logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   
Facebook Literaturhaus Wien Instagram Literaturhaus Wien

FÖRDERGEBER

Bundeskanzleramt

Wien Kultur

PARTNER/INNEN

Netzwerk Literaturhaeuser

mitSprache

arte Kulturpartner

traduki

Incentives

Bindewerk

kopfgrafik mitte

Leseprobe: Christian Klinger - "Tote Augen lügen nicht."

"Hab i di, du bleder Taliban!"
Seidenbasts rettender Engel trug orangefarbene Dienstkleidung. Es handelte sich um den Straßenkehrer, dem er am Vortag den Bären mit dem Antiterroreinsatz aufgebunden hatte. Jetzt war er ihm unendlich dankbar. Denn in dem Augenblick, in dem er das Blitzen in Kecks Augen gesehen hatte, war ihm klar geworden, dass er sich niemals in die Obhut der Polizei begeben konnte. Es war ein Irrtum gewesen, zu glauben, dass er sich je von seiner Schuld reinwaschen konnte, und wenn, dann nicht mit Hilfe des österreichischen Strafvollzugs. Wollte er wirklich frei sein, musste er abermals die Flucht antreten. Er nahm den Geldkoffer an sich. Behalten wollte er ihn aber nicht. Wegen des Geldes hatte er die Aktion nicht durchgezogen. Außerdem gab es einen unfreiwilligen Helfer, dem er diese kurze Verschnaufpause, vielleicht sogar die Rettung aus diesem Abenteuer, zu verdanken hatte. Das war ihm allemal zweihunderttausend Euro wert. Er trat an den Müllmann heran und warf den Geldkoffer in dessen Karren.
"Das ist eine kleine Wahlspende. Viel Glück damit. Und sehen Sie, dass Sie schnell wegkommen. Der Typ hat sicher Komplizen."
Der Straßenkehrer nahm den Griff seines Karrens und suchte, so schnell er konnte, das Weite. (S. 238)
(...)
Eine Redensart besagt: Das Glück is a Vogerl. Ein schönes Bild dafür, dass man das Glück allzu leicht verscheuchen kann. Das liegt auch daran, dass es selten im schönsten Gewand daherkommt, sondern meistens in irgendwelchen abgetragenen Lumpen, und sich daher demjenigen, der nicht ein offenes Herz hat, zumeist verschließt. Den Straßenkehrer hatte nach seinem Reißaus bald die Neugierde gepackt, was in dem schwarzen Koffer drinnen sein mochte. Er stoppte seine Schritte und lugte über den Rand des Karren, in den Seidenbast zuvor den Koffer hatte hineinfallen lassen. Er nahm ihn an sich, schüttelte ihn und legte schließlich ein Ohr an eine Seite. Er vermeinte ein Ticken zu hören. Woraufhin er nicht lange überlegte und den Koffer in weitem Bogen in den Donaukanal warf. Eine terroristische Teufelsmaschine, so viel schien ihm klar. Ein geplanter Anschlag der Al-Qaida auf die goldene Wienerstadt, der gerade noch hatte verhindert werden können. Er suchte abermals das Weite, bevor der Sprengsatz im Wasser detonieren würde. Als er in sicherer Entfernung keine Explosion hörte, erklärte er sich das damit, dass wohl der Sprengstoff in der Nässe nicht hatte reagieren können. Zufrieden wandte er sich wieder seinem Tagwerk zu. Ein glücklicher Mensch, der den liebevoll gehauchten Kuss des Schicksals nicht gespürt hatte. (S. 242)

© 2008 echomedia Verlag, Wien.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
edition exil entdeckt – Zarah Weiss blasse tage (edition exil, 2022) Ganna Gnedkova & Ana Drezga

Fr, 04.11.2022, 19.00 Uhr Neuerscheinungen Herbst 2022 mit Buchpremiere | unveröffentlichte Texte...

"Im Westen viel Neues" mit Kadisha Belfiore | Nadine Kegele | Tobias March | Amos Postner | Maya Rinderer

Mo, 07.11.2022, 19.00 Uhr Lesungen, Film & Musik Die Reihe "Im Westen viel Neues" stellt...

Ausstellung
"Ah! THOMAS BERNHARD. Den kenn ich. – Schreibt der jetzt für Sie?"
Nicolas Mahler zeichnet Artmann, Bernhard, Jelinek, Musil & Joyce

17.09. bis 14.12.2022 Er ist der erste, der im renommierten deutschen Literaturverlag Suhrkamp...

Tipp
OUT NOW : flugschrift Nr. 40 - Valerie Fritsch

gebt mir ein meer ohne ufer Nr. 40 der Reihe flugschrift - Literatur als Kunstform und Theorie...

INCENTIVES - AUSTRIAN LITERATURE IN TRANSLATION

Buchtipps zu Kaska Bryla, Doron Rabinovici und Sabine Scholl auf Deutsch, Englisch, Französisch,...