William Somerset Maugham: Der Magier Ein parapsychologischer Roman |
Kritik: "Der Magier", das ist eine gothic novel, eine groteske, fesselnde und spannende, von W. Somerset Maugham meisterhaft erzählte Geschichte mit sehr lebendigen Charakteren. ![]() |
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W. Somerset Maugham: |
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Inhalt: Der nüchtern und pragmatisch denkende englische Chirurg Arthur Burdon und seine neunzehnjährige Verlobte Margaret Dauncey begegnen um 1900 in Paris einem geheimnisvollen Landsmann, den sie für einen abscheulichen Prahler halten: Oliver Haddo. Der rächt sich mit besonderer Bosheit an Arthur, der Zweifel an seinen magischen Fähigkeiten äußerte ... ![]() |
Manuskript: London, 1907 |
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William Somerset Maugham: Der Magier |
Inhaltsangabe:
Arthur Burdon, ein junger, vielversprechender Chirurg am St.-Luke-Hospital in London, ist ein nüchterner Pragmatiker, der mit Kunst, Musik und Literatur nichts anfangen kann – im Gegensatz zu seiner attraktiven Verlobten Margaret Dauncey, die sich für die Kunst und alles Schöne begeistert. Margaret ist die Tochter eines englischen Rechtsanwalts, bei dem Arthur häufig zu Besuch gewesen war. Als Margarets Eltern kurz nacheinander starben, fungierte der Familienfreund als Testamentsvollstrecker und übernahm die Vormundschaft für die Waise. Arthur wartete, bis Margaret siebzehn Jahre alt war, dann fragte er sie, ob sie seine Frau werden wolle, und sie willigte freudig ein. Sie wäre auf der Stelle seine Frau geworden, aber er wusste, dass sie an Colarossis Akademie in Paris Zeichenunterricht nehmen wollte, schob die Hochzeit um zwei Jahre auf und schickte sie nach Paris. Weil Margaret durch Zufall herausgefunden hatte, dass ihr Vater mittellos gestorben war und sie auf Arthurs Kosten lebte, sträubte sie sich zunächst, ließ sich dann jedoch überreden, nach Paris zu reisen, wo sie bei ihrer früheren Lehrerin, der dreißigjährigen Susie Boyd, wohnen konnte. Er sah wie ein boshafter, lüsterner Priester aus. Margaret, die ihn verstohlen anschaute, während er aß, schauderte plötzlich heftig; er flößte ihr eine unbezwingliche Abneigung ein. (Seite 42) Haddo, von dem es heißt, er sei ein Magier, prahlt mit seiner vornehmen Sippe, seinem Familienbesitz Skene in Staffordshire, seiner Ausbildung in Eton und Oxford und behauptet, bei einer Großwildjagd in Afrika einmal drei angreifende Löwen mit nicht mehr als drei unmittelbar hintereinander abgefeuerten Schüssen erlegt zu haben. Arthur findet den sich extravagant und geheimnisvoll gebenden Egomanen unerträglich und hält ihn für einen Aufschneider. Magie und Okkultismus tut er ohnehin als Aberglauben ab. Haddo meint dazu: [...] ist die Magie nichts weiter als die Kunst, sich unsichtbarer Mittel zu bedienen, um sichtbare Wirkungen zu erzielen. Wille, Liebe und Fantasie sind magische Kräfte, über die jeder verfügt; und wer es versteht, sie bis zu ihrem vollsten Ausmaß zu enfalten, ist ein Magier. (Seite 49)
Nach dem Essen besuchen Arthur, Margaret, Susie, Dr. Porhoët und Oliver Haddo, der sich ihnen aufdrängt, einen Jahrmarkt. Im Zelt eines ägyptischen Schlangenbeschwörers verlangt Arthur von dem widerlichen Fremden einen Beweis für dessen angeblich magische Kräfte. Da lässt Haddo sich von einer gehörnten Viper in die Hand beißen. Verblüfft beobachtet Arthur, wie sich die von den Giftzähnen geschlagenen kleinen Wunden wieder schließen, und während Haddo keinerlei Wirkung des Giftes zeigt, verendet ein von derselben Schlange gebissenes weißes Kaninchen auf der Stelle.
"Obwohl die meisten Menschen ihn nicht mochten, hatten sie ein merkwürdiges Vergnügen an seiner Gesellschaft." (Seite 85)
Ausdrücklich bestätigt Frank Hurrell die Angaben des angeblichen Magiers über seine Herkunft und seinen Besitz in Staffordshire; auch die Löwenjagd-Geschichte sei verbürgt.
