(S. 60f)
Am Nordrand des Erdi Ma ziehen wir in ein langes Tal hinunter, dessen Sohle voll weichem Sand ist, der nicht trägt. Der Filmerei wegen sucht sich Stefan jedoch ausgerechnet dort den Lagerplatz aus und bleibt auf dem Weg dahin ein halbes Dutzend Mal stecken; statt wieder umzukehren, wartet er aber bis auch wir unsere vier Wagen hin zu ihm geschaufelt haben, um am Ende ebenfalls bis zu den Achsen einzusinken. Gott weiß, was er sich dabei denkt, jedenfalls ärgert es mich genug, daß ich in der kurzen Dämmerung einen weiten Bogen weg vom Lager schlage.
In wenigen Spalten halten sich noch wilde Kapernbäume; ringsum sind die Spuren einer Schlange, die sich - nicht größer als eine Äskulapnatter - um einen Ast geschlungen hat; eine Fliege surrt um mein Handgelenk: das letzte Leben, das sich noch halten kann. Das Grau und Schwarz der Ebene wandelt sich hinter mir im Abendlicht zu braunem Ocker und Siena, aber ich gehe in die dunkelnde Leere, weiter. Niemand ist vor mir hier je gegangen, denke ich. Dieses solitäre Gefühl stellt sich jedoch schon kurze Zeit später als illusorisch heraus: der Zeugenberg, auf den ich unwillkürlich zugehalten habe, ist voll menschlicher Spuren. Im Zwielicht sieht er sogar aus wie eins der Lager am Abu Ballas Trail, wie sie Kuper in der ägyptischen Wüste erforscht hat: da sind Feuerplätze und Steinsetzungen, Speicher und Tränken, vor allem aber die für Eselskarawanen typischen Spuren, die sich mancherorts selbst noch nach Jahrhunderten im Sand bewahren. Oben auf dem schmalen Tafelberg selbst, von dem sich der Blick weit auftut, sind Steinkreise und ein Windschutz, so als hätte es hier einen Ausguck gegeben.
© 2007 Haymon Verlag, Innsbruck-Wien.