Michael Ondaatje: Der englische Patient (Roman) |
Kritik: Bei "Der englische Patient" handelt es sich um einen teilweise authentischen Roman über das Schicksal des Wüstenforschers Graf Ladislaus Almásy, eine großartige Geschichte über eine tragische Liebe, vier im Krieg teils körperlich, teils psychisch verletzte Menschen in einer zerbombten Villa und das Entsetzen eines Asiaten über die Zündung der Atombombe über Hiroshima. ![]() |
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Michael Ondaatje: |
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Inhalt: In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs pflegt die 20-jährige kanadische Krankenschwester Hana in einem zerbombten toskanischen Kloster einen Patienten, der beim Absturz mit seinem Flugzeug so schwere Verbrennungen erlitt, dass sein Leben nicht zu retten ist. Während er regungslos auf dem Bett liegt, erinnert er sich bruchstückhaft an die Geschichte seiner leidenschaftlichen Liebe zu der Frau eines anderen ... ![]() |
Originalausgabe: The English Patient, New York 1992 Deutsche Ausgabe: Carl Hanser Verlag Übersetzung: Adelheid Darmagen Süddeutsche Zeitung / Bibliothek, Band 23, München 2004 |
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Michael Ondaatje: Der englische Patient |
Inhaltsangabe: Der Mann liegt auf dem Bett, sein Körper dem Luftzug ausgesetzt, und er wendet den Kopf langsam zu ihr, als sie hereinkommt. Alle vier Tage wäscht sie seinen schwarzen Körper, angefangen bei den kaputten Füßen. Sie macht einen Waschlappen nass, presst ihn über seinen Knöcheln zusammen und lässt das Wasser auf ihn tropfen, blickt auf, als er etwas murmelt, und sieht sein Lächeln. Am Schienbein sind die Verbrennungen am schlimmsten. Tiefviolett. Knochen.
Auf einem Tischchen neben dem Bett liegt ein aus dem Feuer gerettetes Buch von Herodot (eine Ausgabe der Historien von 1890) mit Notizen und eingeklebten Texten, Skizzen und Karten. Sein Name steht nicht darin. Eine Zwanzigjährige, die sich aus der Welt verbannt, um einen Geist zu lieben!
Da machte er sich auf den Weg, um sie zu beschützen. Manche der Geschichten, die der Mann ruhig in das Zimmer hinein erzählt, gleiten wie Falken von Schicht zu Schicht.
Zu Beginn der Dreißigerjahre gehörte er zu einer Gruppe von Forschern, die das Gilf-Kebir-Plateau kartografierten und nach der verschollenen Oase Zarzura suchten. 1936 stieß das erst seit zwei Wochen verheiratete Ehepaar Clifton zu ihnen. Geoffrey Clifton war in "überströmender Flitterwochenfreude". (Die Forscher ahnten nicht, dass es sich um einen Agenten des britischen Geheimdienstes handelte, der den Auftrag hatte, sie zu observieren.) Clifton war reich und besaß ein zweisitziges – für die Gruppe sehr nützliches – Flugzeug. Die alte Maschine, die einem von ihnen gehörte, ließen sie bei Uwenat stehen und deckten sie mit einer Plane ab. Ich winkte mit der blauen Plane. Clifton verringerte die Höhe und flog dröhnend über mich hinweg, so niedrig, dass die Akazienbüsche ihre Blätter verloren. Das Flugzeug drehte nach links ab und schlug einen Bogen, und als es mich erneut im Blickfeld hatte, richtete es sich wieder aus und steuerte direkt auf mich zu. Weniger als fünfzig Meter von mir entfernt kippte es plötzlich und stürzte ab. Ich lief darauf zu.
Entsetzt stellte er fest, dass Geoffrey nicht allein, sondern mit Katherine in der Maschine saß. Geoffrey war tot. Offenbar hatte er sich, seine Frau und Almásy wegen der längst vergangenen Affäre töten wollen, denn zu dritt hätten sie in dem Flugzeug nicht Platz gehabt. Almásy zog Katherine aus dem Wrack. Ein Handgelenk und mehrere Rippen waren gebrochen. Er trug sie in eine nahe gelegene Höhle, zerschnitt Cliftons Fallschirm und bettete sie darauf. Er erreichte den flachen Brunnen namens Ain Dua. Er zog sich ganz aus und tränkte die Kleidungsstücke im Brunnen, streckte den Kopf und dann den dünnen Leib ins blaue Wasser. Seine Glieder waren erschöpft von den vier Nächten ununterbrochenen Gehens. Er ließ seine Kleidung ausgebreitet auf dem Felsgestein zurück und kletterte höher in die Felsen, kletterte aus der Wüste hinaus, die jetzt, 1942, ein riesiges Schlachtfeld war, und ging nackt in das Dunkel der Höhle hinein. Die Tote lag auf dem Rücken. Er trug sie zu dem alten Flugzeug, das mit Sand zugeweht war. Er grub es frei und betankte es aus einem Benzinkanister, den er unterwegs aus einem britischen Depot gestohlen hatte. Mit der Leiche auf dem Rücksitz startete er. In der Luft merkte er, wie Öl über seine Knie strömte. Ein Funke setzte das Flugzeug in Brand. Er schlüpft in das Gurtwerk des ölgetränkten Fallschirms und stürzt mit dem Kopf nach unten hinaus, bricht aus dem Glas frei, Wind jedoch schleudert seinen Körper zurück. Dann sind seine Beine völlig frei, und er ist in der Luft, leuchtend, ohne zu wissen, wieso er leuchtet, bis ihm klar wird, er brennt.
Beduinen fanden den Schwerverletzten und trugen ihn zu der Oase Siwa. Auf seine verbrannte Haut legten sie ölgetränkte Filzstücke. Im Lazarett von Pisa begegnete er dann Hana. Ich lasse Ihnen das Radio, da kriegen Sie Ihre Geschichtslektion. Keine Bewegung mehr, Caravaggio. All das zivilisierte Gerede von Königen und Königinnen und Präsidenten ..., all die Stimmen der abstrakten Ordnung. Spüren Sie's raus. Hören Sie Radio, und spüren Sie da die Verherrlichung raus. Wenn in meinem Land ein Vater die Gerechtigkeit entzweibricht, tötet man den Vater.
Überstürzt fährt Kip auf seinem Motorrad nach Süden. Auf einer Brücke kommt er ins Schleudern und stürzt in einen Fluss. Er überlebt und kehrt in seine asiatische Heimat zurück. |
Buchbesprechung:
"Dieser Roman trägt eine dreifache Krone: er ist tiefgründig, schön und läßt das Herz schneller schlagen", urteilte die Nobelpreisträgerin Toni Morrison. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002
Michael Ondaatje: Anils Geist |