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Ines Birkhan: abspenstig

Leseprobe:

Ekaterina sitzt außerhalb des Wassers. Der Raum, in dem sie sich befindet, ist oval und besteht aus hohen Felswänden und einer domartigen Kuppel. Durch schmale in den Stein gehauene Öffnungen dringen harte Lichtstrahlen. Hunderte Zweibeiner in langen Stuhlreihen, die irgendwelche Texte rezitieren – und sie mittendrin. Kats Augen brennen. Die Formen und Farben der Umgebung fallen in ihr Inneres, alles erscheint ihr so kantig.
Mit aufgerichteter Wirbelsäule gegen die Schwerkraft anzukämpfen, ist anstrengend! Kat will sich auf den Boden sinken lassen, das wird sie von einer Hand in Richtung Stuhllehne bewegt. Als sie schräg hochblickt, erkennt Kat das Gesicht des Meisters. An Land ist er ein dunkelhäutiger Mann mit rotem Hut und einem Anzug aus einem edlen beigen Stoff mit roten Punkten. Das Muster entspricht dem des Skorpionpanzers.
Kat versteht nicht, ob sie Teil eines Theaterpublikums ist oder etwa an einem Gottesdienst teilnimmt, doch es gibt keine Bühne, keinen Altarraum. Cladoselache thront schwarzhaarig, etwas plump, aber schnittig gekleidet, links neben ihr. Als sie sich Kat zuwendet, öffnet sich Cladoselaches Kiefer und eine Zunge rollt heraus.
Kat reißt den Kopf herum. Alle Schädel der vielen Menschen verwandeln sich in Holz! Wie damals im Ausseer Solebad. Waren die Leute im Außenbecken dort Abgesandte der Versammlung hier?
Meister! Heißt er noch so? Auch er inzwischen ein Marionettenkopf! Kat streicht über ihre eigenen Wangen – hölzern! – und fühlt, wie ihr Kiefer zu klappern beginnt, dazwischen entweichen Töne, von einer Verhexzunge in die Welt gesetzt. Der Sinn der Wörter ringsum sickert nur punktuell in ihren Schädel ein. Verstehen die anderen Marionetten, was gesprochen wird?

Chor: Wir glauben nicht, dass es war. Es ist nicht und war nicht. Wahr ist es nicht. Wahr wird es nimmer. Wir wissen, was wahr ist und nicht war, das ist wahr, und es war nicht, weil nicht gewesen sein kann, was wir nicht glauben.

Abscheu vor den Menschenmarionetten packt Kat. Besteht die Möglichkeit, dieses Sprachgeklapper abzustellen? die Stimmen, die aus den steifen Mäulern treten, sind hässlich, brüchig, abwechselnd zerdehnt und gerafft. Die Phrasen wirken wie von einer Drehorgel abgespielt. Wer oder was steuert die Kiefer- und Zungenbewegungen?

(S. 72–73)

© 2022 TEXT/RAHMEN, Wien

 

 

 

 

 

 

 

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