James Salter: Dämmerung (Erzählungen) |
Kritik: James Salters erzählt in "Dämmerung" keine kontinuierlichen Geschichten, sondern reiht knappe, verdichtete Szenenfragmente aneinander und vermittelt dabei mit wenigen Worten komplexe Bilder. Das ist ganz unspektakulär – und tief traurig. ![]() |
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James Salter: |
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Inhalt: Erzählungen: Am Strande von Tanger – Zwanzig Minuten – American Express – Fremde Küsten – Kino – Verlorene Söhne – Akhnilo – Dämmerung – Via negativa – Die Zerstörung des Goetheaneums – Erde |
Originaltitel: Dusk North Point Press, San Francisco 1988 Dämmerung Übersetzung: Beatrice Howeg Berlin Verlag, Berlin 1999 |
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James Salter: Dämmerung |
Am Strande von TangerNico und Malcolm machen Urlaub in Barcelona. Inge holt das Paar in ihrem VW ab, und sie fahren nach Sitges an den Strand. Unentwegt beschwert Inge sich über Spanien, vor allem über die Männer. "Die Spanier haben keine Ahnung, wie man Frauen behandelt." (Seite 16) Nico merkt, wie Malcolms positive Einstellung gegenüber Spanien von Inges Gerede vergiftet wird. Nach dem Abendessen kehren sie nach Barcelona zurück und verabschieden sich gegen Mitternacht von Inge. In dem Käfig, der im ausgefegten offenen Kamin ihres Ferienzimmers steht, ist an diesem Tag auch der zweite von Nicos Vögeln eingegangen. Zwanzig Minuten
Jane Vare reitet in der Nähe von Carbondale aus. Das Pferd strauchelt, Jane kann sich nicht im Sattel halten, das Pferd überschlägt sich, stürzt auf sie und zertrümmert ihr den Unterkörper. Hilflos am Boden liegend, erinnert Jane sich an Szenen aus ihrem Leben. Etwa, wie sie ihren Eltern erzählte, sie wolle einen Mann namens Henry Vare heiraten. Oder wie Henry ihr vor einem Jahr versicherte, er werde mit Mara Schluss machen. Dabei hatte sie gar nichts von einem Verhältnis geahnt. DämmerungMrs Chandler ist sechsundvierzig Jahre alt und trägt ein maßgeschneidertes Kostüm. Sie war eine Frau, die Bücher gelesen, Golf gespielt, Hochzeiten besucht hatte, die schöne Beine besaß, die Stürme überstanden hatte, eine gute Frau, die jetzt niemand mehr wollte. (Seite 135) Ihr jüngster Sohn war als Kind ertrunken. Rob Chandler hatte sie wegen einer anderen Frau verlassen. Sie behielt das Haus. Hin und wieder schaut Bill vorbei, ein Vierzigjähriger in einem "Jackett, das einmal teuer gewesen war". Die meiste Zeit verbringt er als Platzwart auf dem Golfplatz. Er hatte etwas Hartes und Hoffnungsloses an sich, etwas, das ihm die Jugend bewahrte. (Seite 138)
Bill sieht nach einem tropfenden Wasserhahn in Mrs Chandlers Haus und verspricht, bei Gelegenheit mit einer neuen Dichtung wiederzukommen. Bevor er geht, sagt er, dass er seit einigen Wochen wieder mit Marian zusammen sei. Es war nur das Gefühl, mit jemanden zusammen zu sein, den man mochte, jemand, der unkompliziert und anders war. (Seite 140) Via negativa
Nile wohnt bei seiner Mutter und deren Schwester. "Ich sagte: Hören Sie, sagen Sie mir eins, aber ehrlich: das ganze Geld, die Aufmerksamkeit ..." (Seite 150)
P sei ganz verängstigt gewesen, meint Nile. Jeanine, die gerade in einem Roman von Gogol gelesen hat, reagiert darauf zwar mit "Was hast du ihn wirklich gefragt?", erwartet aber keine Antwort. Nile prahlt, der Viking Verlag sei an seinen Erzählungen interessiert. Als Jeanine wissen möchte, mit wem er dort gesprochen habe, behauptet er, der Name sei ihm gerade entfallen. "Jeanine. Ich weiß, dass ich dich enttäuscht habe. Aber das mit Viking ist die Wahrheit." (Seite 152) Sie sagt nur "Auf Wiedersehen, Nile", als ob sie ein Telefongespräch beenden würde. Dann fährt sie zu ihrer Verabredung mit P. Die Zerstörung des Goetheaneums
Der namenlose Protagonist trifft Nadine, die platonische Freundin des vierzigjährigen Schriftstellers William Hedges, der an einem umfangreichen Roman mit dem Titel "Das Goetheaneum" arbeitet. ErdeBilly Amstel arbeitet für den alten Harry Mies. Sie heben Häuser an, die bisher auf Holzpfählen standen und gießen darunter Betonplatten. Billy wohnte in der Nähe der katholischen Kirche in einem Zimmer zu ebener Erde. Er hatte eine Metalldusche. Er schlief ohne Laken, am Morgen trank er Milch aus der Tüte. Er hatte eine Freundin namens Alma, die Kellnerin im Daly's war. Sie hatte Beine mit festen Waden. Sie redet nicht viel, ihre Gleichgültigkeit machte ihn wahnsinnig, manchmal war sie mit jemand anderem bei Gerhart's, saß im Nebel der Stimmen, dem bellenden Lachen, die Fotos berühmter Schwergewichtsboxer waren an die Wand hinter ihr geheftet. an der Decke waren Wasserflecken. Die Tür zur Männertoilette knallte immer wieder zu. (Seite 183)
Als Harry stirbt, kauft Billy für 100 Dollar ein Auto und fährt mit Alma nach Mexiko. Die Kosten teilen sie sich. |
Buchbesprechung:Den Protagonisten in James Salters Erzählungen verrinnt das Leben. Während sie tapfer dagegen ankämpfen, geht es mit ihnen bergab. Jedenfalls gleiten seine Figuren auf der schiefen Ebene ihrer Existenz langsam abwärts wie auf einem eingeseiften Brett. (Eberhard Falcke in: "Süddeutsche Zeitung", 24. April 1999)
Dabei beschreibt James Salter weder Extremsituationen noch außergewöhnliche Charaktere, sondern er veranschaulicht die "Dämmerung" des Lebens an gewöhnlichen Menschen in mehr oder weniger alltäglichen Situationen.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004
James Salter: Cassada |