Andrea Maria Schenkel: Tannöd (Roman) |
Andrea Maria Schenkel: Tannöd |
Inhaltsangabe:
Mitte der Fünfzigerjahre wundern sich die Leute in der zur bayrischen Gemeinde Einhausen gehörenden Einöde Tannöd, dass man von den Danners seit Tagen – seit Samstag – nichts hört oder sieht. Hansl Hauer, der dreizehnjährige Sohn des seit drei Jahren verwitweten Bauern Georg Hauer (49), wird am Dienstagnachmittag hingeschickt. Dem kommt es auf dem Hof nicht geheuer vor. Deshalb tun sich Georg Hauer, der Bauer Johann Sterzer (52) und dessen Knecht und zukünftiger Schwiegersohn Alois Huber (25) zusammen und gehen hinüber zu dem abgelegenen Hof. Sie stellen fest, dass die Tür des Maschinenhauses offen ist. Von dort kommt man in den Stadel, der wiederum über den Stall mit dem Wohnhaus verbunden ist. Im Heu entdecken die Männer die Leichen von Hermann Danner, seiner Ehefrau Theresia, seiner Tochter Barbara Spangler und seiner achtjährigen Enkelin Maria-Anna ("Marianne"). Man hat ihnen die Köpfe mit einer Spitzhacke eingeschlagen. Die Leiche der Magd Maria ("Marie") Meiler (44) liegt auf dem Fußboden ihrer Kammer, und Barbaras zweijähriger Sohn Josef wurde im Kinderbett erschlagen. Wenn es einer verstand, konnte der die Marie ausnutzen. Sie machte immer alles, was man ihr sagte, sie stellte nie Fragen. (Seite 28)
Als Traudl dann von der Krämerin Anna Meier (55) erfuhr, dass auf dem Danner-Hof eine Magd davongelaufen war, sorgte sie dafür, dass Marie die Stelle bekam und brachte sie am Freitag selbst hin. Marie überlebte die erste Nacht auf dem Hof nicht. Eigenbrötler waren das alles, besonders der Alte war kein guter Mensch. Mit denen ist man nicht warm geworden und ich hab auch nicht warm werden wollen. Nicht einmal geredet habe ich mit denen, seit der Sache mit der Amelie. (Seite 102f)
Amelie hatte man Hermann Danner im Krieg als Zwangsarbeiterin zugewiesen. Sie war vom Bauern schlecht behandelt und zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden, bis sie sich in ihrer Verzweiflung erhängt hatte. Vielleicht – so Maria Sterzer – habe ihr Bruder sie nun gerächt. Der Bürgermeister Franz-Xaver Meier (47) will die alte Geschichte, die sich unter seinem Vorgänger zutrug, nicht wieder aufwärmen.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
Michael Baumgartner ist einer der früher von Hermann Danner beschäftigten Gelegenheitsarbeiter. Er nutzt die Tätigkeiten, um sich auf verschiedenen Höfen umzusehen und auszukundschaften, wo etwas zu holen war. Dann bricht entweder er oder sein Schwager oder einer ihrer Kumpane ein. Am letzten Freitag versteckte er sich auf dem Zwischenboden im Stadel des Danner-Hofs und wartete auf eine günstige Gelegenheit, um an die Barschaft des Bauern zu kommen. Er sah auch, wie Traudl Krieger fortradelte, nachdem sie ihre Schwester Maria Meiler herbegleitet hatte. Als er am Abend Feuer legen wollte, um in dem dadurch ausgelösten Durcheinander das Geld zu rauben, hörte er, dass noch jemand im Stadel war. Da achtete er darauf, kein Geräusch zu machen. So wurde er Zeuge eines Streits zwischen Barbara und einem Mann. Der packte die Frau am Hals, würgte sie und zertrümmerte ihr mit einer Spitzhacke den Kopf. Ein paar Minuten später kam Theresia Danner in den Stadel und rief nach ihrer Tochter. Der Mörder erschlug sie ebenso wie danach noch Hermann Danner und dessen Enkelin Marianne. Sobald der Mörder durch den Stall ins Haus geschlichen war, rannte Michael Baumgartner davon. |
Buchbesprechung:
Für ihren Debütroman hat Andrea Maria Schenkel (* 1962) ein düsteres Thema gewählt: einen grauenvollen sechsfachen Mord auf einem Hof in der fiktiven bayrischen Einöde Tannöd. "Tannöd" ist eine gelungene, formal eigenständige und erstaunlich stilsichere Mischung aus Heimat- und Kriminalroman. Aufbau und Sprache sind scheinbar ganz einfach, aber dahinter steckt eine kluge Autorin, die siebzehn Zeugen mit ihren unterschiedlichen Ausdrucksweisen zu Wort kommen lässt und die Aussagen mit kurzen Schilderungen aus einer auktorialen Perspektive ergänzt. Gleich zu Beginn schildert sie, wie jemand die Kühe auf dem Danner-Hof füttert und melkt, und wir wundern uns, warum er die frische Milch ins Heu schüttet, bevor er wieder geht. Erst später begreifen wir, dass wir dem noch nicht identifizierten Mörder über die Schulter schauten. Auf anfängliche Andeutungen, die "Tannöd" bereits eine dichte unheimliche Atmosphäre geben, folgen weitere Informationen, bis sich ein immer deutlicheres Bild ergibt, das durch die Zeugenaussagen aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet wird. Siebenmal schiebt Andrea Maria Schenkel ein Gebet ein und untermalt damit das Milieu in der vermeintlich idyllischen Einöde. – "Tannöd" ist ein spannender, formal und inhaltlich überzeugender Roman ohne jeden Schnickschnack. Originaltitel: Tannöd – Regie: Bettina Oberli – Drehbuch: Petra Lüschow, Bettina Oberli, nach dem Roman "Tannöd" von Andrea Maria Schenkel – Kamera: Stéphane Kuthy – Schnitt: Mike Schaerer, Antje Zynga – Musik: Johan Söderqvist – Darsteller: Julia Jentsch, Monica Bleibtreu, Volker Bruch, Andreas Buntscheck, Janina Stopper, Filip Peeters, Gundi Ellert, Nils Althaus, Bernd Tauber, Vitus Zeplichal, Peter Harting, Brigitte Hobmeier, Lisa Kreuzer, Lukas Turtur, Clara Conzen, Dagmar Sachse u.a. – 2009; 95 Minuten Esther Gronenborn orientierte sich bei ihrem Film "Hinter Kaifeck" an dem Roman "Der Mordfall Hinterkaifeck" von Peter Leuschner. Kaifeck Murder – Originaltitel: Hinter Kaifeck – Regie: Esther Gronenborn – Drehbuch: Sönke Lars Neuwöhner, Christian Limmer, Bert Koß, Martin Muser, nach dem Roman "Der Mordfall Hinterkaifeck" von Peter Leuschner – Kamera: Chris Valentien – Schnitt: Moune Barius, Dirk Grau – Musik: Alexander Hacke – Darsteller: Benno Fürmann, Alexandra Maria Lara, Henry Stange, Michael Gwisdek, Erni Mangold, Monika Hansen, Waldemar Kobus, Manfred Möck, Andrusch Jung, Myriam "Mia" Aegerter, Andreas Bahr, Beles Adam, Samuel Pälchen, Chiara Beranek, Anna Böger u.a. 2009; 85– Minuten |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2007/2008/2012
Mordfall Hinterkaifeck |