Leseprobe:
Du sitzt im Polstersessel eurer kleinen Suite auf dem Las Vegas Boulevard, die Augenlider schwer, schummriges Licht, es riecht nach Wein und und kaltem Rauch, du ziehst die Knie hoch, ziehst die Beine eng an den Körper, blickst auf deine Plüschsocken, pink mit Katzenköpfen darauf, sie miauen, Miau Miau, Miau, du weißt, dass sie nur in deinem Kopf miauen, schreist sie trotzdem an, lautlos schreist du sie an, STILL, SEID ENDLICH, JEMAND MUSS DIR WAS IN DEINEN DRINK, denkst du, du schaust dich um, deine Kleidung auf dem Teppichboden verstreut, Strümpfe, Sneaker, roter Minirock, auf dem Couchtich vor dir leere Bierflaschen, eine halbvolle Weinflasche, zwei Plastikbecher, auf einem Lippenstift, daneben deine Kamera, starrt dich an, du nimmst sie in die Hand, die Speicherkarte voll, gehst an den Anfang, drückst auf PLAY, auf STOP, wieder auf PLAY, immer wieder kurz auf PLAY.
Willkommen bei unserer Sightseeing-Tour durch Las Vegas, mein Name ist Kimberly, ich wurde hier geboren und jetzt bin ich noch immer hier, ich weiß, das ist traurig, das ist sehr. Ich will hier wieder weg, Tom! Lust auf ein ein Spiel, Lisa? You always gamble, kommt die Flut oder kommt die Flut nicht? Sagen Sie nicht GAMBLING, sagen Sie GAMING. Zoltar speaks: Your lucky numbers are 7, 17, 24. Warum wir in Las Vegas leben? Weil man hier die ganze Nacht lang Titten sehen kann, wenn man Titten sehen will, wegen der Titten leben wir hier, und wegen des Wetters. You know some people get crazy in this town, some people. Und woher kommen Sie? Ah, Land der Glock, gute Waffe, gutes Land. Ein Weihnachtsmann hält ein Schild vor deine Kamera: FUCK YOU.
Du drückst auf STOP, hörst die grellen Stimmen der Stadt auch im Standbymodus, Satzfetzen, Schnappschüsse, Rauschbilder, ständiges Vor- und Zurückspulen im Kopf, surrende Spulgeräusche, draußen heulen Polizeisirenen, heulen Tag und Nacht.
(S. 12-13)
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