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Der Rentner im Tschibuk
Ein Statement von Uve Schmidt
Seit
einiger Zeit darf nicht mehr geraucht werden, heißt es, obwohl man hie und
da Tabaksrauch sehen oder bloß riechen kann. Was wo verboten ist, wissen nur
die Raucher ganz genau, gleichwohl geht die Rede vom Rauchverbot wie
zu Zeiten, da etwas ausnahmslos verboten war, z.B. das Entleeren von
Nachtgeschirren aus den Fenstern auf die Bürgersteige. Mein Leser merkt, daß
wir historisch schon weit entfernt sind von der Hinnahme und Billigung übler
Usancen als gewohnten oder verbrieften Rechten, welche in meinen Kindertagen
durchaus noch im Schwange waren, bezüglich der Pisspötte freilich nur in
gewissen Gassen. Andererseits dürfen wir jede Menge mehr als früher, z.B.
die Regierung verfluchen, Gott lästern, Beamte und Blondinen beleidigen,
aber ein frischfröhliches Heil Butt! sollte auch Anglern nicht zur
Angewohnheit werden, weswegen niemand auswandert, denn der Reiz des
Verbotenen animiert nicht nur Minderjährige, und selbstverständlich erwarten
den alternden Skinhead und seine junge Familie in Nordamerika noch ganz
andere Verbote, und viele hiesige Straftatbestände kommen in Übersee gar
nicht zur Anzeige oder gleich vor einen selbstgerechten Gesetzeshüter. In
Singapur indes wurden im Laufe der letzten Jahre einige der strengen
Bestimmungen und schmerzhaften Bußen zur Erhaltung besenreiner, blitzblanker
Trottoirs gemildert, weil sie dem Tourismus unbekömmlich waren. In Peking
wird der Bevölkerung derzeit beigebracht, wie sie sich zu verhalten habe in
Gegenwart internationaler Gäste der Sommerolympiade und in den Metropolen
Südafrikas ist man bemüht, für die Dauer der Fußballweltmeisterschaft einen
Burgfrieden vorzubereiten, welcher vor allem den jugendlichen Kriminellen
quasi Kompensationen verspricht, wenn sie sich während der Spiele
einschlägig zurückhalten, denn alle vorbeugend wegzusperren, wäre weder
rechtlich noch räumlich möglich. Wenn die Chinesen nach dem Abmarsch der
Athleten wieder vergnügt um die Wette spucken, können die Bürger Singapurs
(mehrheitlich auch Chinesen) sich unbefristet am Schlangenlederriemen reißen
und verlotterten Langnasen mit polizeilich abgezählten Stockschlägen drohen.
Was aber lernen die Deutschen, da das Rauchverbot in aller Munde ist,
welcher mit immer weniger Tabak in Berührung kommt, und doch hat noch kein
verzweifelter Einraumgastronom sich öffentlich verbrannt? Wir erleben
die Jahrhundertinszenierung eines Lehrstücks vom unblutigen Zwange, welches
nicht nur über Deutschlands Länderbühnen geht, sondern einem europäischen
Spielplan folgt und einer globalen Idee der Weltgesundheitsorganisation, und
allen unkenden Voraussagen zum Trotz fügt sich der nikotinsüchtige Teil der
Bevölkerung in seine neu gezogenen Grenzen oder entsagt dem Gift. Unstreitig
ein Erfolg, und wenn die Anbauflächen weltweit umgewidmet werden, steht für
die Friedenspfeifen in unseren Wildwestspielstätten bald kein Qualitätskraut
mehr zur Verfügung, aber ausrotten wird man weder die Pflanze, noch das
erquickliche Laster. Die Zigarettler werden sich einschränken oder umstellen
müssen, denn Du sollst nicht rauchen steht nicht in der Bibel.
Hingegen sollte in unseren Nahverkehrsmitteln RAUCHEN, PÖBELN UND PRÜGELN
VERBOTEN! stehen, denn daß in deutschen Bahnen & Bussen nicht gequarzt
werden darf, haben ggf. schon die Großväter jener Schläger gelernt, welche
in München der hessischen CDU ihr Wahlkampfthema lieferten und damit eine
Dauerdebatte lostraten: Der heraufdämmernden Volksfront zuliebe werden die
jungen Wölfe sich niemals zu Schafsböcken bekehren. Tatsächlich fehlt den
Verantwortlichen nur der Freigeist, neue Methoden der maßregelnden
Ordnungspropaganda anzuwenden, Wege und Mittel, welche der Omnipräsenz
teurer Sicherheitskräfte und –systeme vorzuziehen wären. Statt peinliche
Köterkotsammelstellen einzurichten, sollten riesige Warntafeln die
Spaziergänger begrüßen: ACHTUNG! DIESE PARKANLAGE WIRD REGELMÄSSIG VON
HUNDEHALTERN BENUTZT!!! oder UNSERE LIEGEWIESEN UND SPIELPLÄTZE WERDEN AUCH
VON HUNDEN UND JUNKIES BESUCHT! Die Macht des Wortes ist gewaltig, seine
Anwendung vielfältig, die Wirkung gesichert, wenn man die richtigen Wörter
zur rechten Zeit an die richtigen Stellen setzt. In der Tat waren und sind
die meisten öffentlich fixierten Verbote aufklärender Bestimmung, z.B.
