John Steinbeck: Tortilla Flat (Roman) |
Kritik: John Steinbecks nostalgischer und humorvoller Schelmenroman "Tortilla Flat" besteht aus einem Vorwort und siebzehn locker verknüpften Episoden. Sie handeln von kalifornischen Außenseitern, die nicht am New Deal teilhaben und lieber nichts besitzen. ![]() |
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John Steinbeck: |
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Inhalt: Als der Paisano Danny 1919 aus dem Krieg heimkehrt, erfährt er, dass sein Großvater ihm zwei Holzhäuser in der kalifornischen Siedlung Tortilla Flat vererbt hat. Eines davon überlässt er obdachlosen Freunden, und als es bald darauf abbrennt, nimmt er sie alle bei sich im zweiten Haus auf, wo sie gemeinsam in den Tag hineinleben – bis Danny sich verändert ... ![]() |
Originalausgabe: Tortilla Flat, 1935 |
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John Steinbeck: Tortilla Flat |
Inhaltsangabe:Bei Tortilla Flat handelt es sich um einen Bezirk oberhalb der alten Stadt Monterey an der kalifornischen Küste.
Monterey liegt an einem Hügelhang, eine blaue Bucht zu Füßen und einen dunklen Kiefernwald im Rücken. Die unteren Teile der Stadt sind von Amerikanern italienischer Herkunft bewohnt, die sich vom Fischfang und der Herstellung von Fischkonserven ernähren. Aber auf dem Hügel, wo der Wald und die Stadt ineinander übergehen, wo die Straßen noch nichts von Asphalt wissen und es an den Ecken keine Straßenlaternen gibt, haben sich die alteingesessenen Bewohner von Monterey verschanzt wie in alten Zeiten die Briten in Wales. Dies sind die Paisanos.
Der Paisano Danny wuchs in Tortilla Flat auf. Als er 1919 aus dem Krieg in Europa heimkehrt, erfährt er, dass er die beiden Holzhäuser seines Großvaters in Torilla Flat geerbt hat. Vor Schreck betrinkt er sich, fängt eine Prügelei an, fällt einem Polizisten in die Hände und wird im Stadtgefängnis von Monterey eingesperrt. Seit Daddy Marks starb, versieht Tito Ralph dort den Dienst als Gefängniswärter. Tito Ralph hat nur einen Fehler: Wenn er Wein trinkt, so vergisst er, dass er der Wärter ist. Er reißt aus, und man muss ihn wieder festnehmen. (Seite 164)
Eines Tages bringt Tito Ralph zwei Flaschen Wein mit und trinkt sie mit dem Häftling Danny. Eine Stunde später geht Tito Ralph Nachschub holen, und Danny begleitet ihn. Sie bleiben in Torrellis Wirtshaus, bis dieser sie hinauswirft und schließt. Während Tito Ralph zurückkehrt und von der Flucht des Häftlings berichtet, schläft Danny seinen Rausch im Wald aus. Am nächsten Tag bettelt er an der Hintertür eines Restaurants um ein Stück Brot – angeblich für seinen Hund –, und während der Koch etwas einpackt, stiehlt er zwei Scheiben Schinken, vier Eier und ein Hammelkotelett aus der Küche. Die Lebensmittel tauscht er bei Torrelli gegen ein Wasserglas voll Schnaps ein. "Vielleicht will das Mädchen Danny heiraten. Diese Portagees sind immer aufs Heiraten aus, und sie sind sehr hinterm Geld her. Sind sie erst verheiratet, dann kann es kommen, dass sie uns wegen der Miete plagen. Diese Rosa wird neue Kleider haben wollen [...] (Seite 32f)
Jesus Maria Corcoran prahlt vor Pilon und Pablo, er habe ein gestohlenes Boot für 20 Dollar verkauft. Als Pilon und Pablo das hören, überreden sie ihn, bei ihnen für 15 Dollar pro Monat einzuziehen; er brauche auch nur 3 Dollar im Voraus zu bezahlen. Aber Jesus Maria hat bereits 17 Dollar für Wein und einen Seidenschlüpfer für seine Flamme Arabella ausgegeben, und von den restlichen 3 Dollar will er ihr noch einen Büstenhalter kaufen. Pilon und Pablo lassen nicht locker, geben sich auch mit 2 Dollar Anzahlung zufrieden und beruhigen Jesus Maria, da bleibe ihm immer noch 1 Dollar für den Büstenhalter. "Für einen Dollar kannst du so ein Ding kaufen groß genug für zwei Kuheuter." (Seite 39)
Die 2 Dollar wollen Pilon und Pablo ihrem Vermieter Danny geben, denn er hat ihnen gesagt, dass er Geld benötigt, um seiner neuen Freundin Mrs Morales Süßigkeiten kaufen zu können. Pilon überlegt, dass Süßigkeiten für die Zähne schädlich sind. Auch Dannys Zähne wären betroffen, weil er bestimmt auch etwas naschen würde. Er sollte besser Wein für seine Freundin kaufen. Um ganz sicher zu gehen, dass Danny nicht unvernünftig handelt, kaufen die Freunde den Wein lieber selbst, statt ihm die 2 Dollar zu geben ... Jetzt können wir wieder frei und glücklich miteinander sein. (Seite 52)
Ohne viel darüber zu reden, ziehen Pilon, Pablo und Jesus Maria zu ihm. Der Pirat hat Geld, aber nicht den Verstand, um es zu gebrauchen. Ich hingegen habe den Verstand! Ich werde diesen in seinen Dienst stellen. Freigiebig werde ich meine Verstandeskräfte ihm zugute kommen lassen! (Seite 60)
