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Der Krieg ist wie Giftmüll im Fluss – Stimmen zur Ukraine

Office Ukraine – Shelter for Ukrainian Artists
Seit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine sind Millionen von Menschen auf der Flucht. Zahlreiche österreichische Künstler/innen und Kulturinstitutionen zeigen sich in diesem Krieg solidarisch mit der Ukraine. Das österreichische Kulturministerium stellt Sonderfördermittel in Höhe von 300.000 Euro für Arbeitsstipendien und Projektförderungen ukrainischer Künstlerinnen und Künstler zur Verfügung. Ein Koordinationsbüro im Wiener Museumsquartier dient als Verbindungsstelle zwischen den Institutionen in Österreich und Kulturschaffenden aus der Ukraine.
Kontakt: Office Ukraine – Shelter for Ukrainian Artists

 

Hauke Huckstädt leitet das Literaturhaus Frankfurt und ist Vorsitzender des Netzwerks der Literaturhäuser. © Sebastian Schramm / Literaturhaus Frankfurt
Sasha Marianna Salzmann © Heike Steinweg

#StandwithUkraine
Den Krieg stoppen können wir nicht, was wir als Kulturveranstalter tun können, ist zu informieren, einzuordnen und Stimmen hörbar zu machen, so definiert das Netzwerk der deutschsprachigen Literaturhäuser seine Rolle und organisiert unter dem Motto #StandwithUkraine eine ganze Reihe von Solidaritätsveranstaltungen. Am 14.03 kommen etwa die belarussischen Autoren Sasha Filipenko und Viktor Martinowitsch mit der Kiewer Autorin und Verlegerin Kateryna Mishchenko und der ukrainischen Schriftstellerin Tanja Maljartschuk sowie dem Historiker Karl Schlögel im Literaturhaus Stuttgart zusammen: Ukraine im Krieg ist der Titel der Veranstaltung, die auch im Livestream übertragen wird.
Wir brauchen jetzt Brücken zueinander, keine Gräben, erklärt Hauke Hückstädt, der Vorsitzende des Netzwerks der Literaturhäuser, im Fachmagazin Börsenblatt. Dem von ukrainischen Institutionen geforderten Boykott russischer Bücher, Verlage und Autoren könne man nur schwer nachkommen und gleichzeitig nicht widersprechen. Literaturhäuser sind Arenen für Austausch, keine Regale. Tolstoi, Puschkin, Pasternak und Dostojewski, Mandelstam und Zwetajewa lassen sich nicht räumen.
Ebenso wenig die aktuelle Trägerin des Preises der Literaturhäuser, die deutsche, in Wolgograd geborene Autorin Sasha Marianna Salzmann, die russisch-ukrainische Wurzeln hat. 1985 in Wolgograd geboren, emigrierte sie* 1995 mit ihrer Familie als jüdischer Kontingentflüchtling nach Deutschland und wurde später als Hausautor*in des Berliner Maxim-Gorki-Theaters bekannt. In ihrem Roman Im Menschen muss alles herrlich sein (Suhrkamp 2021) erzählt Salzmann von Umbruchzeiten und spannt einen Bogen von der Perestroika bis ins Deutschland der Gegenwart. Was sehen sie, wenn sie mit ihren Sowjetaugen durch die Gardinen in den Hof einer ostdeutschen Stadt schauen?, fragt sich Salzmanns Protagonistin Nina, wenn sie an ihre Mutter Tatjana und deren Freundin Lena denkt, die Mitte der neunziger Jahre die Ukraine verließen, in Jena strandeten und dort noch einmal von vorne begannen. Am 28.06. ist Sasha Marianna Salzmann im Rahmen ihrer Lesereise im Literaturhaus Wien zu Gast.

 

Sasha Filipenko, Foto Lukas Lienhard © Diogenes

So denkt das moderne, junge Russland
Wenn Sie wissen wollen, was das moderne, junge Russland denkt, lesen Sie Sasha Filipenko. Diese Empfehlung stammt von keiner geringeren als der russischen Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch. 
Mit Sasha Filipenko ist bei den bevorstehenden Erich Fried Tagen am 01.04.22 ein Autor im Literaturhaus Wien zu Gast, der Unterdrückung und Verfolgung am eigenen Leib erfahren hat. Er sah sich gezwungen, seine Heimat zu verlassen, nachdem der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko persönlich Anstoß an seiner Kritik an den – im Debütroman Der ehemalige Sohn (2014) so treffend beschriebenen – Zuständen in Belarus genommen hatte. In einem Interview mit dem Magazin News spricht Filipenko über die Drohungen, denen er als Journalist in Russland ausgesetzt war, und über sein freiwilliges Exil im Westen.

