. (Seite 245)
Daria schläft mit Junior. Am anderen Morgen meint sie als Erstes, er müsse die Wildkatze füttern. Und sie bringt ihn dazu, ein Guckloch in die Schlafzimmertüre zu bohren, obwohl er sich Sorgen um seine Mietkaution macht. Als er hindurchschaut, sieht er, dass der Serval den Teppichboden komplett herausgerissen hat. |
Buchbesprechung:
Bei den meisten männlichen Protagonisten der vierzehn Erzählungen, die Tom Coraghessan Boyle unter dem Titel "Zähne und Klauen" zusammengefasst hat, handelt es sich um alkoholkranke Verlierertypen. Ihr Leben wird durch irgendein
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010
Tom Coraghessan Boyle (kurze Biografie / Bibliografie) |