Beherzt sucht Pilon den Piraten auf und erklärt ihm, man mache sich Sorgen über seine ungesunde Lebensweise und würde ihm gern helfen, sei jedoch wegen Geldmangels nicht in der Lage dazu. Rasch merkt er, dass der misstrauische Pirat das Geld nicht freiwillig herausrücken wird. Da verfällt er auf die Idee, ihn samt den Hunden mit in Dannys Haus zu nehmen. […] Überzeugung, so gut wie der Mensch seine Tage zur Hälfte schlafend und zur Hälfte wachend verbringe, gezieme es sich auch, seine Jahre abwechselnd im Gefängnis und in der Freiheit zu verleben. (Seite 73f)
Als er gerade wieder einmal in Freiheit ist, gerät er in einen Regenschauer und wird völlig durchnässt. Schutz suchend geht er zum nächstgelegenen Haus. Es gehört der fünfundvierzigjährigen Witwe Tia Ignacia. Sie hat gerade eine Gallone Rotwein angebrochen und versucht zwar noch, den Krug unter einen Stuhl zu schieben, aber Big Joe hat den Wein bereits entdeckt und es bleibt ihr nichts anderes übrig, als ihm ein Glas davon anzubieten. Sie hofft, dass dies wenigstens zu einem erotischens Abenteuer führt, aber Big Joe nimmt kaum Notiz von ihr, trinkt nur mit großen Schlucken ein Glas Wein nach dem anderen und fällt dann vor dem Kamin in Schlaf. Wütend prügelt Tia Ignacia ihn aus dem Haus. Um den Schlägen der Furie zu entgehen, klammert Big Joe sich an sie, und dabei erwacht sein Trieb. Als der Streifenpolizist Jake Lake vorbeikommt, ermahnt er die beiden: "Macht, dass ihr von der Straße wegkommt!" Teresina war, was den Verstand anbelangt, ein wenig durcheinander; hingegen war ihr Körper gleichsam eine vollkommene Retorte für die Hervorbringung von Kindern. (Seite 133)
Ihr erstes Kind gebar Teresina im Alter von vierzehn Jahren und setzte es im Park aus. Inzwischen hat die Dreißigjährige acht Kinder und ist mit dem nächsten schwanger. Wer die Väter sind, kann sie nicht sagen, denn sie hat den Überblick verloren. Teresina füttert die Kinder mit Bohnen. Als eine Bohnenernte ausfällt und die Kinder zu verhungern drohen, greifen Danny und seine Freunde ein. Während sich in Teresinas Haus die Lebensmittel häufen, wundert die Polizei sich über eine Welle von Diebstählen. Aber die Kinder werden krank, leiden unter Bauchschmerzen und Koliken. Schonend bringt Teresina den hilfsbereiten Männern bei, dass die Kinder nicht an Obst, Milch und grünes Gemüse sondern nur an Bohnen gewöhnt sind. In dieser Nacht wird bei der Western Warehouse Company eingebrochen. Teresina erwacht durch Geräusche in der Küche, und als sie eine Kerze anzündet und nachsieht, stehen da vier Hundertpfundsäcke Bohnen. Aufstehen, am Vormittag in der Sonne sitzen und warten, was der Pirat zu essen bringen werde. (Seite 155)
Zunehmend fühlt Danny das Gewicht des Eigentums auf sich lasten. Eines Nachts reißt er aus. Die Freunde sorgen sich um ihn und fragen sich, ob er verrückt geworden ist. Schließlich wird Danny verhaftet, weil er einen Chinesen mit Eiern bewerfen wollte und versehentlich einen Polizisten traf. Danny schickt Tito Ralph Wein besorgen. Wie immer, wenn der Gefängniswärter Wein getrunken hat, reißt er aus – und die vier Häftlinge folgen ihm. Tito Ralph lässt sich bald darauf festnehmen; Danny bleibt verschwunden.
"Tito Ralph", rief Johnny Pom-pom aus, "ich hörte, du seiest in Haft."
Danny ist nicht mehr wie früher. Er redet kaum ein Wort und brütet vor sich hin. Um ihn aufzuheitern, kommen seine Freunde auf eine Idee: Sie wollen ihm eine große Party ausrichten, und um das Geld dafür zu verdienen, zerschneiden sie tagelang Fische für Chin Kee. Alle in Tortilla Flat sind eingeladen. Aber statt an der Party teilzunehmen, läuft Danny irgendwo herum und muss erst von seinen Freunden geholt werden. Daraufhin feiert er mit, und später werden immer wildere Geschichten darüber erzählt, wieviel Danny an diesem Abend trank, und keine der Teilnehmerinnen möchte, dass man glaubt, Danny habe sie übergangen. Doch plötzlich läuft er fort. Seine Freunde folgen ihm und finden ihn schwer verletzt in der nahen Schlucht liegen. |
Buchkritik:John Steinbecks nostalgischer und humorvoller Schelmenroman "Tortilla Flat" besteht aus einem Vorwort und siebzehn locker verknüpften Episoden, die mit Überschriften versehen sind, die an Moritaten erinnern: Wie Danny, aus dem Krieg heimgekehrt, sich als Erben fand, und wie er gelobte, die Hilflosen zu schützen. (Seite ,13) "Tortilla Flat" handelt von kalifornischen Außenseitern, die nicht am New Deal teilhaben und lieber nichts besitzen. Zufrieden sind die mittellosen Spießgesellen, wenn sie Wein trinken und mitunter bei einer Frau ins Bett schlüpfen können. Ihre Würde bewahren sie in einer Subkultur, in der die herkömmlichen Werte durch andere ersetzt sind. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004
John Steinbeck: Von Mäusen und Menschen |