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Wiesenmarktsamstag
Am Samstag ist das Feuerwerk. Alle stehen dicht gedrängt in der Allee, dem Grenzstreifen zwischen Städtchen und Wiesenstadt. Er ist allein hingegangen; sein bester Freund hat seit Kurzem eine Freundin. Wie die erste Rakete am Himmel explodiert, lehnt das Mädchen vor ihm den Kopf an seine Brust. Stets von Neuem schießen Granaten in die Höhe, zerplatzen in der Luft mit scharfem Knallen und schweben als Allfarbenfall hernieder. Sie senkt ihren Hinterkopf auf seine Brust, schaut in das bunte Schwirren über ihr und hebt ihn wieder, sobald die Erleuchtung vorbei ist. Auch er lehnt sich an jemanden hinter ihm, ganz leicht nur, er spürt den männlichen Körper deutlich undeutlich, er wittert den Geruch. Während ein Blindgänger kläglich im Nachthimmel verzischt, kriegt er einen Schlag von hinten gegen die Kniekehle und knickt fast ein. Neben ihm steht der Albinobub. Schon pfeifen neue Raketen in die Höhe und zersprengen sich elegant und rottönend. Die Haare des Mädchens entflammen, sie lehnt sich zurück, er beugt sich über ihr gerötetes Gesicht, der schiefe Schneidezahn, die tiefen Augen, sie! Sie schauen einander an, einen Augenblick nur, er spürt ein hauchfeines Luftwirbelchen zwischen ihrem und seinem Gesicht, eine Atemberührung, die Echse streckt sich, er sieht ein Rot, in das er sinken möchte, und schon verblassen die fallenden Farben über der Wiese, ihr Gesicht verlöscht, der Kopf hebt sich wieder weg und nur der fremdvertraute Geruch von hinten bleibt in der Lichtlosigkeit übrig. Und wie die ganze Batterie von Schlussraketen knatternd in die Luft gejagt wird, legt sie ihren Kopf an seine Brust und lässt ihn dort ruhen, bis der Farbenhagel vorbei ist. Sie schaut in den Himmel und er in ihr Gesicht. Wieder spürt er das Luftzittern von Mund zu Mund. Nachdem der letzte Lichttropfen verglüht ist, kippt der Grenzberg in die Dunkelheit zurück, und es wird für einen Augenblick totenstill und stockfinster in der Doppelstadt. Sein Herz pocht gegen ihr Haar und sein Kopf senkt sich wie von selber. Er ahnt ihren Atem, riecht ihr Haar. Er wird nach vorne gedrückt. Das Kellertier so nah bei ihr. Der Geruch von hinten. Die Wangen siedend heiß. Näher. Weg. Nein. Ja. Sie. Die Echse. Ja. Nein. Ja. Nicht rühren.
© 2013 Wieser Verlag, Klagenfurt.
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