Glanz@Elend |
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Schiffsmeldungen
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Wir Weihnachtsmänner
Ein Statement von Uve Schmidt Man stelle sich vor, Hans Magnus Enzensberger (80) hätte sich eine Woche vor seinem Geburtstag entleibt, weil er die zu erwartenden Elogen recte die Verkennung seiner poetarischen Lebensleistung befürchtete und deshalb in einem blutgezeichneten Appell die deutsche Jugend zum Widerstand gegen unsere verlogene Wachstumsgesellschaft aufgerufen. Wieviele Fackelträger hätten wohl unsere nächtlichen Metropolen und Universitätsstädtchen spontan belebt? Wenn ich (s.o.) die Bestürzung der Deutschen bestritt, weil nur eine Minderheit der Deutschen Enke überhaupt gekannt habe, mag man ermessen, wieviel Prozent von 81 Millionen etwas von Enzensberger je gehört bzw. gelesen haben. Das Ergebnis (das Echo) wäre blamabel ausgefallen, selbst wenn der Vergleich mit Enzensberger ehestens Sepp Maier zustünde und Quitten nicht mit Edelbirnen aufzuwiegen sind; die Tatsache, dass nur wenige Frauen sich wirklich für Fußball interessieren, aber fast alle Frauen lesen, punktet leider nicht. Angenommen, HME (80) hätte seinen Bekanntheitsgrad richtig eingeschätzt, dito seine Beliebtheit, er hätte die Veröffentlichung seines Abschiedsbriefes sichergestellt gehabt und ihm gewogene Medien hätten die Trauer und das Vermächtnis in Aktionen umgesetzt – was hätte das bewirken können, solange nicht Millionen Deutsche nur darauf lauern, unter der Führung eines frisch entseelten Nationalheiligen des Kulturbetriebs ( wozu auch der Sport gezählt wird!) eine missliebige Behörde abzufackeln, ein Getto auszuräuchern oder straßenweise Luxusläden o.ä. zu verwüsten? Dass die stummen Marschierer in Hannover nur Robert Enke im Kopf hatten, ist wahrscheinlicher, als dass sie über die Härtegrade einer depressiven Erkrankung grübelten, über Leistungsdruck bei Arbeitslosigkeit und Antriebsschwäche im Ein - € - Job. Es genügt vollauf, dass die überwiegend jungen und jüngeren Hannoveraner samt Freundinnen (die, weil alle Hochdeutsch sprechen dort, anderswo als altklug gelten) einen Grund hatten, um mehr oder weniger erschüttert ihrem Zusammengehörigkeitsgefühl todernsten Ausdruck zu geben. Was derweil die Sender daraus machten, erfolgte im öffentlich-rechtlichen Auftrag, bewährte sich mit meisterhafter Routine quasi in Lebensgröße des traurigen Toten und erzeugte beim Zuschauer das Gefühl, hinter dieser tragischen Personalie müsse viel mehr stecken als eine betroffene Witwe und ein peinlich berührter Verein, denn für nahe liegende Verdächtigungen und Spekulationen blieb kein Raum, keine Ritze: Alles lag offen bei der Kripo, die keine Sekunde Öffentlichkeitsarbeit vertrödelte. Wir, das Fernsehpublikum, waren tagelang auf dem Laufenden, und erst in der offiziellen Abschiedsstunde erlöste mich beim letzten großen Akt im Stadion die von den telegensten der zahllosen Texttafeln und Spruchbändern verkündete Aschenbahnbrödelbotschaft „Helden sterben nie, Legenden leben ewig!“ oder „Robert lebt in uns!“ Es war halt wieder nichts gewesen und nichts geworden mit dem alkoholfreien Volkshelden, dem Märtyrer des Konkurrenzkampfes, dem Halt – Dein –Tor – Saubermann als künftiger Patron säkularen Nothelfertums. Vom flachen Lande der Spökenkieker und Werwölfe (Lug by Löns!) hätte man das durchaus erwarten können, doch es obsiegte die alldeutsche Haupt- und Mittelschuljugend mit ihren Hindenburglichtern und Plüschherzen, ihrer grottenschlechten Albumlyrik und der Meinungsfreiheit, jeden Scheiß nachzubeten, für den BILD (auf S.1.) mittlerweile beinahe zu intellektuell und/oder fast zu schöngeistig ist, also nimmer alleinverantwortlich für unseren geistigen Niedergang.
Deutschland, einig
Weihnachtsland! Seit der große Strohstern über die Futterkrippe kam und die
morgenländischen Gesandten mit ihren glitzernden Geburtstagsgaben die armen
Eltern (das Vieh gehörte ihnen nicht) eher in Schwulitäten brachten, als
ihnen zu Wohlstand verhalfen, hat sich mit Christi Ankunft nicht nur die
sogenannte Frohe Botschaft ausgebreitet, sondern ein globaler Markt für
religiöse Fälschungen aufgetan, beginnend mit der alttestamentarischen
Vorgeschichte, erweitert und modernisiert durch die Herkunfts- und
Wirkungsgeschichte des Jesus of Nazareth, gipfelnd in der Errichtung einer
mit Reliquien und Legenden hökernden Stellvertreterkirche in Rom, sich
fortsetzend mit der Massenproduktion orientalischen Firlefanzes als
Christbaumschmuck- und Weihnachtsgeschenkartikelkultur sowie der Etablierung
heidnischer Fress- und Saufsitten als Weihnachtsfestbräuche. Ich bin sicher,
dass Robert der Schmerzensmann alle Voraussetzungen erfüllt als
erste erfolgreiche Ikone der neuen deutschen Antiheldenverehrung. Das
Letzteres - die Anhimmelung eines Gescheiterten- den Mangel an echten Helden
voraussetzt, versteht sich leider nicht von selbst. Frohe Festtage und
Prosit Neujahr… |
Abendlanddämmerung |
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