Joseph Vilsmaier: Leo und Claire mit Michael Degen, Franziska Petri u.a. |
Joseph Vilsmaier: Leo und Claire |
Inhaltsangabe: Leo Katzenberger (Michael Degen) wurde 1873 in Unterfranken geboren und kam im Alter von 39 Jahren nach Nürnberg. Mit seinem Bruder Max führte er einen Schuhgroßhandel und verdiente viel Geld. 1932 wurde er zunächst stellvertretender und sieben Jahre später erster Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnbergs. Die Gebrüder Katzenberger bewohnten mit ihren Familien eine Villa in der Praterstraße. Am Spittlertorgraben 19 im Rückgebäude befand sich der Hauptsitz der Firma, und die Wohnungen auf der anderen Seite des Innenhofs vermietete Leo Katzenberger. Das seit dem Tod ihres Onkels leer stehende Fotoatelier in Leo Katzenbergers Mietshaus übernimmt 1932 die 22-jährige Fotografin Irene Scheffler (1910 - 1984; gespielt von Franziska Petri). Sie renoviert die Räume und träumt von künstlerischen Aufnahmen, doch sie muss froh sein, wenn sie hie und da ein Passfoto oder ein Hochzeitsbild knipsen kann. Zum Ausgleich macht sie mit dem Selbstauslöser Aktaufnahmen von sich selbst. Leo Katzenberger stundet ihr die Miete, setzt sich für ein Porträt in einem Sessel zurecht und kommt dabei auf die Idee, seine Filiale in Fürth von ihr fotografieren zu lassen. Sein Chauffeur fährt sie hin, und bevor sie zurückkehren, lädt der Unternehmer die Fotografin in ein teures Restaurant ein. Leo wird Irenes väterlicher Freund. Häufig besucht er sie. Als er ihr Pumps schenkt, schlüpft Irene sofort hinein und fordert ihn auf, mit ihr Walzer zu tanzen. Nach einigen Runden geraten sie außer Atem, fallen lachend auf die Couch – und Irene küsst Leo zaghaft auf den Mund. "Der Stürmer" veröffentlicht einen Hetzartikel gegen den "Schuhjuden Katzenberger". Leo verklagt die Zeitung und hat damit Erfolg. Vor dem Gerichtssaal wartet Irene mit einem Blumenstrauß auf Leo, um ihm zu gratulieren. Seine Frau Claire (Suzanne von Borsody) kommt in dem Augenblick, als das Mädchen ihren Mann umarmt. Als Leo merkt, dass seine Ehe durch seine Beziehung zu Irene gefährdet sein könnte, beendet er seine privaten Besuche bei ihr. Leo und Claire Katzenberger haben zwei Töchter: Käthe (Alexandra Maria Lara) und Lilo (Jasmin Schwiers). Käthe, die ältere der beiden, heiratet und zieht mit ihrem Mann Bernhard nach Jerusalem. Leo und Lilo besuchen sie dort. Claire kann wegen einer Lungenentzündung nicht mitkommen. Während Klezmer-Musik gespielt wird und Lilo begeistert tanzt, erzählt Bernhard seinem Schwiegervater, er habe ein Schuhgeschäft eröffnet und Käthe erwarte ein Kind. Leo ist glücklich. Am Tag darauf – es ist der 10. November 1938 – erfährt er von dem Pogrom im Deutschen Reich. Leo war zunächst dagegen, dass seine Tochter Deutschland verließ, aber jetzt hält er es für die richtige Entscheidung. Lilo bleibt in Jerusalem, während er nach Nürnberg reist, um Claire zu holen. In seiner Villa trifft er auf Möbelpacker. Die Behörden haben Max Katzenberger gezwungen, die Villa für ein Zehntel des Einheitswertes zu verkaufen und das Geld auf einem Sperrkonto "Hermann Göring" deponiert. Die bisherigen Besitzer müssen jetzt Miete in ihrem eigenen Haus zahlen, und in die oberen Etagen zieht gerade ein parteitreuer Rechtsanwalt. Irene – die seit 1937 Mitglied der NSDAP ist – heiratet 1939 den Autoverkäufer Seiler. Das Atelier am Spittlertorgraben behält sie zwar, aber Leo Katzenberger sucht sie nur noch in seiner Eigenschaft als Hausherr auf. Im März 1941, als er Geld für die 1938 beantragte Ausreisegenehmigung benötigt, geht er wieder hin. Irene – deren Mann an der Front ist – hat gerade Kundschaft und bittet ihn, erst nach Einbruch der Dunkelheit zurückzukehren, es sei besser, wenn er nicht bei ihr gesehen werde. Die Nachbarn haben Irene seit ihrer Ankunft belauert. Das lebenslustige Mädchen, das im leichten Sommerkleid angekommen war, sich nackt zu waschen pflegt und auch schon mal unbekleidet durch ihr Atelier tanzt, passt nicht in die Hausgemeinschaft von verbitterten Männern und Frauen, die sich darüber ärgern, dass Leo Katzenberger in einer mondänen Villa wohnt, während sie sich um die Benützung eines stinkenden Etagenklos streiten. Ständig hängen die Mieter an ihren Hinterhoffenstern. Da ist ihnen nicht entgangen, wie oft der jüdische Hausherr die "arische" Fotografin besucht hat. Von "Rassenschande" wird getuschelt. Obwohl wegen des Krieges nach Einbruch der Dunkelheit Ausgehverbot herrscht, schleicht Leo Katzenberger abends noch einmal zu Irene und bittet sie, die gestundete Miete zu bezahlen. Sie verspricht ihm das Geld für den folgenden Tag. Aber noch in der Nacht wird Leo Katzenberger aus dem Bett heraus verhaftet. Einer der Mieter am Spittlertorgraben 19 hat ihn angezeigt. Irene Seiler sagt unter Eid aus, dass außer einem Tanz und einem flüchtigen Kuss nichts zwischen ihr und dem Angeklagten gewesen sei. Bevor der Untersuchungsrichter den Haftbefehl im September 1941 wieder aufheben kann, übernimmt Landgerichtsdirektor Oswald Rothaug (Jürgen Schornagel) das Verfahren vor dem "Sondergericht für den Bezirk des Oberlandesgerichts Nürnberg bei dem Landgerichte Nürnberg-Fürth". Der fanatische Nationalsozialist beschuldigt die Entlastungszeugin des Meineids und macht sie auf diese Weise im Prozess gegen Leo Katzenberger am 13. und 14. März 1942 zur Mitangeklagten. Rothaug verurteilt Irene Seiler zu zwei Jahren Zuchthaus ohne Bewährung. Leo Katzenberger, so der Richter, sei ein "Volksschädling", der das "arische" Mädchen mit Geschenken und durch die Stundung von Mietzahlungen abhängig gemacht und zum Geschlechtsverkehr verführt habe. Dafür müsse er mit dem Tod bestraft werden. Leo Katzenberger wurde am 3. Juni 1942 in München-Stadelheim mit dem Fallbeil geköpft. Claire, Max und dessen Frau hatte man schon vorher nach Polen deportiert. Über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Das Mietshaus am Spittlertorgraben wurde 1945 bei einem Bombenangriff zerstört und nicht wieder aufgebaut. Ein Gericht verurteilte Oswald Rothaug 1947 zu lebenslanger Haft, doch er wurde 1956 begnadigt. Irene Seiler starb 1984 in Apolda. |
Filmkritik: |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002
Joseph Vilsmaier (kurze Biografie / Filmografie) |