Hinweise auf Besitzverhältnisse, auf Nutzungszwecke und Eigenschaften der
beschilderten Objekte, und gut zwei Drittel aller Verbotsschilder und
Warntafeln helfen Gesundheit und Leben zu schützen, denn sie binden
Aufmerksamkeit. Die Kleinfamilie am gefrorenen Gewässerrand diskutiert die
Gefahr und wie man ihr begegnet, wie man notfalls andere retten kann, der
Einsteigdieb an der Gartenmauer ahnt, daß die Warnungen vor bissigen Tieren
und Elektrofallen nur Drohgebärden sind, aber wer weiß? Unsere Stadtväter
wären schlecht beraten, an bevorzugten Tatorten auf Türkisch, Kurdisch und
Arabisch um die Unversehrtheit des Personals, der Passanten und Fahrgäste zu
bitten, doch es lohnte, das Innere unserer Stadtbahnen und den öffentlichen
Raum mit passenden Suren oder mit Ermahnungen Atatürks an die Jugend zu
schmücken, geeignet, auch von anderen Lümmeln gelesen und kapiert zu werden.
Was soll uns das Expertengedöns diverser Bedenkenträger, da es doch primär
nicht um die Scherben vor Gericht geht, sondern zuvor um den Schutz des
Zerbrechlichen: Menschenleben, Menschenwürde, Menschenliebe.
Es bessert unsere Lage
kaum, daß gerade die Internationalisten mit bürgerlich-akademischem
Hintergrund oft einer bizarren Feindesliebe anhängen, wie etwa Jutta
Ditfurths Lebens- und Kampfgefährte, der einmal von „südländischen
Halbstarken“ auf einer Frankfurter Bahnstation arztreif geprügelt wurde und
eine Strafverfolgung ausdrücklich ablehnte, oder die vielen alternativen
Sommerhausbesitzer, die „immer bei offenen Fenstern und Türen schlafen, denn
nur wer sich einschließt, weckt Begehrlichkeiten.“ (aus: Die lila Laube,
2001) Daß die Opfer von Gewalttaten, Eigentumsdelikten und Verbalattaken
selber schuld seien, mag psychologisch und kriminologisch gesehen zutreffen,
aber nur bei gröblichster Vernachlässigung der deutschen Sprache, welche
nicht erlaubt, moralisch und juristisch definierte Schuld gleichzusetzen mit
der möglichen Veranlassung von Straftaten durch ein missdeutetes
Naserümpfen, eine halboffene Bluse oder eine dicke Brieftasche. Daß die Alis
& Babas den deutschen Rentner entdeckt haben als idealen Prügelknaben, ist
der betroffenen Altersgruppe nicht neu, wohl aber das öffentlich
eingestandene klammheimliche Verständnis deutscher intellektueller
Meinungsbildner für ausländische Jugendliche, denen man gleichsam ein
verschämtes Dankeschön auf die scharf rasierten Wangen pustet, weil man von
Kindesbeinen an bis zur Glatzenbildung unter erheblich älteren Tadlern und
Schikaneuren gelitten hat, hin und wieder. Ich auch, liebe LeserInnen und
Feuilletonredakteure, doch mittlerweile bin ich ein bedrohter Silberbart und
mitnichten entschlossen, zu verkennen, daß die Auswüchse der
Migrationsproblematik als vorhersehbare Wachstumsfolgen bereits die Nation
spalten recte vierteilen in Patrioten, Europäer, Kanaken und
Multikulturelle, wobei die Letzteren den Zerfallsprozeß nicht wirklich
genießen, sondern verzückt ertragen, hingegeben im Selbsthaß auf das
Deutschland des Herrn von Fallersleben, dem Volk der Schweinefresser,
Biersäufer und devoten Nichtraucher. Die deutschen Quislinge schmauchen
Shisha.
Die dummfreche FDP –
Parole VERBOTE VERBIETEN, eine Art letztes Argument im Hessen-Wahlkampf,
welches vom RASEN BETRETEN bis zur Tolerierung von Killerspielen die große
Freiheit versprach, hat die Koalitionswürdigkeit der Liberalen keineswegs
beschädigt; daß die Niederlage Roland Kochs die Schonzeit für die deutschen
Altersrentner aufhebt, ist nicht anzunehmen, die neuerliche Aufrichtung und
Verstärkung ungesunder Tabus jedoch muss befürchtet werden, in der gesamten
Republik, mit tödlichen Konsequenzen. Längstens war der Orientexpress
ein Luxuszug und nicht allein seine kultivierte Klientel erübrigte es, das
Spucken aus den Zugfenstern explizit zu verbieten (in bis zu sechs
Sprachen), die bewaffnete Notwehr gegen kriminelle Schwarzfahrer und
Eisenbahnpiraten jedoch verstand sich von selbst. Heute transportiert das
gleichnamige Unternehmen nur noch Geschlossene
Gesellschaften…
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