 

Tanja Maljartschuk, Foto: Heribert Corn, falter.at

Es ist ein Krieg zwischen Vergangenheit und Zukunft, sagte die ukrainische Schriftstellerin Tanja Maljartschuk in einem Interview mit der Wiener Stadtzeitung FALTER (paywall) über die russische Invasion in ihrer Heimat. Maljartschuk, die seit 2011 in Wien lebt und 2018 den Klagenfurter Bachmannwettbewerb gewann, war zuvor Fernseh-Journalistin in Kiew. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine gibt sie zahlreiche Interviews und schreibt Essays für deutschsprachige Zeitungen, um die Verhältnisse in ihrem Heimatland zu erklären. Tanja Maljartschuks Bücher sind u. a. im Residenz Verlag und bei Kiepenheuer & Witsch erschienen, zuletzt ihr Roman Blauwal der Erinnerung (2019), in dem sie den ukrainischen Volkshelden Wjatscheslaw Lypynskyj, der in den 1920er Jahren ebenso in Wien in der Emigration gelandet war, porträtiert.
Kirstin Breitenfellner hat Blauwal der Erinnerung im Literaturhaus-Buchmagazin besprochen.

 

Vladimir Vertlib © Aleksandra Pawloff

Sie waren doch wie Brüder
So lautet der Titel eines Podcasts der Tageszeitung Die Presse, in dem der russisch-österreichische Autor Vladimir Vertlib den Gemeinsamkeiten zwischen Russen und Ukrainern nachgeht. Vertlib hat Wurzeln in Russland, Belarus und der Ukraine, er ist in Leningrad geboren, von dort emigrierte seine Familie nach Israel, dann nach Italien, Holland und in die USA, bevor sie sich 1981 in Österreich niederließ. Er studierte Volkswirtschaftslehre und lebt als Schriftsteller und Übersetzer in Wien und Salzburg. In seinem neuen Roman Zebra im Krieg (Residenz Verlag 2022) erzählt er von einer ukrainischen Stadt am Meer und vom Kampf eines tragischen Helden um seine Würde, seine Familie, sein Leben.
Unser Rezensent Helmut Sturm schreibt im Literaturhaus-Buchmagazin :
Spätestens seit den Kulturbildern Karl Emil Franzos' aus "Halb-Asien" ist das Gebiet der heutigen Ukraine Schauplatz in der deutschsprachigen Literatur. Cordula Simon und besonders Sasha Marianna Salzmann machen uns mit den Lebensumständen in einer Welt bekannt, der wir zwar unentwegt in den Medien begegnen, die uns aber trotzdem weitgehend fremd bleibt. Literatur kann in dieser Hinsicht viel mehr. Das gilt uneingeschränkt auch für Vladimir Vertlibs Zebra im Krieg, das durch ein vom Krieg geplagtes Odessa oder Mariupol geistert. (…) Die Frage, die auch Joseph Roths Hiob, der aus dem westukrainischen Galizien stammt, umtreibt, wie ein gerechter Gott denn so viel Ungerechtigkeit und Grausamkeit zulassen kann, ist latent eines der Hauptthemen des Romans.

 

Cordula Simon, © Wolfgang Schnuderl

Verstrahltes Ödland als letzter Hort der Freiheit
Auch die Grazer Autorin Cordula Simon, die in Odessa studierte und von 2011 bis 2015 dort lebte, bietet mit ihrem druckfrischen Roman Die Wölfe von Pripyat (ebenfalls Residenz Verlag 2022) Stoff für die aktuelle politische Diskussion. Sie erzählt darin von einer nicht allzu fernen Zukunft, in der Menschen über implantierte Systeme gesteuert werden.
Nichts konnte besser sein als ein Ort, in den niemand eindringen würde, war er doch schon zerstört und zerschlagen, verseucht, verstrahlt und vor allem: frei. – So beschreibt Cordula Simon im Roman den ukrainischen Ort Pripyat, der durch das Reaktorunglück in Tschernobyl zur Geisterstadt wurde. Es ist die zentrale Ironie ihres Romans, dass just dieser Ort, der auf Jahrtausende verstrahlt ist, zum Zufluchtsort einer Gruppe an Menschen wird, die dem Überwachungsstaat, in dem sie leben, entkommen wollen. Diese Ironie wurde nun von der Realität überholt. Das Kraftwerk in Tschernobyl war eines der ersten Ziele der russischen Truppen beim Einmarsch in der Ukraine, erklärt die Autorin in einem Interview mit der Kronen Zeitung.

Eine ausgeklügelte Science-Fiction mit genügend Realitätsbezug, um sie als Interpretation bzw. Extrapolation der Gegenwart und ihrer Debatten zu lesen, als deren aufmerksame, hellwache Beobachterin sich Cordula Simon damit von neuem erweist, schreibt unsere Rezensentin Kirstin Breitenfellner über Die Wöfle von Pripyat. Ihr ganzer Beitrag ist im Literaturhaus-Buchmagazin nachzulesen.

Auf ihrer Webseite stellt Cordula Simon ihre Freundinnen und Freunde in Odessa und deren Hilfsprojekte im Krieg vor. Spenden sind ausdrücklich erwünscht!

