Nuruddin Farah: Maps (Roman) |
Kritik: Nuruddin Farah erzählt abwechselnd in der ersten, zweiten und dritten Person Singular, stets sehr ausführlich, hin und wieder in der Zeit hin- und herspringend. Breiten Raum nehmen in "Maps" auch die Träume der Hauptfigur ein. ![]() |
||||
Nuruddin Farah: |
||||
Inhalt: Der Somali Askar wird im Ogaden geboren. Sein Vater ist bereits tot, und seine Mutter stirbt gleich nach der Niederkunft. Zufällig findet die Äthiopierin Misra den verwaisten Säugling und nimmt sich seiner an. Durch den Krieg um den Ogaden werden Misra und Askar getrennt. Als sie sich zehn Jahre später wiedersehen, ist nichts mehr wie früher: Misra wird nachgesagt, sie habe somalische Freiheitskämpfer verraten, und Askar überlegt, ob er sich, statt zu studieren, der Western Somali Liberation Front anschließen soll ... ![]() |
Originalausgabe: Maps, 1986 |
|||
Nuruddin Farah: Maps |
Inhaltsangabe:
Askar wird Ende der Sechzigerjahre in Kallafo, einem Dorf im Ogaden, geboren. Sein Vater, der für die Western Somali Liberation Front gekämpft hatte, war einige Monate zuvor im Gefängnis ums Leben gekommen. Seine Mutter Arla stirbt unmittelbar nach der Niederkunft in einem Versteck. Zufällig findet die mit sieben Jahren von einem Krieger entführte Äthiopierin Misra den verwaisten Säugling und nimmt sich seiner an. Ihr eigener unehelicher Sohn war wenige Monate zuvor im Alter von 18 Monaten gestorben. Nun wird Askar zum Mittelpunkt ihres Lebens. [...] sie lag auf dem Rücken, und die Frauen traten ihr in den Leib. Als ob das nicht schon genug gewesen wäre, zerrten sie sie hoch, setzten sie auf und ließen sie Dämpfe von glühendem Kardamom einatmen und verabreichten ihr Zäpfchen aus Zimt und Myrrhe. Danach flößten sie ihr ein Gebräu ein, das unter anderem Wurzelsäfte und Pflanzenextrakte enthielt, von denen man sagte, sie hätten abtreibende Wirkung. Und als ob auch das noch nicht ausgereicht hätte, stieß eine der Frauen ihr noch einen Metallstab in die Tiefen ihres Innersten. (Seite 81)
Obwohl es Askar wie allen Kindern im Viertel verboten ist, lässt er sich von einem jemenitischen Nachbarn Schokolade schenken. Er versteht nicht, dass es sich bei dem Mann um einen Perversen handelt, der nicht nur kleine Jungen vergewaltigt, sondern es auch mit Tieren treibt.
"Eines Tages", prophezeite sie und sprach in jene Leere einer Zukunft, in der mir wiederzubegnen sie hoffte, "eines Tages wirst du dich mit deinem Volk identifizieren und mich als jemanden einordnen, der außerhalb dieser Gemeinschaft steht. Wer weiß, du könntest mich sogar töten, um den Traum deines Volkes zu verwirklichen." Nach Kriegsbeginn schickt Onkel Oorrax seinen Neffen Askar zu seinem Schwager Hilaal Cabdullahi und dessen Ehefrau Salaado nach Mogadischu. Onkel Hilaal, der Bruder von Askars Mutter Arla, lehrt dort an der Universität. Salaado kann keine Kinder bekommen, weil ihr die Eierstöcke entfernt wurden. Man drängte Hilaal, seine unfruchtbare Frau zu verlassen, aber er blieb bei ihr und nahm in Kauf, dass sich seine Familie von ihm abwandte. "Diese Gesellschaft hat absolut kein Verständnis für einen Mann der eine Frau liebt, die ihm keine Kinder gebiert, ihm sein Essen nicht kocht, ihm das Haus nicht in Ordnung hält und ihm nicht die Unterhosen wäscht. Eine Frau, die am Steuer des Wagens sitzt und fährt, während er auf dem Beifahrersitz Platz nimmt – das ist in unserer Gesellschaft unverzeihlich. Es geht um Sex – früher oder später. Und um die Hierachien, die den Begriff Sex begleiten." (Seite 214)
Während Askar mit Malaria im Bett liegt, verhelfen die Sowjets Äthiopien zum Sieg im Krieg um den Ogaden. |
Buchbesprechung:Du sitzt nachdenklich, mit gequälten Zügen und schmerzverzerrter Miene, du sitzt Stunde um Stunde, starrst schlaflos in das Dunkel und lauschst auf das leise Schnarchen, das aus dem Nebenzimmer herüberdringt. Und du beschwörst eine Vergangenheit: eine Vergangenheit, in der du ein Pferd seinen Reiter abwerfen siehst, eine Vergangenheit, in der du einen Vogel die Schale eines Eies aufbrechen siehst, damit er in die Freiheit der Himmel auffliegen kann. Und aus ebendieser Vergangenheit taucht ein Mann auf, ein Mann, der in einen weiten, ungeflickten Umhang voller Löcher gehüllt ist, jedes Loch groß wie ein Fenster – und jedes Fenster groß wie das Geheimnis, an das du dich klammerst, als wäre es die einzige Seele, die du je besessen. Und jeden Gedanken, der dir durch den Kopf geht, stellst du in Frage, zweifelst du an. (Seite 9)
Nuruddin Farah erzählt in "Maps" abwechselnd in der ersten, zweiten und dritten Person Singular, stets sehr ausführlich, hin und wieder in der Zeit hin- und herspringend.
|
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2007
Nuruddin Farah (Kurzbiografie / Bibliografie) |