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Christoph Linher: Farn. Eine Erzählung aus dem Off.

Salzburg: Müry Salzmann, 2016.
112 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Euro 19,-.
ISBN 978-3-99014-130-4.

Autor

Leseprobe

„Farn“, das erzählerische Debüt von Christoph Linher, gehört zu einer heutzutage scheinbar selten gewordenen Art von Texten – zu jenen nämlich, die nicht mit der Tür ins Haus fallen, die sich nur langsam erschließen, erst nach und nach, Stück für Stück ihre Geheimnisse offenbaren. Vieles wird nur angedeutet, umschrieben oder scheinbar beiläufig erwähnt, doch irgendwann, ganz allmählich, ergeben die Bruchstücke, die einzelnen Gedächtnispartikel, wie es an einer Stelle in der Erzählung heißt, ein größeres Ganzes und es ergeben sich für den Leser Möglichkeiten, die erzählte Geschichte zusammenzusetzen. Doch beginnen wir von vorne.

Der Ich-Erzähler und Protagonist von „Farn“ bewohnt offensichtlich alleine ein baufällig gewordenes Haus samt einem von diversen Pflanzen überwucherten Garten und hat sich zum Ziel gesetzt, dieses zu renovieren. Schon bald zweifelt er allerdings nicht nur an seiner Entscheidung – er fragt sich, ob es nicht besser gewesen wäre, einfach alles niederzureißen –, sondern in gewisser Weise auch an sich selbst, denn „eine Sanierung in Eigenregie muss ja zwangsläufig Stückwerk bleiben, muss einen ja unweigerlich und ständig an die eigene Unzulänglichkeit erinnern.“ (S. 10) Zwischen den wenig fruchtbaren und eher halbherzigen Versuchen, dem Verfall des Hauses und insbesondere dem Wuchern des Gartens entgegenzuwirken, empfängt der Protagonist des Öfteren einen Mann namens Höller, doch akzeptiert er diese Besuche nur widerwillig und sehnt jedes Mal ihr Ende herbei. Später wird klar, dass Höller der Bewährungshelfer des Protagonisten ist und dieser lange Zeit unter Arrest stand, eine Fußfessel tragen musste.

Über den genauen Verlauf jenes Ereignisses, das den Protagonisten in diese Lage brachte, erfährt man nur wenig, diesbezügliche Details spielen für die Geschichte aber eigentlich eine höchstens untergeordnete Rolle. Es scheint jedenfalls mehr Unfall als vorsätzliche Tat gewesen zu sein, zumindest in den Augen des Ich-Erzählers, der den Folgen seiner gerichtlichen Verurteilung dennoch durchaus auch positive Seiten abgewinnen kann: „So ein Arrest ist ein Glücksfall. Man kann weder tun, was man will, noch wollen, was man will. Da lebt es sich wesentlich widerspruchsfreier. So gesehen ist die Unterwerfung, das Ausgesetztsein, der natürlichste Zustand. Wie ein Tier dem Instinkt folgt, fügt man sich dem Diktat.“ (S. 52) Insofern wundert es vielleicht doch weniger, als es eigentlich sollte, dass der Protagonist auch nach der Abnahme seiner Fußfessel diesen Zustand, aus nunmehr freier Entscheidung, weiter aufrechterhält, weiterhin zurückgezogen in der Werkstatt seines Hauses, dem einzigen noch halbwegs bewohnbaren Raum, vor sich hin vegetiert wie der nicht in den Griff zu bekommende Garten und keinen Kontakt zur Welt jenseits desselben pflegt – es ist eine selbstgewählte Einsamkeit, die ihm nicht oft, aber doch hie und da zu schaffen macht: „Ich war zu klein für die große Einsamkeit, mein Herz nicht mehr als ein trauriger Muskel. (S. 66)

Dabei war der Protagonist nicht immer allein: Früher lebten neben ihm noch seine Frau und ihr gemeinsamer Sohn in dem von seinen Großeltern geerbten Haus und kümmerten sich zusammen um den Garten – bis seine Frau ihn verließ und, nach dem Unfall, das alleinige Sorgerecht für das Kind beantragte, und zwar aus dem gleichen Grund, aus dem sich der Protagonist mit der Restaurierung des Anwesens eine unlösbare Aufgabe aufgebürdet hat: nämlich, um zu vergessen. Das ist auch das dominante Thema in „Farn“, das Fertigwerden mit ungewünschten, ständig unwillkürlich sich Bahn brechenden Erinnerungen. Der Ich-Erzähler möchte nicht an die Vergangenheit denken, sondern „dass der Erinnerungsfarn unter meiner Gedankenflut irgendwann ersäuft“ (S. 29) – so, wie sich die Natur langsam das Haus und den Garten zurückholt, sollen auch die Erinnerungen überwuchert werden.

„Farn“ hingegen bleibt einem lange in Erinnerung: Es ist ein langsames, ein stilles Buch, das dem Leser Raum zum Atmen und zum Nachdenken lässt, ihn fordert, aber auch beinahe auf jeder Seite mit wunderschönen Sätzen belohnt, die man sich am liebsten notieren, in ein kleines Notizbuch eintragen und nie wieder vergessen würde. Man muss sich lediglich die Zeit nehmen und darauf einlassen, und das sollte eigentlich nicht zu viel verlangt sein.

Simon Leitner
27. Juli 2016

Originalbeitrag.
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.


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