 

Alexander Nitzberg, Foto: Susanne Schleyer

Deeskalation?
Einen Shitstorm in den sozialen Medien und weit über tausend Kommentare im Standard-Forum erntete der russische Autor und Bulgakow-Übersetzer Alexander Nitzberg, der seit 2010 in Wien lebt, für sein Standard-Interview zum Ukraine Krieg mit Ronald Pohl. Unter dem Titel Es wird vielfach hysterisch reagiert rät er zur strikten Deeskalation. Literaten und Übersetzer gerade in Österreich und Deutschland rühren in seinen Augen die Kriegstrommel.
Tatsache ist: Die Frankfurter Buchmesse hat Russland ausgeladen und der ukrainische PEN-Club fordert die Weltbevölkerung auf, die gesamte russische Literatur zu boykottieren.
Trotzdem: Wem etwas an Menschlichkeit und Deeskalation liegt, der sollte einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auch als solchen bezeichnen und verurteilen, so einer der ausgewählten Kommentare im Standard-Forum. Oder: Wer keine klare Position gegen den Krieg einnimmt, macht sich zum Handlanger der Kriegstreiber.
Lauter Widerspruch gegen die Position Nitzbergs folgte in Gastkommentaren der Historiker Christoph Augustynowicz und Wolfgang Müller sowie des Übersetzers Werner Richter.
Dieser formuliert: Das gesamte Interview trieft von einer behaupteten Ambivalenz. Daher ganz klar: Nein, niemand will russische Literatur verbrennen, aber wenn wir in dem Hochhaus sitzen würden, bestünde heute wohl keine Frage, woher die Granate kommt. Natürlich darf Nitzberg (in diesem Land!) seine Abwiegelei verbreiten, wo er ein Forum dafür findet, aber ausgerechnet die Literaturübersetzer:innen als Beleg für sein Putin-Verständnis an den Haaren herbeizuziehen ist eine Frechheit, Herr Kollege!
Werner Richter ist Vorsitzender der IG Übersetzerinnen Übersetzer.

 

Gerhard Ruiss, Foto: Dieter Scherr

Stimmen gegen den Krieg
sammelt die IG Autorinnen Autoren im Literaturhaus Wien. Ihr Aufruf zu einer Textsammlung soll möglichst vielen Autorinnen und Autoren, aber auch Repräsentant/inn/en des öffentlichen Lebens die Möglichkeit zur Positionierung geben. Ein Anti-Kriegsmanifest, ein bleibender Appell für den Frieden soll die Sammlung werden. Zahlreiche Texte sind bereits bei Gerhard Ruiss eingetroffen, vertreten sind etwa Marlene Streeruwitz (ein schrei), Gerhard Zeillinger (Aufruf zum Bellen), Martin Pollack (Ein Angriff auf Europa), Barbara Frischmuth (Krieg) oder Milena M. Flašar (Ferngespräch). Die Beiträge sind aktuell auf der Webseite der IG Autorinnen Autoren abrufbar.

 

Neun Bücher, um den ukrainischen Kampf zu verstehen
präsentiert Anne-Catherine Simon am 09.03. im Literaturteil der Tageszeitung Die Presse (paywall).
Serhij Zhadans Internat (Suhrkamp) und Andrej Kurkows Graue Bienen (Diogenes) sind für die Autorin die Romane der Stunde, will man sich mittels übersetzter Literatur in den gegenwärtigen Kampf und das Leiden der Ukrainer einfühlen.
Sie schreibt: Zhadan versetzt uns mit einer harten 'Poesie des Krieges' in die Lage eines jungen Zivilisten in Donezk. Kurkow macht uns mit der stillen Fassungslosigkeit eines in Frührente befindlichen Bienenzüchters bekannt, der in einem durch den Krieg verwaisten ostukrainischen Dorf nur noch eine menschliche Beziehung hat: die zu seinem proseparatistischen Nachbarn.

 

Der Krieg ist wie Giftmüll im Fluss
Unter diesem Titel lud der Schriftsteller Martin Pollak gemeinsam mit Katja Gasser (Kuratorin Gastland Österreich Leipzig 23) und dem IWF (Institut für die Wissenschaften vom Menschen) zahlreiche österreichische Autorinnen und Autoren zu einer Benefizlesung ins Wiener Volkstheater. Raphaela Edelbauer, Milena Michiko Flašar, Karl-Markus Gauß, Sabine Gruber, Maja Haderlap, Lydia Haider, Tanja Maljartschuk, Barbi Markovic, Doron Rabinovici, Christoph Ransmayr, Ferdinand Schmalz, Robert Schindel, Franz Schuh u. a. lasen Texte aus der Ukraine, aber auch aus Russland und Belarus. Ein Gastbeitrag von Elfriede Jelinek wurde vom Ensemblemitglied Anna Rieser gelesen. Die gesammelten Spenden gehen an die Volkshilfe Wien, die Notfallpakete in der Ukraine verteilt sowie soziale Unterstützung und Notunterkünfte für geflüchtete Menschen anbietet.

Der Mensch ist größer als der Krieg
propagierte zeitgleich das Wiener Burgtheater, das mit einem musikalischen Programm und Lesungen von prominenten Esemblemitgliedern ebenfalls zu einer Benefizveranstaltung für die Menschen in der Ukraine einlud. Auch der Erlös dieser Veranstaltung geht an die Volkshilfe Wien.

 

Ein Überblick von: Sabine Schuster, 14. 03. 2022

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