Martin Walser: Selbstporträt als Kriminalroman (Erzählung) |
Martin Walser: Selbstporträt als Kriminalroman |
Inhaltsangabe: Unser Freund hat ein harmloses Verbrechen begangen. Er hält sein Verbrechen für harmlos. Er tut zumindest so, als halte er sein Verbrechen für harmlos. Er ist nicht bereit zuzugeben, dass sein Verbrechen ein ernsthaftes, ein schlimmes Verbrechen sein könne. Er ist sehr empfindlich, wenn jemand auf sein Verbrechen zu sprechen kommt. Sobald jemand sein Verbrechen erwähnt, braust er auf. Erst wenn man ihn hemmungslos für sein Verbrechen lobt, beruhigt er sich. Dann lächelt er wie ein dreizehnjähriges Mädchen, dem man sagt, es sehe hundertmal verführerischer aus als Marilyn Monroe. Unser Freund behauptet allerdings, es sei ihm peinlich, gelobt zu werden und beschuldigt sich erneut des Verbrechens. Ja, wer denn nicht, sagen wir dann! Ob er uns jemanden sagen könne, der in der Geschichte der Menschheit irgendeine Rolle spiele, und kein Verbrechen begangen habe! Schon eine Rolle zu spielen, oder spielen zu wollen in der Geschichte der Menschheit, sei ja der Beginn jedes großen Verbrechens ... Unser Freund verdächtigt uns alle, dass wir lügen, wenn wir ihn loben, und er unterstellt uns, dass wir auf der Seite des Inspektors stünden.
Der Inspektor, also. Die große Gegenfigur unseres Freundes. Er redet andauernd von diesem Inspektor. [...] Der Inspektor verfolgt unseren Freund, und der beobachtet jeden seiner Schritte, ist genaugenommen mehr hinter dem Inspektor her als der hinter ihm. Inzwischen hat jedoch der Inspektor das Interesse an unserem Freund verloren.
Das ist für einen, dem das Verfolgtwerden zum Lebensinhalt geworden ist, offenbar das Schlimmste. |
Buchbesprechung: |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003
Martin Walser: Die letzte Matinee |