Morton Rhue: Die Welle (Roman) |
Morton Rhue: Die Welle |
Inhaltsangabe:
Ben Ross, ein engagierter Geschichtslehrer an der Gordon High School, zeigt seiner Klasse einen Dokumentarfilm über die Vernichtungslager der Nationalsozialisten. Die meisten Schüler sind betroffen, und einige fragen, wieso auch Deutsche, die keine Anhänger der Nationalsozialisten waren, nichts gegen die Verbrechen einer Minderheit unternahmen. Ben weiß es nicht. "Ich meine nur, das ist doch jetzt alles vorbei. Vergiss es! Es ist einmal geschehen, und die Welt hat etwas daraus gelernt. Es wird nie wieder geschehen." (Seite 32) Am Abend denkt Ben noch einmal über die offenen Fragen zum Nationalsozialismus nach und beschließt, die Klasse in der nächsten Geschichtsstunde durch ein Experiment die Disziplinierung in einer Gemeinschaft erleben zu lassen. Vor dem Unterricht schreibt er an die Wandtafel: "Macht durch Disziplin!" Ben verlangt von den Schülern, dass sie kerzengerade sitzen und bei jeder Wortmeldung aufspringen. Außerdem müssen sie jede Frage oder Antwort laut und zackig mit "Mister Ross" beginnen. Verblüfft stellt er fest, dass die Schüler sich nicht gegen die neuen Vorschriften wehren, sondern nach kurzer Zeit begeistert mitmachen. Im Gespräch mit seiner Ehefrau Christy, die ebenfalls an der Gordon High School unterrichtet, wundert er sich: "Weißt du, ich war überzeugt, sie hätten etwas dagegen, sie würden sich nicht zwingen lassen, wie die Puppen zu sitzen, aufzuspringen und ihre Antworten herauszuschreien. Aber sie haben sich eher so benommen, als hätten sie ihr Leben lang auf so etwas gewartet." (Seite 53)
Vor dem Beginn der nächsten Geschichtsstunde rechnet Ben damit, dass die Schüler wie üblich zu spät kommen und er dann erst einmal für Ruhe sorgen muss. Doch sie sitzen ausnahmslos pünktlich, aufrecht und schweigsam an ihren Plätzen. Spontan setzt er das Experiment fort und schreibt an die Wandtafel: "Macht durch Gemeinschaft!" "Sie müssen verstehen, dass dieses Experiment gar nicht weiter gehen kann als ich es zulasse. Die ganze Grundlage der Welle ist die Idee einer Gruppe, die bereit ist, ihrem Führer zu folgen. Und solange ich damit zu tun habe, kann ich versichern, dass die Sache mir nicht außer Kontrolle geraten wird." (Seite 103)
In der von Laurie geleiteten Redaktion der Schülerzeitung trifft ein anonymer Brief ein, in dem berichtet wird, dass jüngere Schüler von älteren gedrängt werden, Mitglied der "Welle" zu werden. Wer sich – wie der unbekannte Briefeschreiber – weigere, habe Angst. "Ich muss sie so weit treiben, dass sie von selbst begreifen. Vielleicht lernen sie so die wichtigste Lektion ihres Lebens." (Seite 145)
Weil Laurie noch Artikel für die Schülerzeitung geschrieben hat, ist das Schulhaus menschenleer, als sie zu ihrem Schrank geht. Erschrocken liest sie, was da mit roter Farbe hingesprüht wurde: "Feindin". Panisch vor Angst rennt sie aus dem Schulhaus. Draußen hat David auf sie gewartet. Er möchte sie von den Vorzügen der "Welle" überzeugen und von ihrer kritischen Haltung abbringen. Laurie bleibt jedoch bei ihrer Meinung. Ihre Hartnäckigkeit macht David so zornig, dass er sie an den Armen packt und zu Boden schleudert. Das bringt ihn schlagartig zur Vernunft, und er geht mit Laurie, die glücklicherweise nicht ernsthaft verletzt wurde, zu Ben Ross, um die sofortige Auflösung der "Welle" zu fordern.
"Ihr kamt euch besser vor als alle anderen außerhalb dieser Aula. Ihr habt eure Freiheit gegen das verschachert, was man euch als Gleichheit vorgesetzt hat. Aber ihr habt die Gleichheit in Vorherrschaft über die Nicht-Mitglieder verwandelt. Ihr habt den Willen der Gruppe über eure eigenen Überzeugungen gestellt, auch wenn ihr dadurch andere verletzen musstet [...] |
Buchbesprechung:Stilistisch und sprachlich hebt sich der Jugendroman "Die Welle" von Morton Rhue kaum vom Durchschnitt ab, doch das Buch ist lesenswert, weil darin ein 1969 von dem Lehrer Ron Jones in einer High School in Palo Alto, Kalifornien, tatsächlich durchgeführtes Experiment beschrieben wird: Wohl erzogene Schüler aus der Mittelschicht ließen sich so manipulieren, dass sie eine faschistische Gemeinschaft bildeten, die einen Konformitätsdruck erzeugte und Nicht-Mitglieder bedrohte. Was als bloßes Experiment im Geschichtsunterricht begonnen hatte, war zu einer Bewegung geworden, die sich jetzt auch außerhalb der Klasse fortentwickelte. (Seite 87) Ron Jones sagte darüber in einem Interview: "Also, am ersten Tag hatte ich noch alles genau durchgeplant – ich wollte ja eine engagierte Diskussion provozieren und damit dann das Experiment beenden. Als ich am zweiten Tag in die Klasse kam, erwartete ich, dass die Schüler wie immer in ihren Bänken herumlümmeln würden. Aber zu meiner Überraschung saßen alle in dieser merkwürdig disziplinierten Haltung vor mit und baten mich, doch weiterzumachen. Erst wollte ich aufhören, aber dann dachte ich: 'Mal sehen, wie das weitergeht.'" ("Scholastic Voice", 18. September 1981; hier: Seite 182)
Morton Rhue ist das Pseudonym eines 1950 in New York geborenen Schriftstellers, der nach dem Literaturstudium als Straßenmusiker durch Europa zog, dann seinen Lebensunterhalt als Journalist verdiente und schließlich mehrere Jugendromane veröffentlichte.
Die Welle – Regie: Dennis Gansel – Drehbuch: Dennis Gansel und Peter Thorwarth, nach dem Buch "Die Welle" von Morton Rhue – Kamera: Torsten Breuer – Schnitt: Ueli Christen – Musik: Heiko Maile – Darsteller: Jürgen Vogel, Christiane Paul, Frederick Lau, Max Riemelt, Jennifer Ulrich, Jacob Matschenz, Cristina do Rego, Elyas M'Barek, Maximilian Vollmar, Maximilian Mauff, Ferdinand Schmidt-Modrow, Tim Oliver Schultz u.a. – 2008; 105 Minuten |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004 / 2008
Filme und Romane über Schule, Schüler, Lehrer |