Felicitas Hoppe: Pigafetta (Roman) |
Felicitas Hoppe: Pigafetta |
Inhaltsangabe:
Unser Schiff ist vorne spitz und hinten stumpf, 163 Meter lang, 27 Meter breit und vom Kiel bis zur Mastspitze höher als ein zehnstöckiges Hochhaus. Bei voller Ladung trägt es 1700 Container. (Seite 19)
Mit an Bord sind außer dem Geografen, der stets die Umrisse der nächsten Küste im Kopf hat, ein französischer Klempner und das deutsche Maklerehepaar Happolati. Von der Mannschaft erwähnt die Erzählerin den Kapitän, der "die ganze sinnlose Knechtschaft unter einem Herrn, den er niemals zu sehen" bekommt, satt hat und Lotse werden möchte, "gut bewirteter König und Gast auf den Brücken" (Seite 96), den zwei Meter großen Schiffsmechaniker Nobell, der ihr wiederholt rät, statt der langen Hose ein Kleid anzuziehen, "um die Herren zu erfreuen", dann einen "Maulwurf unter Tage in den Maschinen" namens Canossa, der sich erst bei anbrechender Dunkelheit an Deck wagt, um nach Alkoholresten zu suchen, und einen Koch, der die Gerichte wegen seiner Seekrankheit nicht abschmecken kann und auffälligerweise "nur ein einziges Kochbuch für drei Mahlzeiten am Tag über hundert Tage pro Runde für siebzehn Mann und zahlende Gäste" dabei hat (Seite 22). Sechs Tage und sechs Nächte brüllte der Sturm, es brüllte die Flut, und in der Eignerkabine nebenan stöhnte Frau Happolati, die es satt hatte, die Gattin eines Maklers zu spielen, der auch nur ein Gast auf Erden ist in diesen geliehenen Zimmern über dem Ozean. (Seite 16)
Über New York geht es nach Charleston, wo die Happolatis aussteigen und ein Pfirsichzüchter aus Georgia an Bord kommt. Vor der Durchquerung des Panamakanals feiert der britische Geograf seinen siebzigsten Geburtstag, aber er schließt sich in seiner Kabine ein, weil er nicht für das Bier aufkommen will. Der Kapitän wusste genauso wenig wie ich, was sich in den Containern verbarg, und der Erste Offizier, der es hätte wissen können, weil er die Listen besaß, hatte längst den Überblick verloren. (Seite 60)
Während eines Landgangs auf Tahiti fährt die Erzählerin dreimal mit dem Fahrrad um den erloschenen Vulkan. Der französische Klempner, der nicht pünktlich an Bord zurückkehrt, wird zurückgelassen, denn es wäre zu kostspielig für die Reederei, auf ihn zu warten. Aber am meisten bedrückte ihn, dass, obwohl er seine Uhr immer zurück- und niemals vorgestellt hatte, plötzlich zwischen dem einhundertfünfzigsten östlichen Längengrad und dem siebzehnten südlichen Breitengrad, kurz vor der internationalen Datumsgrenze, ein ganzer Tag aus dem Kalender verschwand, für den er im Voraus bezahlt hatte. (Seite 93f)
Der Klempner, der sich bei seinen Freundinnen auf Tahiti verspätet hatte, kommt mit dem Flugzeug nach. Der Geograf verlässt das Schiff. Bevor sie gingen, nahmen die Herren mein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger, verbeugten sich leicht und deuteten eine Entschuldigung an. (Seite 113)
Von Hongkong aus fliegen der Koch und der Steward in die Heimat zurück. Sie werden von zwei anderen Männern ersetzt.
Ihr Lieben, es ist nur ein Ausflug, nichts weiter. In ein paar Tagen bin ich zurück, sitze wieder am Tisch, der zweite Esser von rechts. In der Zwischenzeit halte ich die Augen offen. Ich werde euch überraschen mit Bildern, die man sonst nicht zu sehen bekommt. Wie sehr ich diese Schulausflüge liebe und am Abend beim Packen der Kiste den festen Glauben, dass alles beim alten bleibt. Sollte trotzdem jemand heiraten, so wünsche ich Glück bei der Wahl der Zeugen und Gäste. (Seite 7) Tatsächlich gingen unterwegs die Vorräte zur Neige, und die Mannschaft begann nach Fischen zu angeln.
Der Generalkapitän isst keinen Fisch. Nachts liege ich wach und lausche dem Geräusch leerer Kiefer auf Ledermanschetten und fange ihm Mäuse, die hier, wo es längst keinen Zwieback mehr gibt, so klein sind, dass sie ohne viel Aufwand von selbst nach hinten im Rachen verschwinden. Die Köche fangen die Mäuse in ihren Mützen und servieren in Mützen gewickelte Ratten, die man von den Rändern der Mützen her gierig verschlingt. (Seite 61)
Die Meuterei wurde entdeckt, und der Generalkapitän verurteilte die Verschwörer dazu, an den Ohren über der Reling zu hängen, bis wieder Land in Sicht kam und das ungläubige Gemurmel an Deck verstummte. Der Kampf dauerte einen ganzen Tag und eine ganze Nacht. Gegen wen wir fochten, weiß ich nicht, aber der Generalkapitän befahl, Feuer zu legen, um den Feind in Angst und Schrecken zu versetzen. Der Rauch legte sich über die kämpfenden Matrosen, sie begannen zu husten, verloren einander aus den Augen und wussten nicht mehr, auf wen sie jetzt einschlugen. Im Eifer des Gefechts traf die Kelle des dritten Kochs den Generalkapitän auf den Hinterkopf und umschloss ihn wie ein Helm für immer. (Seit 120)
"Es ist nichts erlogen", beteuert Pigagetta, "ich habe alles ehrlich erfunden" (Seite 135).
Die Meuterei begann an einem strahlenden Sonntagmorgen bei Windstärke zwölf, als der Pfirsichzüchter bemerkte, dass das Schwimmbecken im Keller des Schiffes kein Wasser mehr führte, worauf er sich beim Frühstück in der Offiziersmesse vor Zorn das Hemd von der Brust riss und damit gegen eine der hier herrschenden Grundregeln verstieß: Auf Schiffen sich immer bedeckt halten und niemals mit freiem Oberkörper auf die Brücke, in die Küche, in die Messe! Aber da er weder der wiederholten Aufforderung nach angemessener Bekleidung nachkam noch Reue zeigte oder irgendwelche Anstalten machte, die erhobene Strafe in Höhe von einer Kiste Bier für die Mannschaft zu zahlen, kam es zu Handgreiflichkeiten.
Mit einem Blick auf die ganz in Weiß gekleideten Kanallotsen von Suez beendet die Erzählerin ihren Reisebericht. |
Buchbesprechung: |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004 Textauszüge: © Rowohlt Verlag Seitenanfang |