Carlo Emilio Gadda: Die grässliche Bescherung in der Via Merulana (Roman) |
Carlo Emilio Gadda: |
Inhaltsangabe: Die Menegazzi verbrachte, wie alle Frauen, die allein wohnen, ihre Stunden einem Zustand der Bedrängnis oder zumindest zweifelvoller und angstvoller Erwartung.
Der Mann im Monteuranzug gab vor, im Auftrag der Hausverwaltung die Heizkörper zu überprüfen. Er habe sie regelrecht hypnotisiert, sagt Teresina Menegazzi aus. Als sie beobachtete, wie er Pretiosen einsteckte und sie ihn fragte: "Was machen Sie denn da?", hielt er ihr mit den Worten "Halt's Maul, alte Hexe, sonst verbrenn ich dich!" eine Pistole vors Gesicht, räumte Geld und Schmuck aus den Schubladen und verließ dann die Wohnung. Im Treppenhaus fielen zwei Schüsse, aber niemand weiß darüber etwas Genaueres. Auch die Portiersfrau Manuela Pettacchioni hat nichts gesehen, weil sie weiter oben die Treppe putzte bzw. sich mit einer Bewohnerin des Hauses unterhielt.
"Wenn es an ihr gelegen hätte, wenn sie frei gewesen wäre ... Aber ihr Gewissen, und außerdem ... die Religion. Nein, nein, sie war nicht mannstoll." |
Buchbesprechung: ... als Liliana das Messer schon in der Gurgel steckte und ihr die Luftröhre zerriss, zerfetzte, und das Blut beim Einschnaufen ihr in die Lungen hineinrann – und beim Ausatmen so herausgurgelte, mit Husten und Keuchen, dass es jetzt aussah wie lauter rote Seifenblasen; und die Halsschlagader und die Vene spuckten es aus wie zwei Pumphähne, pluff, pluff, einen halben Meter weit. ...
Gaddas virtuose Sprache ist wie ein "labyrinthisches Gewebe" (Hans Magnus Enzensberger). Dieses ausufernde Plaudern ist nichts für Leserinnen und Leser, die kurze Memoranden gewohnt sind.
Die ruhmvolle Geschichte unserer Malerei ist zu einem Teil ihrer Glorie den Zehen verpflichtet. Das Licht und die Zehen sind die wichtigsten und unfasslichsten Ingredienzien jeder Malerei, die sich lebendig behaupten will, die ihren Ausdruck sucht, erzählen, überzeugen, formen möchte – die danach strebt, unsere Sinne zu unterjochen, die Herzen dem Bösen abzuringen: die achthundert Jahre lang auf ihren Lieblingsdarstellungen beharrt. Und die Heiligen, die so beladen sind mit den Gaben des Herrn, auch sie könnten nicht der unentbehrlichen Gabe der Füße ermangeln: um so weniger diese beiden, die einst auf der Appia bis nach Babylon wanderten, um dort enthauptet oder mit dem Kopf nach unten ans Kreuz geschlagen zu werden. Bei ihnen waren, ganz im Gegenteil, eben diese Füße das physische Instrument ihres wallenden Apostolats: bis sie zwischen die Füße des Nero gerieten. Der sich aber nicht überzeugen ließ. Nein, die Heiligen können nicht auf das Rüstzeug der großen Zehen verzichten: ebensowenig wie die Soldaten auf die Zuteilung ihrer Büchsenfleischration. Schon gar nicht damals, wenn so ein italienischer Maler des sechzehnten oder siebzehnten Jahrhunderts, oder des achtzehnten oder gar noch schlimmer, sich vor sie hinkniete und sich anschickte, sie von unten her abzukonterfeien mit der Hingabe eines Pedikeurs. Der Roman "Die grässliche Bescherung in der Via Merulana" geht auf Episoden zurück, die Carlo Emilio Gadda (1893 - 1973) Mitte der Vierzigerjahre schrieb. Fünf davon wurden 1946 in der Zeitschrift "Letterature" veröffentlicht. Aus den 1947 bereits überarbeiteten Texten komponierte Gadda zehn Jahre später diesen Roman. Er plante einen zweiten Band mit der Aufklärung des Mordfalls und soll auch bereits einige Seiten davon zu Papier gebracht haben, aber das fragmentarische Manuskript ist verschollen. Aus einem Brief, den Carlo Emilio Gadda an seinen Verleger Livio Garzanti schrieb, geht hervor, dass Liliana Balducci von Virgina ermordet wurde. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002 Textauszüge: © Piper Verlag Seitenanfang |