"Ich versichere Ihnen, es stimmt. Sie sind jetzt sechs Monate verheiratet, und sie ist noch immer nur dem Namen nach seine Frau. Jahrhunderte hindurch haben abergläubische Menschen an die Macht der Jungfräulichkeit geglaubt, und die Kirche hat sich diese Vorstellung für ihre eigenen Zwecke zunutze gemacht. Der Mann benützt sie nur als Maskottchen." (Seite 166)
Nach einem dreiwöchigen Aufenthalt in Paris reist Susie weiter nach London und verabredet sich dort mit Arthur zum Essen. Er wirkt erschöpft und will nichts über Margaret hören. Als sie gerade aufbrechen, werden sie von dem Augenarzt Arbuthnot entdeckt, einem gemeinsamen Freund, der sie drängt, mit ins "Savoy" zu kommen, wo er einen Tisch für acht Personen reservieren ließ. Unvermittelt stoßen Arthur und Susie dort auf das Ehepaar Haddo. Margaret gibt während des Essens ordinäre Witze zum Besten, und ihr Mann genießt sichtlich Arthurs Verlegenheit.
Ich hasse ihn. Alles in mir sträubt sich gegen ihn. Und doch ist etwas, ich weiß nicht was, in meinem Blut, das mich gegen meinen Willen zu ihm hinzieht. Mein Körper verlangt nach ihm. (Seite 186)
Arthur nimmt Margaret kurzerhand mit zu Susie und wendet sich an einen Rechtsanwalt, um die Scheidung vorzubereiten. Doch Margaret wird von Tag zu Tag unruhiger – und kehrt schließlich zu Haddo zurück.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
Verzweifelt reist Arthur nach Paris, um Dr. Porhoëts Rat zu erbitten. Er sorgt sich um Margaret, weiß jedoch nicht, wie er ihr helfen könnte. Einige Tage später spürt er, dass Margaret etwas zugestoßen ist und drängt darauf, nach Skene zurückzukehren. Susie und Dr. Porhoët begleiten ihn. In dem Gasthof, in dem Arthur schon einmal übernachtete, erfahren sie, dass Mrs Haddo an einem Herzanfall gestorben sei. Arthur weiß, dass sie nicht herzkrank war und ist überzeugt, dass der Magier sie umgebracht hat, aber eine Anzeige hat keinen Sinn, denn er kann es nicht beweisen. Ruhelos wandert er herum, dann drängt er Dr. Porhoët, den Geist Margarets zu beschwören. Als Arthur sie weinen hört, hält er das für eine Bestätigung seiner Ansicht und beschließt, Haddo zu töten. Bei einem der Ungeheuer erreichten die Glieder nahezu menschliche Formen. Es war stark aufgequollen, hatte fette, winzige Arme, kurze, geschwollene Beine und einen absurden zusammengekauerten Leib, sodass es aussah wie ein chinesischer Mandarin aus Porzellan. (Seite 260)
Benötigte der Magier das Blut einer Jungfrau, um seine Kreaturen zu ernähren? Haddo kann die Frage nicht mehr beantworten: Er liegt hinter den Labortischen tot am Boden, mit einem gebrochenen Arm, blutunterlaufenen Augen und Würgemalen am Hals. |
Buchbesprechung:Einen "parapsychologischen Roman" nennt William Somerset Maugham "Der Magier". Tatsächlich handelt es sich um eine gothic novel, eine groteske, fesselnde und spannende Geschichte über einen geheimnisvollen Engländer, der wie Dr. Frankenstein an der Erschaffung von Lebewesen arbeitet und sich mit außergewöhnlicher Bosheit an einem nüchternen Chirurgen rächt, der Zweifel an seinen magischen Fähigkeiten äußerte. Zugleich ist es die Geschichte einer besonders schönen Jungfrau, die sich unwiderstehlich von dem satanischen Magier angezogen fühlt und ihren verzweifelten Verlobten in Stich lässt. "Der Magier" ist ein meisterhaft erzählter Trivialroman mit sehr lebendigen Charakteren. "Der Magier" ist ein giftig schillerndes Prachtexemplar fantastischer Décadence-Literatur. (Stephan Maus in "Süddeutsche Zeitung", 6. November 2004)
In einem dem Roman vorangestellten "Fragment einer Autobiografie" erzählt William Somerset Maugham, wie er nach den 1897 bestandenen medizinischen Prüfungen ein Jahr lang in Sevilla lebte, dann für einige Zeit nach London zurückkehrte, bevor er den Winter 1906/07 in Paris verbrachte, wo er sich mit dem Maler Gerald Kelly befreundete. Sein Abendessen pflegte er im Restaurant "Le Chat Blanc" in der Rue d'Odessa beim Bahnhof Montparnasse einzunehmen. Dort erlebte er mitunter einen auffälligen Gast namens Aleister Crowley.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004
William Somerset Maugham (Kurzbiografie) |