Leseprobe:
Die Rikola-Redoute rückte mit großen Schritten näher und die Vorbereitungen waren im vollem Gange. Die Zeitungen Wiens – insbesondere natürlich jene Blätter, die unter Kolas Kontrolle standen – schrieben von nichts anderem. Das war das Ereignis, dem man entweder mit leicht erregtem Schauder oder mit distinguiertem Ekel entgegensah.
Fast die gesamte Wiener Buchhandelsszene hatte bereits vor Wochen klargemacht, dass sie nicht im Traum daran denke, sich bei diesem Zirkus, den dieser neureiche Richard Kola mit seinem Verlag da veranstalten wollte, blicken zu lassen. Vor den Karren lassen wir uns sicher nicht spannen, hatte der Vorsteher des Verbands der Buchhändler hinter vorgehaltener Hand gepoltert; Kola gegenüber war er natürlich korrekt und höflich. Auch die Literaten der Stadt machten gegen den offensichtlichen Kommerz der Redoute Stimmung. Egon Friedell und Alfred Polgar wetterten bei jeder Gelegenheit gegen Rikola und seine Art, Bücher zu verkaufen. Der Millionenaufwand, den Kola für seine Redoute betrieb, ließ den Literaturbetrieb etwas ratlos zurück. Was, wenn dieser betriebsfremde Bankier, dieser Möchtegern-Schöngeist – der nach seiner Gusti eigentlich schon die Feder an den Nagel hängen hätte sollen und trotzdem kürzlich mit seinem Geschichtenband Puppentragödie erneut literarisch tätig wurde -, mit seinem Verlag auch noch Erfolg hatte, was dann? Das wäre das Ende jeder schönen Literatur, jedes ernsthaften Verlegertums, so der pessimistische Tenor unter Autoren, Lektoren und sonstigen Trabanten dieses eigenartigen Betriebs, den der profane Leser als den Literaturbetrieb kennt. Blass vor Scham und zitternd vor Zorn, in dem immer ein wenig Neid mitspielte, flüsterte man sich in den vergangenen Wochen die bislang letzte Frechheit Kolas von Mund zu Ohr, seine Kinowerbung für den Frauenzimmeralmanach.
Da sah man eine kurzberockte Dame auf der Leinwand vorüberflimmern, die in einem Fauteuil sitzend die Worte hauchte: Jeder Kavalier schenkt seiner Dame den Frauenzimmeralmanach des Rikola-Verlages. Und jeder Mensch von Verstand besucht die Rikola-Redoute, wollte man hinzufügen; wenn schon nicht aus Interesse oder Neigung, dann aus Sensationslust, vielleicht auch in der insgeheimen Hoffnung auf ein Scheitern dieses großen Unternehmens, denn wer wollte nicht große Männer fallen sehen und es am Ende besser wissen.
Aber Wien war nicht Berlin, und von der ehemaligen Habsburgerresidenz etwa so weit entfernt wie das Glas des Astronomen vom Mond. Wien war nicht schick. Da spielte es keine Rolle, wenn Unsummen dafür ausgegeben wurden, um das Gegenteil zu beweisen. In der Wage immerhin erschienen ein paar weniger schmeichelhafte Artikel über Rikola, welche die Stimmung ganz gut wiedergaben.
(S. 118-120)
© 2019 Braumüller Verlag, Wien